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Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 09.09.2009
T-301/04 -

EuGH bestätigt rechtswidriges Verhalten der Clearstream Banking AG

Verbotene Preisdiskriminierung gemäß Wettbewerbsrecht nachgewiesen

Clearstream hat ihre beherrschende Stellung auf dem Markt der Erbringung primärer Clearing- und Abrechnungsleistungen für in Deutschland emittierte Wertpapiere missbraucht. Dies entschied der Europäische Gerichtshof.

Bei Clearing und Abrechnung handelt es sich um Vorgänge, die auf den Abschluss eines Wertpapiergeschäfts folgen. Das Clearing findet zwischen Geschäftsabschluss und der Abrechnung statt. Damit wird sichergestellt, dass sich Verkäufer und Käufer auf dasselbe Geschäft geeinigt haben und der Verkäufer zum Verkauf der fraglichen Wertpapiere berechtigt ist. Die Abrechnung umfasst die finale Übertragung von Wertpapieren und Mitteln zwischen Käufer und Verkäufer sowie die Vornahme der entsprechenden Vermerke in den Wertpapierkonten.

Primär- und Secundärclearing

Primärclearing und -abrechnung werden von derselben Einrichtung ausgeführt, die die Wertpapiere auch endverwahrt, während Sekundärclearing und -abrechnung von Zwischenverwahrern, d. h. von anderen Marktteilnehmern als dem Endverwahrer, insbesondere Kreditinstituten, erbracht werden.

Drei Gruppen von Anbietern für Clearing- und Abrechnungsleistungen

Die Anbieter von Clearing- und Abrechnungsleistungen lassen sich in drei Gruppen einteilen: erstens die Zentralverwahrer (CSD), die in ihrem Herkunftsland für Geschäfte mit den bei ihnen hinterlegten Wertpapieren primäre Clearing- und Abrechnungsdienste anbieten, darüber hinaus aber auch Dienstleistungen als Zwischenverwahrer bei Clearing und Abrechnung grenzübergreifender Geschäfte, bei denen die Hinterlegung der Wertpapiere in einem anderen Land erfolgt ist, anbieten können; zweitens die internationalen Zentralverwahrer (ICSD), deren Kerngeschäft in Clearing und Abrechnung internationaler Wertpapiergeschäfte besteht und die als Zwischenverwahrer auf die Leistungen der CSDs zurückgreifen; drittens die Banken, die ihren Kunden, ebenfalls als Zwischenverwahrer, Dienstleistungen für Wertpapiergeschäfte anbieten.

Die Clearstream International SA (CI) ist eine Holdinggesellschaft, zu der die Clearstream Banking AG (CBF), mit Sitz in Frankfurt am Main (Deutschland) und die Clearstream Banking Luxembourg SA (CBL) gehören. Die Clearstream-Gruppe erbringt die Dienstleistungen Clearing, Abrechnung und Verwahrung von Wertpapieren.

CBL und die Euroclear Bank SA (EB) mit Sitz in Brüssel (Belgien) sind die beiden einzigen ICSDs, die derzeit in der Europäischen Union tätig sind. CBF ist in Deutschland das einzige Finanzinstitut, das als CSD zur Endverwahrung von nach deutschem Recht emittierten Wertpapieren und zur Erbringung von auf diese bezogenen primären Clearing- und Abrechnungsleistungen berechtigt ist. Sie hat eine faktische Monopolstellung auf dem relevanten Markt inne und nimmt damit dort eine beherrschende Stellung ein.

Im Jahr 2004 erließ die Kommission eine Entscheidung, in der sie CBF und CI vorwarf, ihre beherrschende Stellung dadurch missbraucht zu haben, dass sie sich zum einen geweigert hätten, primäre Clearing- und Abrechnungsleistungen für EB rechtzeitig zu erbringen, und diese insoweit diskriminiert hätten und dass sie zum anderen EB preislich diskriminiert hätten. Zudem gab die Kommission den beiden Gesellschaften auf, die festgestellten Zuwiderhandlungen künftig zu unterlassen.

Das Urteil des Gerichts

CBF und CI haben beim Gericht erster Instanz Klage gegen die Entscheidung der Kommission erhoben. In seinem heutigen Urteil weist das Gericht zunächst darauf hin, dass die Nachfrager von Abwicklungsleistungen nicht die Wertpapierverkäufer und -käufer selbst sind, da zwischen diesen und dem Zentralverwahrer der Wertpapiere keine vertraglichen Beziehungen bestehen. Kunden des Zentralverwahrers sind nämlich allein Kreditinstitute und andere Finanzintermediäre. Die Nachfrager der von CBF angebotenen Clearing- und Abrechnungsleistungen sind also Zwischenverwahrer wie die CSDs und die ICSDs, die für ihre eigenen Kunden ihre Dienstleistungen in Bezug auf in Deutschland emittierte Wertpapiere nicht erbringen können, wenn sie nicht über die Leistungen von CBF verfügen.

Clearing und Abrechnung nur für verwahrte Wertpapiere

Dann stellt das Gericht fest, dass aus dem Verwahrungsmonopol von CBF für in Deutschland emittierte Wertpapiere ein Abwicklungsmonopol für Geschäfte mit diesen Wertpapieren folgt. Hierzu weist es darauf hin, dass Clearing und Abrechnung nur für Wertpapiere erbracht werden können, die verwahrt werden.

Beherrschende Stellung missbraucht

Zur Frage, ob CBF und CI ihre beherrschende Stellung missbraucht haben, führt das Gericht aus, dass es diesen nicht gelungen ist, zwei Jahre Wartezeit für eine Computerverbindung zu rechtfertigen, die zur gängigen Praxis von CBF gehört und die von dieser für ihre Kunden normalerweise innerhalb weniger Monate eröffnet wird, wie es u. a. bei CBL der Fall war. Die Erklärung von CBF und CI, wonach der Grund für die Nichteröffnung des Zugangs für EB die Tatsache gewesen sei, dass EB nicht alle für die Eröffnung eines solchen Zugangs erforderlichen Vorbereitungen getroffen habe, weist das Gericht zurück.

Unverfälschter Wettbewerb darf nicht beeinträchtigt werden

Was das Vorbringen von CBF und CI betrifft, dass bei der Prüfung ihres Verhaltens die Ablehnung des Antrags von CBF auf Zugang zu Euroclear France für alle französischen Wertpapiere und die Neuverhandlungen ihrer gesamten Vertragsbeziehungen mit EB berücksichtigt werden müssten, erinnert das Gericht daran, dass Unternehmen, die eine beherrschende Stellung innehaben, zwar das Recht behalten, ihre geschäftlichen Interessen zu schützen, dass sie aber eine besondere Verantwortung dafür tragen, dass sie durch ihr Verhalten einen wirksamen und unverfälschten Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt nicht beeinträchtigen.

Missbräuchliches Verhalten bestätigt

Die verspätete Erbringung der fraglichen Dienstleistungen war aber geeignet, einen Wettbewerbsnachteil für EB herbeizuführen. Folglich können die Klägerinnen ihr Verhalten auch mit den beiden genannten Gründen nicht rechtfertigen. Da diese beiden Fragen zudem mehr als ein Jahr nach dem Zugangsantrag von EB aufgeworfen wurden, kann ihre Einbeziehung in die Verhandlungen über die Gewährung eines Zugangs für EB als missbräuchlich bezeichnet werden.

Das Gericht erinnert ebenfalls daran, dass das Verhalten eines Unternehmens in beherrschender Stellung auch ohne jedes Verschulden als missbräuchlich betrachtet werden kann. Das Vorbringen der Klägerinnen, sie hätten keine wettbewerbsfeindlichen Ziele verfolgt, ist somit für die rechtliche Bewertung der Tatsachen unerheblich.

Verbotene Preisdiskriminierung

Schließlich stellt das Gericht fest, dass die primären Clearing- und Abrechnungsdienste, die die CBF im grenzüberschreitenden Wertpapiergeschäft sowohl für ICSDs als auch für CSDs erbringt, vom Leistungsumfang her gleich sind. Folglich stellt es eine gemäß dem Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft verbotene Preisdiskriminierung dar, EB für gleichwertige Dienstleistungen einen höheren Preis in Rechnung zu stellen als den nationalen CSDs.

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 10.09.2009
Quelle: ra-online, EuGH

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