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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 19.03.2009
2 S 2650/08 -

VGH Baden-Württemberg zur Zahlung von Abwassergebühren bei Gartenbewässerung

Grundstückseigentümer muss für das für die Gartenbewässerung verwendete Wasser keine Abwassergebühren zahlen

Kann ein Grundstückseigentümer mithilfe eines Wasserzählers nachweisen, dass ein Teil des bezogenen Wassers für die Gartenbewässerung verwendet wurde und nicht in die Kanalisation gelangt ist, darf die Gemeinde ihn - wenn sie die Abwassergebühren aufgrund ihrer Satzung nach dem Frischwassermaßstab bemisst - für diese Wassermenge nicht zu Abwassergebühren heranziehen. Eine Abwassersatzung, die solche Wassermengen erst ab einem Umfang von 20 m³ gebührenfrei stellt, verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz. Das hat der Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH) entschieden und damit - wie schon das Verwaltungsgericht Karlsruhe - der Klage eines Grundstückseigentümers gegen die Stadt Neckargemünd stattgegeben.

Die beklagte Stadt hat in ihrer Satzung geregelt, dass sich die Abwassergebühr grundsätzlich nach dem Frischwassermaßstab bemisst, d.h. als gebührenpflichtige Abwassermenge gilt regelmäßig die Wassermenge, die aus der öffentlichen Wasserversorgung zugeführt wird. Wassermengen, die nachweislich nicht in die Kanalisation gelangen, bleiben auf Antrag gebührenfrei. Das gilt jedoch erst ab einer Wassermenge von 20 m³ (sog. Bagatellgrenze). Der Nachweis ist durch einen geeichten Nebenzähler zu führen, den der Gebührenpflichtige auf eigene Kosten zu beschaffen und zu unterhalten hat. Der Kläger, Eigentümer eines im Stadtgebiet gelegenen Grundstücks, hat von dem zwischen Dezember 2005 bis Dezember 2006 bezogenen Frischwasser 63 m³ zur Bewässerung seines großen Gartens verwendet, die er über zwei gesonderte und mit geeichten Nebenzählern ausgerüstete Wasserleitungen entnommen hat. Aufgrund der in der Satzung vorgesehenen Bagatellgrenze setzte die Stadt lediglich 43 m³ Frischwasser ab und zog ihn für den Rest im Januar 2007 zu Abwassergebühren heran. Der Kläger, der sich gegen den Gebührenbescheid wehrte, hatte sowohl vor dem Verwaltungsgericht als auch vor dem Verwaltungsgerichtshof Erfolg.

Der 2. Senat hat entschieden, dass die Stadt die zur Bewässerung des Gartens verwendete Frischwassermenge in voller Höhe, d.h. im Umfang von 63 m³ abzusetzen und den Gebührenbescheid entsprechend zu reduzieren habe. Die in der Satzung enthaltene Bagatellgrenze von 20 m³ verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und sei deshalb nichtig.

Bagatellgrenze führt zu Ungleichbehandlung

Der Grenzwert von 20 m³ führe dazu, dass diejenigen, die bis zu 20 m³ des bezogenen Frischwassers zur Gartenbewässerung, zum Befüllen von Teichen oder ähnlichem verwendeten und nicht in den Abwasserkanal einleiteten, schlechter gestellt würden als solche Personen, bei denen fast das gesamte Frischwasser als Abwasser in den Kanal gelange. So habe ein Grundstückseigentümer, der 60 m³ Frischwasser beziehe, davon aber nur 40 m³ dem Kanal zuführe und die restlichen 20 m³ zur Gartenbewässerung verwende, ebensoviel zu zahlen wie ein Grundstückseigentümer, der die 60 m³ komplett als Abwasser in den Kanal einleite. Diese Ungleichbehandlung sei nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Größerer Verwaltungsaufwand sei auch ohne Bagatellgrenze nicht zu befürchten. Denn die Kosten für die Beschaffung und Unterhaltung der Zähler habe nach der Satzung der Grundstückseigentümer zu tragen. Der Nebenzähler könne gemeinsam mit dem Hauptzähler abgelesen und die abzugsfähige Wassermenge gleich bei der Gebührenfestsetzung berücksichtigt werden. Noch einfacher sei dies bei der von der Stadt praktizierten elektronischen Erfassung der Zählerstände. Wegen der Kosten für die Installation und die Nacheichung eines Nebenzählers sei es nicht zu erwarten, dass kleinere Absetzungsmengen geltend gemacht würden. Auch mit Missbrauch sei aufgrund der Regelungen über die Zähler und deren Anforderungen nicht in größerem Umfang zu rechnen.

Der Frischwassermaßstab sei zwar ein Wahrscheinlichkeitsmaßstab, der Ungenauigkeiten mit sich bringe. Diese Ungenauigkeiten seien hinzunehmen, soweit es um die Wassermenge gehe, die im Haushalt zum Kochen, Trinken oder ähnlichem benutzt und nicht in die Kanalisation eingeleitet werde. Denn dieser - nur geringe - „Verlust“ sei nicht messbar. Bei den für die Gartenbewässerung verwendeten Wassermengen, für die ein Nebenzähler installiert sei, gelte dies aber gerade nicht.

Gleichheitswidrig sei es überdies, dass die Bagatellgrenze auf landwirtschaftliche Betriebe keine Anwendung finde. Dass landwirtschaftliche Betriebe einen Beitrag zur Bewirtschaftung des Naturraums leisteten, rechtfertige die Ungleichbehandlung nicht, da die Bagatellgrenze erkennbar nicht im Zusammenhang mit Belangen des Natur- und Landschaftsschutzes stehe.

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 12.05.2009
Quelle: ra-online, Pressemitteilung des VGH Baden-Württemberg vom 11.05.2009

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