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Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 10.10.2014
- 1 BvR 856/13 -
Prozessunterlagen müssen nicht immer in Blindenschrift zugänglich gemacht werden
Gleichberechtigte Teilhabe am Prozess setzt nicht zwangsläufig Vorliegen der Prozessunterlagen in Blindenschrift voraus
Das Bundesverfassungsgericht hatte über den Anspruch einer sehbehinderten Person zu entscheiden, die Prozessunterlagen eines Zivilrechtsstreits in Blindenschrift zu erhalten. Aus dem Benachteiligungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG folgt der Auftrag, Menschen mit Behinderung so zu stellen, dass ihnen gleichberechtigte Teilhabe wie Menschen ohne Behinderung ermöglicht wird. Eine anwaltlich vertretene Person kann bei übersichtlichem Streitstoff grundsätzlich auf die Kenntnisvermittlung durch ihren Rechtsanwalt verwiesen werden. Die Fürsorgepflicht des Gerichts erfordert es aber, die Prozessunterlagen gleichwohl in Blindenschrift zugänglich zu machen, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Vermittlung durch den Rechtsanwalt nicht gleichwertig mit der unmittelbaren Kenntnis ist.
Der Beschwerdeführer des zugrunde liegenden Verfahrens ist sehbehindert und beantragte in einem zivilgerichtlichen Berufungsverfahren, die Prozessunterlagen auch in
BVerfG nimmt Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an
Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass sich das Benachteiligungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG nicht in der Anordnung, Menschen mit und ohne Behinderung rechtlich gleich zu behandeln, erschöpft. Vielmehr kann eine Benachteiligung auch vorliegen, wenn die Lebenssituation von Menschen mit Behinderung im Vergleich zu derjenigen nichtbehinderter Menschen durch gesetzliche Regelungen verschlechtert wird. Gesetzgeber und Rechtsprechung sind daher gefordert, bei Gestaltung und Auslegung der Verfahrensordnungen der spezifischen Situation einer Partei mit Behinderung so Rechnung zu tragen, dass ihre Teilhabemöglichkeit der einer Partei ohne Behinderung gleichberechtigt ist. Diesen Maßstäben werden die angegriffenen Entscheidungen im Ergebnis gerecht. Die Verfassungsbeschwerde wird daher nicht zur Entscheidung angenommen.
Bei übersichtlichem Streitstoff darf auf Vermittlung durch den Rechtsanwalt verwiesen werden
Es ist zumindest dann mit Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG vereinbar, eine sehbehinderte Partei für den Zugang zu den Prozessunterlagen auf eine Vermittlung durch ihren
Bei übersichtlichem Streitstoff kann Prozessgegenstand auch ohne Informationsverlust und ohne Beschränkung der Teilhabemöglichkeit vom Rechtsanwalt vermittelt werden
Der rechtliche Ausgangspunkt des Bundesgerichtshofs, wonach bei einer anwaltlichen Vertretung der berechtigten Person ein Anspruch auf Zugänglichmachung ausgeschlossen sein kann, ist mit Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG vereinbar. Eine gleichberechtigte Teilhabe am
Anspruch auf gleichberechtigte Teilhabemöglichkeit einer Person mit Behinderung endet nicht mit bloßer Vertretung durch einen Rechtsanwalt
Die aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG folgende Verantwortung der Gerichte für die gleichberechtigte Teilhabemöglichkeit einer Person mit Behinderung endet - über die Entscheidung des Bundesgerichtshofs hinaus - aber nicht damit, dass sie durch einen
Anhaltspunkte für unzureichende Kenntnisvermittlung durch den Prozessbevollmächtigten im vorliegenden Fall nicht ersichtlich
Die Entscheidung, ob von einer unmittelbaren Zugänglichmachung der Prozessunterlagen abgesehen werden kann, obliegt grundsätzlich den Fachgerichten und ist einer nur eingeschränkten Kontrolle durch das Verfassungsgericht zugänglich. Im Streitfall begegnet sie keinen Bedenken. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Streitstoff so übersichtlich, dass er dem Beschwerdeführer durch seinen
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 03.11.2014
Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online
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Dokument-Nr. 19094
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