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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.02.2012
6 AZR 553/10 -

Frage nach der Schwerbehinderung im bestehenden Arbeitsverhältnis zulässig

Arbeitnehmer kann sich in Kündigungsschutzprozess nicht auf eine zuvor verneint Schwerbehinderung berufen

Im bestehenden Arbeitsverhältnis ist nach sechs Monaten, also nach dem Erwerb des Sonderkündigungsschutzes für behinderte Menschen, die Frage des Arbeitgebers nach der Schwerbehinderung zulässig. Das gilt insbesondere zur Vorbereitung von beabsichtigten Kündigungen. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts hervor.

Der mit einem Grad der Behinderung von 60 schwerbehinderte Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls stand seit dem 1. November 2007 in einem bis zum 31. Oktober 2009 befristeten Arbeitsverhältnis. Am 8. Januar 2009 wurde der Beklagte zum vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen der Arbeitgeberin bestellt. Während des Insolvenzeröffnungsverfahrens erbat der Beklagte in einem Fragebogen zur Vervollständigung bzw. Überprüfung der ihm vorliegenden Daten u.a. Angaben zum Vorliegen einer Schwerbehinderung bzw. Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten. Der Kläger verneinte seine Schwerbehinderung. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens kündigte der Beklagte als Insolvenzverwalter am 26. Mai 2009 dem Kläger zum 30. Juni 2009.

Frage nach Schwerbehinderung verneint – Kündigungsschutz entfällt

Der Kläger, der in der Klageschrift vom 9. Juni 2009 seine Schwerbehinderung mitgeteilt hat, hält die Kündigung vom 26. Mai 2009 für unwirksam, weil das Integrationsamt ihr nicht zugestimmt habe. Das Arbeitsgericht ist dem gefolgt und hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat dagegen angenommen, der Kläger könne sich auf den Kündigungsschutz für Schwerbehinderte nicht berufen, weil er die Frage nach der Schwerbehinderung wahrheitswidrig verneint habe.

Datenschutzrechtliche Belange stehen Zulässigkeit der Frage nach Behinderungen nicht entgegen

Die Revision des Klägers hatte vor dem Bundesarbeitsgericht keinen Erfolg. Die Frage nach der Schwerbehinderung im Vorfeld einer vom Arbeitgeber beabsichtigten Kündigung steht im Zusammenhang mit der Pflichtenbindung des Arbeitgebers durch die Anforderungen des § 1 Abs. 3 KSchG, der die Berücksichtigung der Schwerbehinderung bei der Sozialauswahl verlangt, sowie durch den Sonderkündigungsschutz nach § 85 SGB IX, wonach eine Kündigung der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes bedarf. Sie soll es dem Arbeitgeber ermöglichen, sich rechtstreu zu verhalten. Die Frage diskriminiert behinderte Arbeitnehmer nicht gegenüber solchen ohne Behinderung. Auch datenschutzrechtliche Belange stehen der Zulässigkeit der Frage nicht entgegen. Infolge der wahrheitswidrigen Beantwortung der ihm rechtmäßig gestellten Frage nach seiner Schwerbehinderung ist es dem Kläger unter dem Gesichtspunkt widersprüchlichen Verhaltens verwehrt, sich im Kündigungsschutzprozess auf seine Schwerbehinderteneigenschaft zu berufen.

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 20.02.2012
Quelle: Bundesarbeitsgericht/ra-online

Vorinstanz:
  • Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 20.06.2010
    [Aktenzeichen: 2 Sa 49/10]
Aktuelle Urteile aus dem Arbeitsrecht
Fundstellen in der Fachliteratur: Zeitschrift: Der Betrieb (DB)
Jahrgang: 2012, Seite: 1042
DB 2012, 1042
 | Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR)
Jahrgang: 2012, Seite: 920
MDR 2012, 920
 | Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht (NZA)
Jahrgang: 2012, Seite: 555
NZA 2012, 555

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