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Oberlandesgericht Thüringen, Urteil vom 28.10.2016
7 U 152/16 -

Anscheinsbeweis spricht für Verschulden des Linkabbiegers bei Kollision mit Linksüberholer

Kein Überholverbot bei fehlenden Anzeichen für bevorstehendes Linksabbiegen

Kommt es zwischen einem Linksabbieger und einem Linksüberholer zu einer Kollision, so spricht der Beweis des ersten Anscheins für einen Verstoß des Linksabbiegers gegen seine Pflichten aus § 9 Abs. 1 der Straßen­verkehrs­ordnung (StVO). Fehlt es an Anzeichen für ein bevorstehendes Linksabbiegen liegt keine unklare Verkehrslage im Sinne von § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO vor, so dass ein Überholen zulässig ist. Dies hat das Oberlandesgericht Thüringen entschieden.

In dem zugrunde liegenden Fall kam es im November 2011 auf einer Bundesstraße zu einem Verkehrsunfall als eine Postbotin mit ihrem Dienstfahrzeug nach links abbiegen wollte und dabei mit einem links überholenden Kleintransporter zusammenstieß. Nachfolgend bestand Streit über die Haftungsquote. Das Landgericht Gera nahm eine Haftungsquote von je 50 % an. Dagegen richtete sich die Berufung des beklagten Kleintransporterfahrers.

Anscheinsbeweis spricht für Alleinhaftung der Postbotin für Unfallfolgen

Das Oberlandesgericht Thüringen entschied zu Gunsten des Beklagten und hob daher die Entscheidung des Landgerichts auf. Es sei von einer Alleinhaftung der Postbotin für die Unfallfolgen auszugehen. Der Beweis des ersten Anscheins spreche dafür, dass sie gegen § 9 Abs. 1 StVO, insbesondere gegen die doppelte Rückschaupflicht, verstoßen habe. Kommt es im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Linksabbiegen zu einer Kollision mit einem Linksüberholer, so spreche der Anscheinsbeweis für eine Verletzung des Linksabbiegers gegen § 9 Abs. 1 StVO. Gegen diesen Verstoß trete die Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Beklagten zurück.

Kein unzulässiger Überholvorgang

Dem Beklagten sei nach Ansicht des Oberlandesgerichts kein unzulässiges Überholen anzulasten. Vielmehr sei dieses verkehrsgerecht erfolgt. Eine unklare Verkehrslage, welche ein Überholen gemäß § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO verbiete, habe nicht vorgelegen. Für den Beklagten habe es keine Anzeigen für ein bevorstehendes Linksabbiegen gegeben. Denn die Postbotin habe weder links geblinkt noch habe sie sich möglichst weit links eingeordnet. Allein die Verlangsamung ihres Fahrzeugs habe nicht für ein beabsichtigtes Abbiegen gesprochen.

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 05.04.2018
Quelle: Oberlandesgericht Thüringen, ra-online (vt/rb)

Vorinstanz:
  • Landgericht Gera, Urteil vom 26.01.2016
    [Aktenzeichen: 4 O 1338/14]
Fundstellen in der Fachliteratur: Zeitschrift: Neue Justiz (NJ)
Jahrgang: 2016, Seite: 512
NJ 2016, 512
 | Zeitschrift: NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (NJW-RR)
Jahrgang: 2017, Seite: 605
NJW-RR 2017, 605
 | Zeitschrift: NJW-Spezial
Jahrgang: 2017, Seite: 41
NJW-Spezial 2017, 41
 | Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht (NZV)
Jahrgang: 2017, Seite: 50
NZV 2017, 50
 | Zeitschrift für Schadenrecht (zfs)
Jahrgang: 2017, Seite: 317
zfs 2017, 317

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Dokument-Nr.: 25736 Dokument-Nr. 25736

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Kommentare (3)

 
 
StahlWind schrieb am 06.04.2018

Es hat den Anschein, also ist es so?

Was lasst ihr euch noch alles einfallen, um das Recht und die Gerechtigkeit zu beugen?

Berger antwortete am 13.04.2018

Wenn StahlWind keine Ahnung hat, sollte er seine Inkompetenz nicht so penetrant dümmlich allen zur Schau stellen. Das hat nun gar nichts mit Rechtsbeugung zun tun! Im Gegenteil. Der Anscheinsbeweis ist eine seit mind. 100 Jahren in der Jurisprudenz geläufige u. in bestimmten Situationen der nicht eindeutigen Aufklärbarkeit benutzte Konstruktion, um eine Verteilung der Verantwortlichkeit der Handelnden einigermaßen gerecht herbeizuführen. Ähnliches wird über die Beweislast versucht.

Zu beiden Stichworten werden die Erklärungen bei Creifeld, Palandt oder Wikipedia empfohlen.

Ingrid Okon schrieb am 06.04.2018

richtiges Urteil, wer nicht blinkt zahlt. Dieses heute übliche nicht blinken sollte noch extra bestraft werden.

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