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Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.06.2015
- VIII ZR 19/14 -
Vermieter darf insolventem Mieter nach "Freigabe" der Mietverhältnisse durch den Insolvenzverwalter wegen Mietrückständen fristlos kündigen
Kündigungssperre gemäß § 112 Nr. 1 InsO dient Schutz der Insolvenzmasse und nicht persönlichem Schutz des Mieters vor dem Verlust der Wohnung
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass ein Vermieter einem in der Verbraucherinsolvenz befindlichen Mieter nach der "Freigabe" des Mietverhältnisses seitens des Insolvenzverwalters/Treuhänders eine außerordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzugs aussprechen darf und sich dabei auch auf Mietrückstände stützen kann, die bereits vor der Insolvenzantragstellung entstanden sind.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Beklagte ist seit dem Jahr 1988
Vermieterin kündigt Mietverhältnis unter Berufung auf aufgelaufene Mietrückstände
Auf seinen Antrag wurde am 17. Juni 2010 das Verbraucherinsolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet. Die Treuhänderin erklärte am 1. Juli 2010 die "Freigabe" des Mietverhältnisses nach § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO. Der Beklagte zahlte in den Monaten März 2009 bis Oktober 2012 keine oder nur einen Teil der Miete. Die Klägerin kündigte das
Fristlose Kündigung kann auch auf vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelaufene Mietrückstände gestützt werden
Das Amtsgericht hat der Räumungsklage stattgegeben, das Landgericht hat sie abgewiesen. Die vom Landgericht zugelassene Revision der Klägerin hatte Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat entschied, dass die Kündigungssperre des § 112 Nr. 1 InsO**** mit Wirksamwerden der Enthaftungserklärung (auch Freigabeerklärung genannt) nach § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO entfällt und eine
Mieter kann Kündigungsfolgen durch Zahlung der Mietrückstände aus pfändungsfreiem Vermögen abwenden
Die Enthaftungserklärung bewirkt, dass das
Das Gleiche gilt auch während des Restschuldbefreiungsverfahrens (§§ 286 ff. InsO).
Zurückbehaltungsrecht in Höhe vierfacher Mängelminderung nicht nachvollziehbar
Soweit das Landgericht dem Beklagten - neben der Minderung der Bruttomiete in Höhe von 20 % - monatlich ein Zurückbehaltungsrecht in Höhe des vierfachen Minderungsbetrages, mithin in Höhe von 80 % zugestanden und daher einen Zahlungsverzug insgesamt verneint hat, hat es das tatrichterliche Beurteilungsermessen durch die schematische Bemessung und zeitlich unbegrenzte Zubilligung des Zurückbehaltungsrechts überschritten. Es hat die Besonderheiten des auf dauernden Leistungsaustausch gerichteten Wohnraummietverhältnisses außer Acht gelassen und ist darüber hinaus weder dem Zweck des Zurückbehaltungsrechts noch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerecht geworden. Das Leistungsverweigerungsrecht des § 320 BGB dient im Rahmen eines Mietverhältnisses dazu, auf den
Einbehaltener Betrag muss in angemessener Relation zur Bedeutung des Mangels stehen
Unter Berücksichtigung dessen ist es verfehlt, das Leistungsverweigerungsrecht des Wohnraummieters aus § 320 BGB ohne zeitliche Begrenzung auf einen mehrfachen Betrag der monatlichen Minderung oder der Mangelbeseitigungskosten zu bemessen. Vielmehr kann es redlicherweise nur so lange ausgeübt werden, als es noch seinen Zweck erfüllt, den
Erläuterungen
* - § 320 BGB Einrede des nicht erfüllten Vertrags
(1) Wer aus einem gegenseitigen Vertrag verpflichtet ist, kann die ihm obliegende Leistung bis zur Bewirkung der Gegenleistung verweigern, es sei denn, dass er vorzuleisten verpflichtet ist [...]
** - § 543 BGB Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund
(1) Jede Partei kann das
(2) Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn [...]
3. der
b) in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht.
** - § 109 InsO Schuldner als Mieter oder Pächter
(1) Ein Miet- oder Pachtverhältnis über [...] Räume, das der Schuldner als
Ist Gegenstand des Mietverhältnisses die Wohnung des Schuldners, so tritt an die Stelle der
**** - § 112 InsO Kündigungssperre
Ein Miet- oder Pachtverhältnis, das der Schuldner als
1. wegen eines Verzuges mit der Entrichtung der Miete oder Pacht, der in der Zeit vor der Eröffnung eingetreten ist.
2. wegen einer Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Schuldners.
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 18.06.2015
Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online
- Amtsgericht Kassel, Urteil vom 18.01.2013
[Aktenzeichen: 454 C 4666/09] - Landgericht Kassel, Urteil vom 12.12.2013
[Aktenzeichen: 1 S 73/13]
Jahrgang: 2015, Seite: 1089 GE 2015, 1089
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Dokument-Nr. 21179
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