die zehn aktuellsten Urteile, die zum Schlagwort „nicht zugelassenes Medikament“ veröffentlicht wurden
Bundessozialgericht, Urteil vom 24.01.2023
- B 1 KR 7/22 R -
Grundsätze der Arzneimittelzulassung gelten auch bei Risiken in der Schwangerschaft
Kasse muss Kosten für nicht zugelassene Arznei nur im Notfall bezahlen
Das Bundessozialgericht hat entschieden, wann schwangere Frauen ausnahmsweise Anspruch auf ein für die konkrete Behandlung nicht zugelassenes Arzneimittel haben, um ihr ungeborenes Kind vor einer gefährlichen Infektion zu schützen. Dafür ist erforderlich, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen tödlichen oder besonders schweren Verlauf spricht.
Die schwangere Klägerin hatte sich mit dem für sie ungefährlichen Zytomegalievirus infiziert. Es bestand jedoch ein Ansteckungsrisiko für das ungeborene Kind mit potentiell schwerwiegenden Folgen bis hin zum Abort. Bei der großen Mehrheit der Schwangerschaften infizierter Mütter kommen Kinder gesund zur Welt. Das von der Klägerin begehrte Arzneimittel sollte die Ansteckungswahrscheinlichkeit für das Ungeborene verringern. Es war aber hierfür nicht zugelassen und nicht abschließend erforscht. Die Krankenkasse lehnte die Übernahme der Kosten deshalb ab.Das Bundessozialgerichts hat diese Entscheidung bestätigt. Der Staat muss das... Lesen Sie mehr
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20.04.2020
- 13 A 4112/19 -
Widerruf der tierärztlichen Approbation aufgrund Lagerung und Herausgabe von abgelaufenen und nicht registrierten Arzneimitteln
Tierarzt muss Hausapotheke regelmäßig kontrollieren
Die tierärztliche Approbation kann wegen Unwürdigkeit und Unzuverlässigkeit widerrufen werden, wenn abgelaufene und nicht registrierte Arzneimittel gelagert und herausgegeben werden. Ein Tierarzt muss seine Hausapotheke regelmäßig kontrollieren. Dies hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen entschieden.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Juli 2019 wurde die Approbation einer Tierärztin widerrufen, da sie seit Jahren abgelaufene und nicht zugelassene Arzneimittel lagerte und herausgab. Die zuständige Behörde sah in dem Fehlverhalten eine Unwürdigkeit und Unzuverlässigkeit zur Ausübung des tierärztlichen Berufs. Gegen die Tierärztin wurde seit dem Jahr 2003 wegen der Lagerung... Lesen Sie mehr
Sozialgericht Dresden, Beschluss vom 29.03.2017
- S 18 KR 268/17 ER -
Akut an Brustkrebs erkrankte Patientin darf mit neuartiger Chemotherapie behandelt werden
Wirtschaftliche Interessen der Krankenkasse müssen hinter Schutz des Lebens der Patientin zurücktreten
Das Grundrecht auf Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes kann es gebieten, dass einer Patientin die Behandlung mit einer neuartigen Chemotherapie zugesprochen wird, auch wenn noch nicht feststeht, dass das Medikament für diese Behandlung zugelassen werden kann und sicher wirksam ist. Das hat das Sozialgericht Dresden am 29. März 2017 entschieden.
Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die 48 Jahre alte Antragstellerin erkrankte 2008 an einer aggressiven Form von Brustkrebs. Nach einer Operation wurde sie mit Chemotherapie und Bestrahlung behandelt. Dennoch bildeten sich immer wieder Metastasen. Ihr Arzt schlug 2017 die Behandlung mit Pertuzumab im Rahmen einer Kombinationstherapie vor.Die AOK Plus... Lesen Sie mehr
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Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 08.04.2013
- L 5 KR 102/13 B ER -
Krankenkasse muss bei tödlicher Krebserkrankung Kosten für Behandlung mit nicht zugelassenem Medikament übernehmen
Rechtsgut des Patienten auf Leben überwiegt
Sind die zugelassenen Methoden der medizinischen Wissenschaft bei einer Krebstherapie als erfolglos ausgeschöpft anzusehen und ist nach ärztlicher Einschätzung eine Therapie mit einem für diese konkrete Krepsbehandlung nicht zugelassenen Medikament aufgrund gesicherter Daten als erfolgreich einzuschätzen, überwiegt unter diesen Voraussetzungen das Rechtsgut des Patienten auf Leben. Die Krankenkasse hat daher die Kosten für die Behandlung mit dem Medikament zu übernehmen. Dies entschied das Bayerische Landessozialgericht.
Dem Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Ein 46jähriger Patient war an einem hirneigenen bösartigen Tumor erkrankt. Operative, radiologische und chemotherapeutische Maßnahmen konnten aber den Krebs nicht stoppen. Das Leben des Patienten war akut bedroht. Die behandelnden Ärzte einer hoch angesehenen Universitätsklinik sahen nur noch die Chance, mittels des Medikaments Avastin... Lesen Sie mehr
Sozialgericht Stuttgart, Urteil vom 01.08.2011
- S 8 KR 354/10 -
SG Stuttgart: Kosten von nicht in Deutschland zugelassenen Medikamenten müssen von Krankenkassen nur bei lebensbedrohlichen Erkrankungen übernommen werden
Kein Anspruch auf Behandlung von Wachstumsstörungen durch nicht zugelassenes Medikament
Ist ein Medikament zur Behandlung von Wachstumsstörungen in Deutschland nicht zugelassen, hat ein Patient gegen seine Krankenkasse keinen Anspruch auf die Behandlung mit diesem Medikament. Dies hat das Sozialgericht Stuttgart entschieden.
Im vorliegenden Fall hat der 13-jährige Kläger etwa 1,52 m groß und hat eine Endgrößenprognose von etwa 1,65 m. In Deutschland gibt es kein zulässiges Medikament, mit dem seine Körpergröße erhöht werden kann. Von einem Arzt in einer Universitätsklinik erhielt er den Hinweis, dass es ein Medikament gebe, mit dem nach internationalen Studien bei einer Anwendungsdauer von zwei Jahren ein... Lesen Sie mehr
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Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 15.01.2009
- L 1 KR 51/05 -
Anspruch eines HIV-Erkrankten auf Versorgung mit Serostim
Bei notstandsähnlicher Situation muss gesetzliche Krankenversicherung auch die Versorgung mit einem nicht zugelassenen Arzneimittel gewähren
Leidet ein gesetzlich Krankenversicherter an einer lebensbedrohlichen Erkrankung, für die eine anerkannte medizinische Behandlung nicht zur Verfügung steht, kann er die Versorgung mit einem nicht zugelassenen Medikament beanspruchen. Voraussetzung ist allerdings, dass sich der Versicherte in einer notstandsähnlichen Situation befindet und dass eine Abwägung von Nutzen und Risiken für die Versorgung spricht. Dies entschied das Hessische Landessozialgericht.
Der 44-jährige Kläger leidet an einer HIV-Infektion im fortgeschrittenen Stadium. Der Mann aus Nordhessen entwickelte gegen mehrere Kombinationstherapien Resistenzen. Auch kam es zu Verträglichkeitsproblemen. Im Rahmen der letztmöglichen Kombinationstherapie verbesserte sich sein immunologischer Zustand. Als Nebenwirkung trat jedoch eine massive Fettverteilungsstörung mit einer Gewichtszunahme... Lesen Sie mehr
Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 13.04.2005
- L 8 KR 38/05 ER -
HIV-Therapie mit nicht zugelassenem Medikament
Ein in Deutschland nicht zugelassenes Medikament kann auf Kosten der Krankenkasse bei einem befristeten Therapieversuch eingesetzt werden. In einer jetzt bekannt gewordenen Entscheidung gab damit das Hessische Landessozialgericht mit einer einstweiligen Anordnung einem an einer HIV-Infektion erkrankten Versicherten Recht.
Die medikamentöse Behandlung des Versicherten führte zu einer zunehmenden Fettumverteilungsstörung mit der Folge schwerer Magen- und Darmbeschwerden und ausgeprägter Atemnot. Die einzige Möglichkeit, eine weitere Fettansammlung zu verhindern, bestand nach ärztlicher Einschätzung in der Einnahme des Medikamentes "Serostim", das in den USA, aber nicht in Deutschland zugelassen ist.... Lesen Sie mehr