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Bundesgerichtshof, Urteil vom 03.12.2007
II ZR 21/06 -

BGH befürwortet weiten Anlegerschutz bei unvollständigem Emissionsprospekt

Karlsruher Richter entscheiden zum Anlegerschutz bei der Securenta AG / Göttinger Gruppe

Anleger können sich auch dann auf einen fehlerhaften Anlageprospekt berufen, wenn sie ihn vor der Unterzeichnung des Kaufvertrages gar nicht gelesen haben. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden.

Der Kläger, der sich im Jahre 1999 als atypisch stiller Gesellschafter am sog. Unternehmenssegment VII der mittlerweile insolventen Securenta Göttinger Immobilienanlagen und Vermögensmanagement AG beteiligte, nimmt die Beklagten als deren damalige Vorstandsmitglieder im Wege des Schadensersatzes auf Erstattung geleisteter Einlagen sowie auf Freistellung von weiteren Ratenzahlungsverpflichtungen gegenüber der Securenta AG in Anspruch. Seine Klage stützt er darauf, dass der Emissionsprospekt, den er vor Vertragsschluss nicht erhalten hatte, in wesentlichen Punkten unvollständig gewesen sei.

Nachdem der Kläger vor dem Landgericht mit seiner Klage im wesentlichen erfolgreich war, hat das Oberlandesgericht der von den Beklagten eingelegten Berufung mit der Begründung stattgegeben, der fehlerhafte Prospekt sei nicht Grundlage der Anlageentscheidung geworden, weil er dem Anlageinteressenten nicht vorgelegen habe.

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs ist dieser Argumentation nicht gefolgt. Er hat darauf abgestellt, dass der Prospekt hier entsprechend dem Vertriebskonzept der Anlagegesellschaft bestimmungsgemäß die Grundlage für die Unterrichtung der Anleger durch die Vermittler geworden ist. Dann aber wirken sich Prospektfehler genauso aus, als wäre der Prospekt dem Anlageinteressenten persönlich ausgehändigt worden.

Damit kam es für die bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung auf den Inhalt des Prospekts an. Dieser war jedenfalls insofern unvollständig, als darin die bankrechtlichen Zweifel an der von der Securenta AG propagierten ratierlichen Auszahlung der späteren Guthaben – der sog. Securente – nicht erwähnt waren. Dass mit dem Kläger eine solche Securente nicht vereinbart worden ist, spielt dabei keine Rolle. Denn es war absehbar, dass zahlreiche andere Anleger kündigen würden, wenn sie von den rechtlichen Bedenken gegen die Securente erfahren würden – wie auch tatsächlich geschehen. Dadurch entstand auch im Hinblick auf die Anlage des Klägers die Gefahr, dass die Securenta AG in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten werde.

Allerdings muss sich der Kläger grundsätzlich die Steuervorteile anrechnen lassen, die er während seiner Beteiligung an dem Unternehmenssegment VII erzielt hat. Dazu und zur Prüfung von Verjährungsfragen hat der Senat die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

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der Leitsatz

BGB §§ 276, 280

a) Über die Nachteile und Risiken eines angebotenen Kapitalanlagemodells muss der Anlageinteressent in dem Emissionsprospekt zutreffend und vollständig aufgeklärt werden. Dazu gehört auch, dass er auf Risiken hingewiesen wird, die ausschließlich Altverträge betreffen, aber dazu führen können, dass die Anlagegesellschaft in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät. Ebenso ist das Bestehen eines Verlustübernahmevertrages mitzuteilen, weil dieser nicht nur die Gefahr des Verlustes der Anlage heraufbeschwört, sondern zusätzliche Zahlungspflichten auslösen kann.

b) Ein Prospektfehler ist auch dann ursächlich für die Anlageentscheidung, wenn der Prospekt entsprechend dem Vertriebskonzept der Anlagegesellschaft von den Anlagevermittlern als alleinige Arbeitsgrundlage für ihre Beratungsgespräche benutzt wird. Es kommt bei dieser Sachlage nicht darauf an, ob der Prospekt dem Anlageinteressenten übergeben worden ist.

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 03.12.2007
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 183/07 des BGH vom 03.12.2007

Vorinstanzen:
  • Landgericht Saarbrücken, Urteil vom 19.05.2004
    [Aktenzeichen: 1 O 435/02]
  • Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 15.12.2005
    [Aktenzeichen: 8 U 330/04]
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