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Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.04.2017
IV AR (VZ) 2/16 -

BGH: Am Verfahren nicht beteiligte Dritte haben Anspruch auf anonymisierte Abschrift von Gerichts­ent­scheidungen

Voraussetzungen für Akteneinsicht müssen nicht vorliegen

An einem Gerichtsverfahren nicht beteiligte Dritte haben einen Anspruch auf eine anonymisierte Abschrift von Urteilen und Beschlüssen. Die Voraussetzungen für eine Akteneinsicht nach § 299 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) müssen nicht vorliegen. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Januar 2013 erging im Rahmen eines Berufungsverfahrens vor dem Oberlandesgericht Frankfurt a.M. gegen eine Bank ein Hinweisbeschluss, wonach das Gericht auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung hingewiesen hatte. In dem Verfahren ging es um einen Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter Anlageberatung. Mehrere an dem Verfahren nicht beteiligte Rechtsanwälte beantragten die Herausgabe einer anonymisierten Abschrift des Beschlusses. Die Rechtsanwälte führten mehrere Rechtstreitigkeiten mit jeweils vergleichbarer Fallgestaltung. Das Gericht gab dem Antrag der Rechtsanwälte statt. Dagegen wendete sich jedoch die Bank. Sie führte überwiegende Geheimhaltungsinteressen an. Nachdem das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. in der Übersendung einer anonymisierten Abschrift des Beschlusses keine Probleme sah, musste sich der Bundesgerichtshof mit dem Fall beschäftigen.

Am Verfahren nicht beteiligte Dritte haben Anspruch auf anonymisierte Abschrift von Gerichtsentscheidungen

Der Bundesgerichthof entschied, dass in Zivilsachen der Gerichtsvorstand am Verfahren nicht beteiligten Dritten regelmäßig anonymisierte Abschriften von Urteilen und Beschlüssen erteilen könne. Dabei müssen die Anforderungen an die Gewährung von Akteneinsicht gemäß § 299 Abs. 2 ZPO nicht beachtet werden. Denn zwischen der Akteneinsicht und der Übermittlung anonymisierter Entscheidungskopien bestehe ein sachlicher Unterschied. Die Gewährung von Akteneinsicht stelle einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung derjenigen dar, deren personenbezogene Daten auf diese Weise zugänglich gemacht werden. Dagegen sei eine anonymisierte Entscheidungsabschrift nur ein Auszug aus der Akte, bei dem essentielle Teile der Entscheidung, wie etwa Namen der Beteiligten und gegebenenfalls weitere individuelle Merkmale, fehlen. Dritte erhalten dadurch keinen umfassenden Einblick in geschützte private oder geschäftliche Unterlagen der Parteien. Der Bundesgerichtshof verwies darauf, dass Gerichtsentscheidungen öffentlich seien und nicht der Geheimhaltung unterliegen. Die Weitergabe anonymisierter Entscheidungskopien sei Teil der öffentlichen Aufgabe der Gerichte, Entscheidungen zu veröffentlichen.

Schwärzung einzelner Urteilspassagen und Verweigerung der Weitergabe anonymisierter Abschriften nur in Ausnahmefällen

Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs können im Einzelfall Urteilspassagen geschwärzt werden oder im äußersten Fall die Weitergabe der anonymisierten Entscheidungsabschriften verweigert werden, wenn ausnahmsweise überwiegende Rechte der Parteien durch die Weitergabe verletzt sein können. Soweit trotz Schwärzung von Namen und Bezeichnungen der mit dem Fall Vertraute feststellen könne, um welche Parteien und welchen Sachverhalt es gehe, sei dies hinzunehmen. Dies lasse sich wegen der grundsätzlichen Öffentlichkeit des Gerichtsverfahrens nicht ausschließen.

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 26.06.2017
Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)

Vorinstanz:
  • Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 11.02.2016
    [Aktenzeichen: 20 VA 14/15]
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