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Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.02.2022
VI ZR 409/19 -

Bei Bemessung des Schmerzensgelds in Arzt­haftungs­prozessen ist Gesichtspunkt der Genugtuung zu berücksichtigen

Grobe Fahrlässigkeit ist nicht gleich grober Behandlungsfehler

Im Rahmen von Arzt­haftungs­prozessen ist bei der Bemessung der Schmerzensgeldhöhe der Gesichtspunkt der Genugtuung zu berücksichtigen. Zudem ist grobe Fahrlässigkeit nicht gleichzusetzen mit einem groben Behandlungsfehler. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im November 2008 verstarb in einem Krankenhaus in Nordrhein-Westfalen ein etwa 72 jähriger Patient infolge eines Herzinfarkts. Die Ehefrau klagte anschließend auf Zahlung von Schmerzensgeld. Sie warf den behandelnden Ärzten einen Behandlungsfehler vor.

Landgericht wies Klage ab, Oberlandesgericht gab ihr statt

Während das Landgericht Duisburg die Klage abwies, gab ihr das Oberlandesgericht Düsseldorf statt. Es sah in der unterlassenen dringend gebotenen Herzkatheter-Untersuchung einen fehlerhafte ärztliche Behandlung und sprach der Klägerin ein Schmerzensgeld von 2.000 € zu. Bei der Bemessung des Schmerzensgeld hielt das Oberlandesgericht die Genugtuungsfunktion für unbeachtlich. Gegen diese Entscheidung richtete sich die Revision der Klägerin.

Berücksichtigung der Genugtuungsfunktion bei Schmerzensgeldhöhe

Der Bundesgerichtshof entschied zu Gunsten der Klägerin. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes in Arzthaftungssachen komme dem Gesichtspunkt der Genugtuung Bedeutung zu. Auch wenn bei der ärztlichen Behandlung das Bestreben der Behandlungsseite im Vordergrund stehe, dem Patienten zu helfen und ihn von seinen Beschwerden zu befreien, stelle es unter dem Blickpunkt der Billigkeit einen wesentlichen Unterschied dar, ob dem Arzt grobes Verschulden zur Last fällt oder ob ihn nur ein geringfügiger Schuldvorwurf trifft. So könne ein dem Arzt aufgrund grober Fahrlässigkeit unterlaufener Behandlungsfehler dem Schadensfall sein besonderes Gepräge geben.

Grobe Fahrlässigkeit ist nicht gleich grober Behandlungsfehler

Dabei sei nach Auffassung des Bundesgerichtshofs zu beachten, dass grobe Fahrlässigkeit nicht bereits dann zu bejahen sei, wenn dem Arzt ein grober Behandlungsfehler unterlaufen ist. Ein grober Behandlungsfehler sei weder mit grober Fahrlässigkeit gleichzusetzen noch komme ihm eine Indizwirkung zu. Grobe Fahrlässigkeit setze einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Sorgfaltsverstoß voraus. Dagegen komme es für die Frage, ob ein grober Behandlungsfehler vorliegt, auf den Grad subjektiver Vorwerfbarkeit gegenüber dem Arzt nicht an. Entscheidend sei vielmehr, ob dem Arzt ein Fehler unterlaufen ist, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf.

Zurückweisung des Falls an das Oberlandesgericht

Der Bundesgerichtshof verwies den Fall zur Neuentscheidung an das Oberlandesgericht zurück.

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 07.10.2024
Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)

Vorinstanzen:
  • Landgericht Duisburg, Urteil vom 14.12.2015
    [Aktenzeichen: 2 O 167/13]
  • Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 26.09.2019
    [Aktenzeichen: I-8 U 2/16]
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Fundstellen in der Fachliteratur: Zeitschrift: Juristische Rundschau (JR)
Jahrgang: 2022, Seite: 639
JR 2022, 639
 | Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR)
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Jahrgang: 2022, Seite: 1443
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 | Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht (VersR)
Jahrgang: 2022, Seite: 635
VersR 2022, 635

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Dokument-Nr.: 34424 Dokument-Nr. 34424

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