die zehn aktuellsten Urteile, die zum Schlagwort „Benachteiligungsverbot“ veröffentlicht wurden
Sozialgericht Aachen, Urteil vom 14.06.2024
- S 19 SO 112/23 -
Schwerbehinderte bekommt Reha-Karre
Ein Verweis auf die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, des behindertengerecht umgebauten Fahrzeugs oder des Aktiv-Rollstuhls sind keine Alternativen zur Reha-Karre
Das Sozialgericht Aachen hat einer schwerbehinderten Klägerin eine "Reha-Karre", einen Fahrrad-Anhänger für behinderte erwachsene Menschen, zugesprochen.
Um an Fahrradausflügen mit ihrer Familie, ihren Assistenten und Freunden teilnehmen zu können, hatte die 36-jährige Klägerin vor dem Sozialgericht Aachen gegen den Landschaftsverband Rheinland auf Bewilligung der "Reha-Karre" geklagt. Die Klägerin leidet an spastischer Tetraparese und Tetraplegie. Sie ist gehbehindert und kann nicht selbst Fahrrad fahren. Ihre Mutter hatte vorgetragen, Familie und Freundeskreis der Klägerin unternähmen immer mehr Fahrten mit dem Fahrrad, vor allem für Erledigungen in der Innenstadt von Aachen, aber auch Ausflüge in die Umgebung. Von diesen Unternehmungen sei ihre Tochter ohne Reha-Karre vollständig ausgeschlossen.... Lesen Sie mehr
Landessozialgericht Hessen, Urteil vom 18.10.2023
- L 4 SO 180/21 -
Widerspruch per einfacher E-Mail ist unwirksam
Widerspruch per einfacher E-Mail entspricht nicht den gesetzlichen Formvorschriften
Der Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt unterliegt gesetzlichen Formvorschriften. Er kann schriftlich oder zur Niederschrift eingelegt werden. Wird er in elektronischer Form eingelegt, dann ist eine qualifizierte elektronische Signatur bzw. die Versendung per De-Mail erforderlich. Eine einfache E-Mail ist nicht ausreichend. Dies entschied das Hessischen Landessozialgericht.
Ein Fachjournalist für IT-Technik legte gegen einen Sozialhilfebescheid per einfacher E-Mail Widerspruch ein. Die Sozialhilfebehörde teilte dem schwerbehinderten Mann aus dem Werra-Meißner-Kreis unverzüglich mit, dass sie den Widerspruch als unzulässig zurückweise. Es fehle die qualifizierte elektronische Signatur. Er übersandte daraufhin seinen Widerspruch fristgemäß per Fax. Der... Lesen Sie mehr
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 01.07.2020
- 15 Sa 289/20 -
Entschädigungsanspruch nach dem Antidiskriminierungsgesetz: Arbeitnehmer muss Indizien für Pflichtverletzung des Arbeitgebers darlegen und beweisen
Diskriminierungsverfahren vor dem Arbeitsgericht muss mit Indizien untermauert werden - Bloße Behauptungen ins Blaue hinein reichen nicht aus
Für einen Entschädigungsanspruch wegen Benachteiligung nach dem Antidiskriminierungsgesetz (AGG) reicht es nicht aus, wenn der Arbeitnehmer, der die Entschädigung beansprucht, Pflichtverletzungen des Arbeitgebers ins Blaue hinein behauptet. Vielmehr muss der klagende Arbeitnehmer Indizien im Sinne des § 22 AGG darlegen, die für einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des AGG sprechen könnten. Bloße Behauptungen, die ins Blaue hinein erhoben werden, sind insofern unbeachtlich.
Dies geht aus einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg hervor. In dem Verfahren ging es um die Klage eines Schwerbehinderten auf Entschädigung gegen einen privaten Arbeitgeber. Dieser habe, so der Kläger, in Bezug auf die Beteiligung des Betriebsrats, der Schwerbehindertenvertretung und der Bestellung eines Inklusionsbeauftragten im Rahmen einer Stellenausschreibung... Lesen Sie mehr
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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.10.2016
- 3 AZR 439/15 -
Abschläge bei vorzeitiger Inanspruchnahme der Betriebsrente stellen keine unzulässige Benachteiligung wegen Behinderung dar
BAG verneint Verstoß gegen Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
Sieht eine Versorgungsordnung bei der Inanspruchnahme der Betriebsrente vor Erreichen der üblichen, "festen Altersgrenze" Abschläge vor, liegt darin keine unerlaubte Benachteiligung wegen einer Behinderung. Dies entschied das Bundesarbeitsgericht.
Der Kläger des zugrunde liegenden Verfahrens ist als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Er bezieht seit der Vollendung seines 60. Lebensjahres eine gesetzliche Altersrente für Schwerbehinderte und eine Betriebsrente. In der Vergangenheit war bei der Beklagten der ungekürzte Bezug der Betriebsrente möglich, wenn der Arbeitnehmer eine Vollrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung... Lesen Sie mehr
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.09.2015
- 23 Sa 1045/15 -
Erneute Kündigung einer Angestellten während der Schwangerschaft ohne Zustimmung der Arbeitsschutzbehörde unzulässig
LAG zum Diskriminierungsschutz für schwangere Frauen
Die Kündigung einer schwangeren Frau ohne Zustimmung der Arbeitsschutzbehörde kann eine verbotene Benachteiligung wegen des Geschlechts (§ 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz – AGG) darstellen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer Geldentschädigung verpflichten. Dies entschied das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg und bestätigte damit eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin.
Der Beklagte des zugrunde liegenden Streitfalls, ein Rechtsanwalt, hatte die bei ihm beschäftigte Klägerin bereits während der Probezeit gekündigt. Diese Kündigung hatte das Arbeitsgericht in einem vorangegangenen Kündigungsschutzverfahren nach § 9 Mutterschutzgesetz – MuSchG – für unwirksam erklärt, weil die Klägerin ihrem Arbeitgeber gleich nach der Kündigung unter Vorlage des Mutterpasses... Lesen Sie mehr
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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.07.2015
- 6 AZR 457/14 -
Kündigungsbegründung "inzwischen pensionsberechtigt": Altersdiskriminierende Kündigung ist auch im Kleinbetrieb unzulässig
Benutzung des Begriffs "Pensionsberechtigung" lässt eine Altersdiskriminierung vermuten
Ist bei einer Kündigung gegenüber einer Arbeitnehmerin aufgrund von ihr vorgetragener Indizien eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Lebensalters nach § 22 AGG zu vermuten und gelingt es dem Arbeitgeber nicht, diese Vermutung zu widerlegen, ist die Kündigung auch im Kleinbetrieb unwirksam.
Die am 20. Januar 1950 geborene Klägerin war bei der beklagten Gemeinschaftspraxis seit dem 16. Dezember 1991 als Arzthelferin beschäftigt. In der Praxis waren im Jahr 2013 noch vier jüngere Arbeitnehmerinnen tätig. Die Klägerin war zuletzt überwiegend im Labor eingesetzt.Die Gesellschafter der Beklagten kündigten ihr Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 24. Mai... Lesen Sie mehr
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.03.2015
- 2 AZR 237/14 -
Kündigung nach In-vitro-Fertilisation unwirksam
Mutterschutzrechtliches Kündigungsverbot greift bereits ab dem Zeitpunkt der Einsetzung der befruchteten Eizelle
Eine ohne behördliche Zustimmung ausgesprochene Kündigung gegenüber einer Frau während der Schwangerschaft ist nach § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG jedenfalls dann unzulässig, wenn dem Arbeitgeber zur Zeit der Kündigung die Schwangerschaft bekannt war oder sie ihm innerhalb zweier Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird. Im Fall einer Schwangerschaft nach einer Befruchtung außerhalb des Körpers (In-vitro-Fertilisation) greift das mutterschutzrechtliche Kündigungsverbot bereits ab dem Zeitpunkt der Einsetzung der befruchteten Eizelle (sogenannte Embryonentransfer) und nicht erst mit ihrer erfolgreichen Einnistung (Nidation). Dies hat das Bundesarbeitsgericht entschieden und - wie schon die Vorinstanzen - der Kündigungsschutzklage einer Arbeitnehmerin stattgegeben.
Die Klägerin des zugrunde liegenden Verfahrens war als eine von zwei Angestellten seit Februar 2012 in der Versicherungsvertretung des Beklagten beschäftigt. Ermahnungen oder Abmahnungen etwa wegen schlechter Leistungen erhielt sie nicht. Am 14. oder 15. Januar 2013 teilte sie dem Beklagten mit, dass sie seit mehreren Jahren einen bisher unerfüllten Kinderwunsch hege und ein erneuter... Lesen Sie mehr
Amtsgericht Köln, Urteil vom 17.06.2014
- 147 C 68/14 -
Anspruch auf Entschädigung bei Weigerung der Vermietung einer Hochzeitslocation an schwules Paar
Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot aus § 19 Abs. 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes
Weigert sich der Vermieter einer Hochzeitslocation die Location an ein schwules Paar zu vermieten, weil seine Mutter etwas gegen Homosexuelle hat, so liegt darin ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot aus § 19 Abs. 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). In einem solchen Fall besteht nach § 21 Abs. 2 Satz 3 AGG Anspruch auf eine Entschädigung. Dies hat das Amtsgericht Köln entschieden.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein schwules Paar beabsichtigte im August 2013 eine eingetragene Lebenspartnerschaft einzugehen. Für die Feierlichkeiten wollte es eine Villa anmieten, die laut der Internetpräsenz für verschiedene Veranstaltungen, wie etwa Hochzeitsfeiern, zur Verfügung gestellt wird. Bei Hochzeitsfeiern wird die Villa in der Regel für drei Tage an das Hochzeitspaar... Lesen Sie mehr
Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 25.11.2013
- 3 M 337/13 -
An Diabetes erkranktes Kind darf weiter staatliche Grundschule besuchen
Überweisung eines behinderten Schülers an eine Förderschule stellt bei möglichem Besuch einer Regelschule ohne besonderen Aufwand verbotene Benachteiligung dar
Die Überweisung eines behinderten Schülers an eine Förderschule stellt dann eine nach Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG verbotene Benachteiligung dar, wenn entweder seine Erziehung und Unterrichtung an der Regelschule den Fähigkeiten des Schülers entspricht und ohne besonderen Aufwand möglich ist oder die Förderschulüberweisung erfolgt, obwohl der Besuch der Regelschule durch einen vertretbaren Einsatz von sonderpädagogischer Förderung ermöglicht werden könnte. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt und gestattete in einem Eilverfahren vorläufig die weitere Beschulung eines an Diabetes Mellitus erkrankten Kindes an einer staatlichen Grundschule.
Im zugrunde liegenden Verfahren besuchte ein an Diabetes Mellitus Typ I erkranktes Kind im 1. Schuljahr eine staatliche Grundschule. Zum Beginn des 2. Schuljahres verfügte das Landesschulamt gegen den Willen des sorgeberechtigten Vaters, dass das Kind eine Förderschule für körperbehinderte Kinder zu besuchen habe. Zur Begründung führte das Landesschulamt aus, dass mit dem an der Grundschule... Lesen Sie mehr
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.03.2013
- 19 A 702/11, 19 A 820/11, 19 A 2620/11 -
Benachteiligung von G8-Gymnasiasten bei Fahrkosten verfassungswidrig
Land verstieß gegen Gleichbehandlungsgrundsatz
Die Schulträger mussten schon in den Schuljahren 2010/2011 und 2011/2012 Schülerfahrkosten auch für G8-Gymnasiasten in der Klasse 10 übernehmen, wenn die Schüler mehr als 3,5 km, aber höchstens 5 km von der Schule entfernt wohnen. Dieses bis zum 31. Juli 2012 geltende Schülerfahrkostenrecht, das solche Schüler von der Erstattung ausschloss, war verfassungswidrig. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen hervor.
Dem Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Seit der Einführung des Abiturs nach acht Jahren (G8) im Jahr 2006 gehört die Klasse 10 am Gymnasium zur Sekundarstufe II, während sie an Haupt-, Real- und Gesamtschulen weiterhin zur Sekundarstufe I zählt. Bei den Schülerfahrkosten führte diese Änderung seit dem Schuljahr 2010/2011 zur Anwendung der Entfernungsgrenze 5 km auch auf Gymnasiasten... Lesen Sie mehr