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Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 08.12.2010
- 1 BvR 1106/08 -
BVerfG: Allgemeines Publikationsverbot für „Verbreitung rechtsextremistischen oder nationalsozialistischen Gedankenguts“ verfassungswidrig
Auch Verbreitung rechtsextremistischer Meinungen ist durch Grundrecht auf freie Meinungsäußerung geschützt
Ein im Rahmen der Führungsaufsicht für die Dauer von fünf Jahren erteiltes allgemeines Publikationsverbot für die „Verbreitung rechtsextremistischen oder nationalsozialistischen Gedankenguts“ ist verfassungswidrig. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht.
Der in der Vergangenheit wegen Volksverhetzung gemäß § 130 StGB und unerlaubten Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gemäß § 86 a StGB vorbestrafte Beschwerdeführer wurde 2005 wegen Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung „Schutzgruppe“ des rechtsextremistischen „Aktionsbüros Süd“ in Tateinheit mit unerlaubtem Umgang mit Sprengstoffen und unerlaubtem Führen einer Schusswaffe zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Mit Beschluss vom 8. Januar 2008 erteilte das Oberlandesgericht dem Beschwerdeführer im Wege der Weisung im Rahmen der Führungsaufsicht - unter anderem - das nach § 145 a StGB strafbewehrte Verbot, für die Dauer von fünf Jahren „rechtsextremistisches oder nationalsozialistisches Gedankengut publizistisch zu verbreiten“. Angesichts der früheren Verurteilungen, der Anlasstaten und des Umstandes, dass er während des Strafvollzugs Beiträge für
Verfassungsbeschwerde zulässig
Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner
Beschwerdeführer wird in Meinungsfreiheit unverhältnismäßig eingeschränkt
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde: Die
Verbot der Verbreitung „rechtsextremistischen Gedankenguts“ fehlt es an bestimmbaren Konturen
Das Publikationsverbot ist unbestimmt. Mit dem Verbot der Verbreitung „rechtsextremistischen oder nationalsozialistischen Gedankenguts“ - auch unterhalb der Schwelle der §§ 130, 86a StGB - ist das künftig verbotene von dem weiterhin erlaubten Verhalten nicht sicher abgrenzbar. Der angegriffenen Entscheidung ist nicht zu entnehmen, ob von dem Verbot der Verbreitung „nationalsozialistischen Gedankenguts“ jedes Gedankengut, das unter dem nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürregime propagiert wurde, erfasst sein soll oder nur bestimmte Ausschnitte der nationalsozialistischen Ideologie, und, falls letzteres der Fall sein sollte, nach welchen Kriterien diese Inhalte bestimmt werden können. Erst Recht fehlt es dem Verbot der Verbreitung „rechtsextremistischen Gedankenguts“ an bestimmbaren Konturen. Denn die Einstufung einer Position als „rechtsextremistisch“ ist eine Frage des politischen Meinungskampfes und der gesellschaftswissenschaftlichen Auseinandersetzung. Sie steht in unausweichlicher Wechselwirkung mit sich wandelnden politischen und gesellschaftlichen Kontexten und subjektiven Einschätzungen, die Abgrenzungen mit strafrechtlicher Bedeutung (vgl. § 145 a StGB) nicht hinreichend erlauben.
Inhaltliche Reichweite, zeitliche Dauer, Spektrum der verbotenen Medien und strafrechtliche Bewehrung sind bei präventivem Verbot mit einzubeziehen
Zudem fehlt es der angegriffenen Entscheidung an der verfassungsrechtlich gebotenen Abwägung. Das Publikationsverbot ist aber auch mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht vereinbar. Bei staatlichen Eingriffen zur Gefahrenabwehr, die an den Inhalt einer Äußerung anknüpfen, bedarf es einer sorgfältigen Abwägung. Geht es um ein präventives Publikationsverbot, sind die inhaltliche Reichweite und die zeitliche Dauer des Verbots, das Spektrum der verbotenen Medien sowie die strafrechtliche Bewehrung gemäß § 145 a StGB mit einzubeziehen. Dabei ist ein solcher Eingriff von dem Betroffenen umso eher hinzunehmen, als er sich etwa durch eine Begrenzung auf bestimmte Situationen, auf die Form und die äußeren Umstände der Meinungsäußerung beschränkt. Je mehr er hingegen im Ergebnis eine inhaltliche Unterdrückung bestimmter Meinungen selbst zur Folge hat, desto höher sind die Anforderungen an den Grad der drohenden Rechtsgutgefährdung
Verbot kommt gänzlicher Aberkennung der Meinungsfreiheit gleich
Indem dem Beschwerdeführer für fünf Jahre uneingeschränkt jede publizistische Verbreitung „rechtsextremistischen oder nationalsozialistischen Gedankenguts“ verboten wird, wird ihm abhängig von seinen Ansichten in weitem Umfang unmöglich gemacht, mit seinen politischen Überzeugungen am öffentlichen Willensbildungsprozess teilzunehmen. Dies kommt jedoch einer Aberkennung der
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 04.01.2011
Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online
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Dokument-Nr. 10819
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