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Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.01.2008
L 8 AS 5486/07 ER-B -

ALG II: Kontoauszüge dürfen nicht geschwärzt werden

Kontoauszüge müssen auch ohne Verdacht auf falsche Angaben vorgelegt werden - Nur wirklich Hilfebedürftige sollen Leistungen erhalten

Wer Arbeitslosengeld II-Leistungen beantragt und vom zuständigen Amt aufgefordert wird, Kontoauszüge für die letzten drei Monate vorzulegen, darf darin keine Schwärzungen vornehmen. Dies hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg entschieden.

Im zugrunde liegenden Fall stellte eine Frau einen so genannten Weiterbewilligungsantrag für Arbeitslosengeld II. Sie hatte in der Vergangenheit bereits Leistungen erhalten. Nunmehr sollte sie u. a. einen Kontoauszug für die letzten drei Monate einreichen. Dieser Aufforderung kam sie zunächst nicht nach, weil sie meinte, die Verpflichtung zur Herausgabe der Kontoauszuge verletze sie in ihrem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.

Vor dem Sozialgericht Heilbronn wollte sie im Rahmen einer einstweiligen Anorderung erreichen, dass ihr das Arbeitslosengeld II auch ohne die Kontoauszüge vorläufig bewilligt werde. Statt dessen machte das Sozialgericht Heilbronn in einem Hinweisschreiben darauf aufmerksam, dass die Kontoauszüge eingereicht werden müssten. Darauf hin gab sie die Kontoauszüge heraus. Allerdings war der Text zu den Ausgabenbuchungen geschwärzt worden. Lediglich der Zahlbetrag der getätigten Ausgaben war erkennbar. Das Sozialgericht Heilbronn entschied darauf hin, dass die Frau zu den getätigten Schwärzungen berechtigt sei und verpflichtete die Bundesagentur für Arbeit vorläufig Arbeitslosengeld II Leistungen zu gewähren.

Diese Entscheidung wurde vom Landessozialgericht Baden-Württemberg kassiert. Es sei nicht zulässig, einzelne Angaben unter Berufung auf den Datenschutz zu schwärzen.

Kontoauszüge sind so genannte Sozialdaten

Das Gericht führte aus, dass die von der Bundesagentur angeforderten Kontoauszüge, auf denen auch der Text einer Ausgabenbuchung lesbar ist, Sozialdaten iSd. § 67 Abs. 1 S. 1 SGB X enthalten, die von der Antragsgegnerin als dem zuständigen Leistungsträger nach § 35 Abs. 2 SGB I nur unter den Voraussetzungen der §§ 67 ff SGB X erhoben, verarbeitet und genutzt werden dürften.

Auch ohne Verdacht auf falsche Angaben besteht Anspruch auf Lesen der Kontoauszüge

Die Richter waren der Auffassung, dass die Vorlage vollständig lesbarer Kontoauszüge erforderlich und geeignet sei, um die Hilfebedürftigkeit der Antragstellerin iSd § 9 SGB II feststellen zu können. Die Berechtigung zur Erhebung (§ 67 Abs. 5 SGB X) dieser Daten ergebe sich damit aus § 67 a Abs. 1 SGB X. Die Zulässigkeit der Verarbeitung (§ 67 Abs. 6 SGB X) und Nutzung (§ 67 Abs. 7 SGB X) dieser Daten folge aus § 67 b Abs. 1 S. 1 iVm § 67 c Abs. 1 S. 1 SGB X.

Das Lesen der geschwärzten Buchungstexte sei entgegen der Ansicht des Sozialgerichts Heilbronn nicht nur dann erforderlich im Sinne der genannten Vorschriften, wenn der Verdacht bestehe, dass der Betroffene falsche Angaben gemacht habe.

Kein Verstoß gegen informationelles Selbstbestimmungsrecht - Staat hat Interesse nur wirklich Bedürftigen Hilfeleistungen zu gewähren

Es verstoße weder gegen das informationelle Selbstbestimmungsrecht noch gegen andere Grundrechte des Betroffenen, wenn der Staat nur solchen Personen steuerfinanzierte Leistungen gewähren will, die auch wirklich bedürftig seien, und er deshalb dem Leistungsträger das Recht einräume diejenigen Daten zu erheben, die Aufschluss darüber geben können, ob z. B. Hilfebedürftigkeit tatsächlich vorliegt. Die in Kontoauszügen enthaltenen Angaben über ein- und ausgehende Zahlungen seien im besonderen Maße geeignet, Aufschluss über die finanziellen Verhältnisse des Betroffenen zu geben. Auch der Text zu Ausgabenbuchungen könne in mehrfacher Hinsicht Angaben enthalten, die für die Beantwortung der Frage, ob tatsächlich Hilfebedürftigkeit gegeben sei, aufschlussreich seien.

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der Leitsatz

1. Für den Erlass einer Regelungsanordnung fehlt es an einem Rechtsschutzbedürfnis für ein Tätigwerden des Gerichts, wenn der Grundsicherungsträger den Leistungsantrag noch nicht förmlich abgelehnt hat.

2. Ein Leistungsempfänger ist verpflichtet, auf Verlangen des Grundsicherungsträgers vollständig lesbare (ungeschwärzte) Kontoauszüge vorzulegen.

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 28.01.2008
Quelle: ra-online

Vorinstanz:
  • Sozialgericht Heilbronn, Beschluss vom 30.10.2007
    [Aktenzeichen: S 7 AS 3379/07]
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Dokument-Nr.: 5501 Dokument-Nr. 5501

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