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Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.10.1993
IV ZR 231/92 -

BGH: Behinderten­testament nicht wegen Sittenwidrigkeit unwirksam

Fehlender Zugriff des Sozialhilfeträgers auf Nachlass begründet keine Sittenwidrigkeit

Der durch ein Behinderten­testament bedingte fehlende Zugriff des Sozialhilfeträgers auf die Erbschaft des behinderten Kindes begründet nicht die Sittenwidrigkeit der letztwilligen Verfügung. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs hervor.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Durch einen Erbvertrag setzte im Februar 1984 die Mutter ihren Sohn zu 72 % als Erben ein. Ihre Tochter wurde zu 28 % als Vorerbin eingesetzt. Nacherbe sollte nach dem Tod der Tochter der Sohn werden. Die Tochter war unheilbar psychisch erkrankt und war deswegen in einem Pflegeheim untergebracht. Sie erhielt Sozialhilfe. Für die Verwaltung des Erbteils der Tochter wurde ein Testamentsvollstrecker bestellt. Dieser sollte der Tochter ein monatliches Taschengeld gewähren sowie für weitere Aufwendungen aufkommen. Die Zahlungen sollten jedoch nie so hoch sein, dass darauf die Sozialhilfe angerechnet werden konnte (sogenanntes Behindertentestament). Nachdem die Erblasserin im Februar 1987 verstarb, klagte der Sozialhilfeträger auf Feststellung der Unwirksamkeit des Erbvertrags. Er hielt die letztwillige Verfügung für sittenwidrig, da ihm der Zugriff auf die Erbschaft der Tochter verwehrt war. Nachdem der Sozialhilfeträger vor dem Landgericht teilweise Recht bekam, wies das Oberlandesgericht die Klage insgesamt ab. Daraufhin legte der Sozialhilfeträger Revision ein.

Bundesgerichtshof hielt Behindertentestament für nicht sittenwidrig und somit für wirksam

Der Bundesgerichtshof bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und wies daher die Revision des Sozialhilfeträgers zurück. Der Erbvertrag sei nicht sittenwidrig im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB und somit wirksam gewesen. Es sei zu beachten gewesen, dass die Regelungen in der letztwilligen Verfügung vom Grundsatz der Testierfreiheit gedeckt waren. Es sei nicht als sittenwidrig zu werten gewesen, dass die Erblasserin durch den Erbvertrag ihrer Tochter auf Dauer sowohl den Genuss von Sozialhilfe als auch zusätzlicher Annehmlichkeiten und Vorteile durch die Erbschaft erhalten wollte. Ziel der Regelung sei die Verbesserung der Lebensbedingungen der behinderten Tochter gewesen. Dies sei nicht zu beanstanden gewesen.

Fehlender Zugriff des Sozialhilfeträgers auf Erbschaft unerheblich

Die Sittenwidrigkeit habe sich nach Ansicht des Bundesgerichtshofs auch nicht daraus ergeben, dass dem Sozialhilfeträger der Zugriff auf die Erbschaft entzogen wurde. Durch den Erbvertrag sei die Erblasserin ihrer zuvörderst zukommenden sittlichen Verantwortung für das Wohl ihres Kindes nachgekommen. Sie sei nicht verpflichtet gewesen, diese Verantwortung im Interesse der öffentlichen Hand zurückzustellen. Das Sozialhilferecht verbiete weder die getroffenen Regelungen im Erbvertrag noch lasse sich daraus entnehmen, dass dem Sozialhilfeträger der Zugriff auf die Erbschaft ermöglicht werden muss.

Verstoß gegen Subsidiaritätsgrundsatz begründete ebenfalls keine Sittenwidrigkeit

Ferner habe sich nach Auffassung des Bundesgerichtshofs nicht aus dem Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe bzw. dem Subsidiaritätsgrundsatz die Sittenwidrigkeit des Erbvertrags ergeben. Denn zum einen werde dieser Grundsatz selbst im Sozialhilfegesetz in erheblichem Maße durchbrochen. Zum anderen müsse ein Erblasser nicht aus Rücksicht der Allgemeinheit dem Sozialhilfeträger den Zugriff auf die Erbschaft eines behinderten Kindes ermöglichen.

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 10.02.2015
Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)

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Kommentare (1)

 
 
Christiane Bahlcke schrieb am 11.02.2015

Ein Urteil aus dem Jahr 1993 ist für mich kein aktuelles Urteil mehr. Es gibt jüngere Urteile, wenn auch ebenfalls schon aus 2006.

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