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Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 15.11.2016
- 26U 37/14 -
Mehrfach fehlerhafte Operation: Erstes Krankenhaus haftet auch für groben Behandlungsfehler einer weiteren Klinik
Bei behandlungsfehlerhafter Erstoperation hat erstbehandelnder Arzt haftungsrechtlich für weiteren Eingriff und damit verbundene Folgen einzustehen
Wird die Anomalie eines Magens fehlerhaft operiert, kann das für die erste Operation verantwortliche Krankenhaus auch für die Folgen einzustehen haben, die die Patientin durch eine grob behandlungsfehlerhaft durchgeführte Revisionsoperation erleidet. Dies entschied das Oberlandesgericht Hamm und änderte damit das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Bochum ab.
Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die im Jahre 1962 geborene Patientin aus Recklinghausen litt an erheblichen Magenbeschwerden, begründet durch eine Magenanomalie (Upside-Down-Stomach in Form einer großen Fornixkaskade). Diese ließ sie im April 2009 im beklagten Krankenhaus in Recklinghausen operieren. Bei der
Klägerin verlangt Schmerzensgeld und Schadensersatz
Vom beklagten Krankenhaus hat die Klägerin 70.000 Euro Schmerzensgeld sowie einen mit 2.600 Euro pro Monat für die Zeit ab der ersten
auch für die fehlerhafte Revisionsoperation und die weiteren Komplikationen einzustehen habe, die alle eine Folge der fehlerhaft durchgeführten ersten
LG: Fehlerhafte Revisionsoperation hat Kausalzusammenhang unterbrochen
Das Landgericht hat der Klägerin 8.000 Euro Schmerzensgeld und einen für drei Monate berechneten Haushaltsführungsschaden in Höhe von 4.680 Euro zugesprochen. Dies insbesondere mit der Begründung, dass die fehlerhafte Revisionsoperation den Kausalzusammenhang unterbrochen habe, so dass das beklagte Krankenhaus nicht mehr für die Schäden hafte, die nach dieser
OLG bejaht Schadensersatz- und Schmerzensgeldanspruch
Die Berufung der Klägerin gegen das landgerichtliche Urteil war überwiegend erfolgreich. Das durch medizinische Sachverständige beratene Oberlandesgericht Hamm sprach der Klägerin 70.000 Euro Schmerzensgeld sowie einen - bis Ende des Jahres 2013 - mit 30.160 Euro berechneten Haushaltsführungsschaden und für die Folgezeit Haushaltsführungskosten von monatlich 156 Euro zu.
Beklagtes Krankenhaus haftet auch für weitere Schadensfolgen
Für den zwischen den Parteien nicht mehr umstrittenen
Zurechnungszusammenhang zu früherem Behandlungsfehler entfällt nur bei besonders grobem Behandlungsfehler
Bei der Revisionsoperation sei es zwar grob behandlungsfehlerhaft versäumt worden, den Magen der Klägerin korrekt aufzuhängen. Die Revisionsoperation sei aber aufgrund der behandlungsfehlerhaften Erstoperation notwendig gewesen. In einem solchen Fall habe der erstbehandelnde Arzt haftungsrechtlich für den weiteren Eingriff und die mit ihm verbundenen Folgen einzustehen. Das gelte grundsätzlich auch, wenn der weitere Eingriff behandlungsfehlerhaft erfolge. Eine Ausnahme sei in derartigen Fällen nur dann zu machen, wenn der die Zweitschädigung herbeiführende Arzt in außergewöhnlich hohem Maße die an ein gewissenhaftes ärztliches Verhalten zu stellenden Anforderungen außer Acht lasse und derart gegen alle ärztlichen Regeln und Erfahrungen verstoße, dass der nach seiner Zweitbehandlung eingetretene Schaden im Rahmen einer haftungsrechtlichen Bewertung allein seinem Handeln zuzuordnen sei. Daher lasse nur ein besonders grober
Fehler bei der Revisionsoperation ist nicht als völlig ungewöhnlich und unsachgemäß einzustufen
Ein solcher besonders grober
Langwieriger und komplikationsträchtiger Krankheitsverlauf entscheidend bei Bemessung des Schmerzensgeldes
Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes sei der besonders langwierige und komplikationsträchtige Krankheitsverlauf der Klägerin zu berücksichtigen, so das Gericht. Von Mai 2009 bis Ende 2013 habe sich die Klägerin vielfachen ärztlichen Behandlungen und Operationen mit stationären Aufenthalten unterziehen müssen. Sie sei nach wie vor erheblich beeinträchtigt und werde ihr gesamtes weiteres Leben lang abdominellen Belastungsschmerzen ausgesetzt sein. In ihrer Haushaltsführung sei die Klägerin unter Berücksichtigung des eingeholten Sachverständigengutachtens bis Ende des Jahres 2013 weitgehend zu einem Drittel und in der Folgezeit noch zu 10 % beeinträchtigt, hiernach bemesse sich der zugesprochene Haushaltsführungsschaden.
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 19.12.2016
Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online
- Aufklärungsgespräch zwischen Arzt und Patient für mögliche Haftungsansprüche entscheidend
(Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 09.11.2015
[Aktenzeichen: 3 U 68/15]) - Arzthaftung: Nichtbeachtung einschlägiger Fachliteratur kann als grober Behandlungsfehler gewertet werden
(Oberlandesgericht Koblenz, Urteil vom 20.06.2012
[Aktenzeichen: 5 U 1450/11])
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Dokument-Nr. 23602
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