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Bundesgerichtshof, Urteil vom 02.07.2004
V ZR 33/04 -

Ausgleich zwischen Grundstücksnachbarn für Schäden, die durch das Umstürzen eines Grenzbaums verursacht wurden

Grenzbaum hätte in angemessenen Abständen auf Krankheitsbefall überwacht werden müssen

Der u. a. für das Nachbarrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Verpflichtung eines Grundstücks­eigentümers zum Ersatz von Schäden, die dem Nachbarn durch das Umfallen eines auf der gemeinsamen Grundstücksgrenze stehenden Baumes entstanden sind, entschieden.

In dem zugrunde liegenden Fall sind die Parteien (Mit-)Eigentümer benachbarter Grundstücke. Zumindest teilweise auf der Grundstücksgrenze stand eine alte Steineiche, die seit mehreren Jahren eine verringerte Belaubung sowie totes Holz in der Krone zeigte; außerdem hatte sich rings um den Stamm der Fruchtkörper eines Pilzes (Riesenporling) gebildet. Im Jahr 1996 ließ der Ehemann der Beklagten in dem Teil der Baumkrone, der sich über ihrem Grundstück befand, das tote Holz fachmännisch entfernen. Weitere Baumpflegemaßnahmen erfolgten weder auf der Grundstücksseite der Klägerin noch auf der der Beklagten.

Klägerin verlangt Schadensersatz für beschädigtes Wohnhaus durch umgestürzte Eiche

Im Dezember 2001 stürzte die Eiche ohne Sturmeinwirkung um und beschädigte das Wohnhaus der Klägerin erheblich. Diese verlangt von der Beklagten Schadensersatz; sie meint, die Beklagte sei zumindest anteilig für den Baum verkehrssicherungspflichtig gewesen.

Berufungsverfahren blieb erfolglos

Das Landgericht hat die auf die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 97.278,08 € nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung, mit der die Klägerin nur noch die Hälfte der Klageforderung geltend gemacht hat, ist zurückgewiesen worden.

BGH: aufgrund erkennbarer Erkrankung des Baumes haben die Beklagten die Beschädigung zu verantworten

Die Revision der Klägerin hatte Erfolg. Der Senat hat zunächst die Eigentumsverhältnisse an dem Grenzbaum abweichend von dem Berufungsgericht, welches Miteigentum angenommen hat, dahingehend beurteilt, daß vertikal geteiltes Eigentum besteht. Das hat zur Folge, daß jedem Grundstückseigentümer der Teil des Baumes gehört, der sich auf seinem Grundstück befindet. Als Eigentümer eines Teils des Baumes waren die Beklagte und ihr Ehemann für diesen Teil in demselben Umfang verkehrssicherungspflichtig wie für einen vollständig auf ihrem Grundstück stehenden Baum. Deshalb seien sie u. a. verpflichtet, den Grenzbaum in angemessenen Abständen auf Krankheitsbefall zu überwachen und bei Anzeichen für eine besondere Gefahr wie z. B. trockenes Laub, dürre Äste und Pilzbefall untersuchen zu lassen. Dabei wäre die mangelnde Standfestigkeit des Baumes erkannt worden; es hätten rechtzeitig geeignete Maßnahmen gegen ein plötzliches Umstürzen ergriffen werden können. Indem die Beklagte und ihr Ehemann das trotz der auch auf der ihnen gehörenden Seite erkennbaren Erkrankung des Baumes unterlassen haben, haben sie die Beschädigung des Nachbargrundstücks mit zu verantworten.

Klägerin trägt Mitverantwortung wegen unterlassener Beachtung des kranken Baumes

Allerdings hat der Senat auch der Klägerin vorgeworfen, daß sie den erkennbaren Krankheitsanzeichen an dem ihr gehörenden Teil des Baumes keine Beachtung geschenkt und damit letztlich ebenfalls die Beschädigung ihres Wohnhauses in Kauf genommen hat. Deshalb trifft sie eine Mitverantwortung für den eingetretenen Schaden, deren Umfang nach § 254 BGB zu beurteilen ist. Im Rahmen dieser Vorschrift geht es um einen Verstoß gegen Gebote der eigenen Interessenwahrnehmung, der Verletzung einer sich selbst gegenüber bestehenden Obliegenheit; sie beruht auf der Überlegung, daß jemand, der diejenige Sorgfalt außer acht lässt, die nach Lage der Sache erforderlich erscheint, um sich selbst vor Schaden zu bewahren, auch den Verlust oder die Kürzung seiner Ansprüche hinnehmen muß, weil es im Verhältnis zwischen Schädiger und Geschädigtem unbillig erscheint, daß jemand für den von ihm erlittenen Schaden trotz eigener Mitverantwortung vollen Ersatz fordert.

Klägerin hat Anspruch auf Ersatz der Hälfte des Schadens

Da das Maß der Verursachung, in dem die Beteiligten zur Entstehung des Schadens beigetragen haben, und der beiderseitige Verschuldensanteil gleich hoch zu bewerten sind, hat der Senat eine Schadensteilung vorgenommen und der Klägerin einen Anspruch auf Ersatz der Hälfte des Schadens zugesprochen.

Vorinstanzen:

OLG Düsseldorf, LG Krefeld

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der Leitsatz

BGB §§ 254 Da, 823 Abs. 1 Ac, Dc, Ef, 923

a) Ein Baum ist ein Grenzbaum im Sinne von § 923 BGB, wenn sein Stamm dort, wo er aus dem Boden heraustritt, von der Grundstücksgrenze durchschnitten wird.

b) Jedem Grundstückseigentümer gehört der Teil des Grenzbaumes, der sich auf seinem Grundstück befindet (vertikal geteiltes Eigentum).

c) Jeder Grundstückseigentümer ist für den ihm gehörenden Teil eines Grenzbaumes in demselben Umfang verkehrssicherungspflichtig wie für einen vollständig auf seinem Grundstück stehenden Baum.

d) Verletzt jeder Eigentümer die ihm hinsichtlich des ihm gehörenden Teils eines Grenzbaumes obliegende Verkehrssicherungspflicht, ist für den ihnen daraus entstandenen Schaden eine Haftungsverteilung nach § 254 BGB vorzunehmen.

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin
Quelle: ra-online, BGH (pm)

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DWW 2004, 298
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 | Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht (VersR)
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VersR 2005, 843

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