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Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.09.2015
XII ZB 1/15 -

BGH: Unwirksamer Verzicht auf Trennungsunterhalt bei Abweichung des rechnerisch zustehenden Unterhalts vom vereinbarten Unterhalt um ein Drittel

Frage der Sozialhilfe­bedürftigkeit oder anderweitigen Vorteile für unterhalts­berechtigten Ehegatten für Wirksamkeit des Unterhaltsverzichts unerheblich

Wird durch einen Ehevertrag die Höhe des Trennungsunterhalts vereinbart, so ist dies jedenfalls dann als unwirksamer Unterhaltsverzicht anzusehen, wenn der rechnerisch zustehende Unterhalt um ein Drittel vom vereinbarten Unterhalt abweicht. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob der unterhalts­berechtigte Ehegatte durch den vereinbarten Unterhalt sozialhilfe­bedürftig wird oder ob durch den Ehevertrag andere Vorteile hinsichtlich des Unterhalts gewährt werden. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden.

In dem zugrunde liegenden Fall trennte sich ein Ehepaar im Dezember 2011. Im Mai 2013 wurde die Ehe schließlich geschieden. Die Ehefrau verlangte nachfolgend für den Zeitraum Januar 2012 bis Mai 2013 Trennungsunterhalt. Nach einem Ehevertrag war der Trennungsunterhalt auf einen bestimmten Höchstbetrag begrenzt. Darauf verwies der Ehemann. Die Ehefrau sah in der Vereinbarung einen unwirksamen Unterhaltsverzicht und begehrte daher einen höheren Unterhalt als im Ehevertrag vereinbart. Der Fall kam schließlich vor Gericht.

Amtsgericht bejahte Anspruch auf höheren Trennungsunterhalt, Oberlandesgericht verneinte ihn

Während das Amtsgericht Wuppertal die ehevertragliche Vereinbarung für unwirksam hielt und der Ehefrau somit einen höheren Trennungsunterhalt zuerkannte, verneinte dies das Oberlandesgericht Düsseldorf. Seiner Auffassung nach sei die Vereinbarung zur Begrenzung des Trennungsunterhalts wirksam gewesen. Es sei zu beachten, dass die Vereinbarung, abgesehen von der Höhe, von Vorteil für die Ehefrau gewesen sei. Ihr habe nämlich auch dann ein Trennungsunterhalt zugestanden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht gegeben seien. Der Ehefrau habe ein garantiertes Mindestunterhalt zugestanden. Aufgrund dieser Vorteile sei die Vereinbarung insgesamt als wirksam anzusehen gewesen. Gegen diese Entscheidung erhob die Ehefrau Rechtsbeschwerde.

Bundesgerichtshof hält Verzicht auf Trennungsunterhalt für unwirksam

Der Bundesgerichtshof entschied zu Gunsten der Ehefrau und hob daher die Entscheidung des Oberlandesgerichts auf. Es sei zunächst zu beachten, dass ein Verzicht auf künftigen Trennungsunterhalt unwirksam sei (vgl. §§ 1361 Abs. 4 Satz 4, 1360a Abs. 3 in Verbindung mit § 1614 BGB). Dabei spiele es keine Rolle, ob die Beteiligten einen Verzicht gewollt haben. Es komme allein darauf an, ob der dem Unterhaltsberechtigten von Gesetzes wegen zustehende Unterhalt verkürzt worden sei. Eventuell aufgrund des Verzichts gewährte gleichwertige Gegenleistungen seien unerheblich.

Unwirksamer Unterhaltsverzicht bei Abweichung des rechnerisch zustehenden Unterhalts vom vereinbarten Unterhalt um ein Drittel

Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs stelle jedoch nicht jeder Unterhaltsverzicht eine unzulässige Unterschreitung des angemessenen Unterhalts dar. Dies sei vielmehr erst dann anzunehmen, wenn der vereinbarte Unterhalt unter Berücksichtigung aller Umstände so erheblich vom rechnerisch zustehenden Unterhalt abweicht, dass er nicht mehr als angemessen angesehen werden könne. Zur groben Einschätzung sei eine Unterschreitung von 20 % grundsätzlich als noch angemessen und damit zulässig anzusehen, eine solche von einem Drittel in der Regel jedoch nicht mehr. Um die Zulässigkeit der Unterschreitung überprüfen zu können, müsse die Höhe des angemessenen Unterhalts festgestellt werden. Dem sei das Oberlandesgericht nicht nachgekommen.

Vorteilhafte Regelungen im Ehevertrag unbeachtlich

Ob sich ein Ehevertrag durch anderweitige Regelungen als vorteilhaft für den Unterhaltsberechtigten erweist, sei nach Ansicht des Bundesgerichtshofs unbeachtlich. Denn die Wirksamkeit der Regelung des Trennungsunterhalts sei isoliert zu betrachten und werde nicht durch Vereinbarungen zu anderen Punkten beeinflusst.

Kein wirksamer Unterhaltsverzicht bei fehlender Sozialhilfebedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten

Soweit die Meinung vertreten werde, dass ein Unterhaltsverzicht bis zu der Grenze zulässig sei, von der an die Hilfsbedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten zu einem Anspruch auf Sozialhilfe führe, folgte dem der Bundesgerichtshof nicht. Zwar habe § 1614 BGB auch öffentliche Interessen im Blick, er diene aber gleichermaßen den Interessen des Unterhaltsberechtigten.

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 02.06.2016
Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)

Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Wuppertal, Beschluss vom 10.04.2014
    [Aktenzeichen: 67 F 120/12]
  • Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 05.12.2014
    [Aktenzeichen: II-3 UF 141/14]
Aktuelle Urteile aus dem Unterhaltsrecht
Fundstellen in der Fachliteratur: Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR)
Jahrgang: 2015, Seite: 1366
MDR 2015, 1366
 | Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW)
Jahrgang: 2015, Seite: 3715
NJW 2015, 3715
 | Zeitschrift: NJW-Spezial
Jahrgang: 2016, Seite: 5
NJW-Spezial 2016, 5

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Dokument-Nr.: 22693 Dokument-Nr. 22693

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