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Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 28.07.2014
- 1 BvR 482/13 -
Auch überspitzte Äußerungen fallen in der Regel in Schutzbereich der Meinungsfreiheit
Mögliche Ausnahmen bestehen nur bei Äußerungen mit gezielter Herabsetzung einer Person
Auch überspitzte Kritik fällt grundsätzlich in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht und bekräftigte die verfassungsrechtlichen Maßstäbe zur sogenannten Schmähkritik. Selbst eine überzogene oder ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Vielmehr muss hinzutreten, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Herabsetzung einer Person im Vordergrund steht. Nur dann kann ausnahmsweise auf eine Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls verzichtet werden.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Das Amtsgericht wies eine Schadensersatzklage des Beschwerdeführers ab; die Berufung gegen dieses Urteil blieb ohne Erfolg. Der Beschwerdeführer erhob eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die zuständige Richterin des Amtsgerichts, in der er unter anderem ausführte, er protestiere "gegen das schäbige, rechtswidrige und eines Richters unwürdige Verhalten der Richterin" und meinte, "sie müsse effizient bestraft werden um zu verhindern, dass diese Richterin nicht auf eine schiefe Bahn gerät".
Verfahrensgang
Das Amtsgericht verurteilte den Beschwerdeführer aufgrund dieser
Entscheidungen der Vorinstanzen verletzten Beschwerdeführer in Grundrecht auf Meinungsfreiheit
Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass die angegriffenen Entscheidungen des Landgerichts und des Oberlandesgerichts den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf
LG verkennt verfassungsrechtliche Maßstäbe zur Einordnung einer Äußerung als Schmähkritik
Das Urteil des Landgerichts, dem sich das Oberlandesgericht anschließt, nimmt in verfassungsrechtlich nicht mehr tragbarer Art und Weise an, dass es sich bei den für strafbar erachteten
Überzogene oder ausfällige Kritik macht Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähkritik
Das Bundesverfassungsgericht hat diesen in der Fachgerichtsbarkeit entwickelten Begriff wegen seines die
Polemische und überspitzte Kritik des Beschwerdeführers hatte sachliche Auseinandersetzung zur Grundlage
Dem genügt die Entscheidung des Landgerichts nicht. Auch in der Äußerung, es müsse verhindert werden, dass die Richterin auf eine schiefe Bahn gerate, geht es nicht allein um eine Verunglimpfung der Betroffenen, sondern auch um eine Auseinandersetzung, die einen sachlichen Hintergrund hat. Der Beschwerdeführer bezieht sich auf das von ihm in der Dienstaufsichtsbeschwerde kritisierte Verhalten und bezweckt eine Überprüfung dieses Verhaltens durch eine übergeordnete Stelle. Es handelt sich zwar um polemische und überspitzte Kritik; diese hat aber eine sachliche Auseinandersetzung zur Grundlage. Bezüglich der weiteren
Landgericht lässt andere mögliche Deutungen der Äußerungen des Beschwerdeführers außer Acht
Soweit das Landgericht hilfsweise dennoch eine Abwägung vornimmt, verstößt es hierbei zunächst insofern gegen die
Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers nicht ausreichend berücksichtigt
Auch im Übrigen genügt die Abwägung nicht den verfassungsrechtlichen Maßstäben. Das Landgericht stellt einseitig auf den Ehrschutz ab, ohne die
Die Entscheidungen des Landgerichts und des Oberlandesgerichts werden daher aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 02.10.2014
Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online
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[Aktenzeichen: 15 U 174/08])
Fundierte Fachartikel zum diesem Thema beim Deutschen Anwaltsregister:
Jahrgang: 2014, Seite: 3357 NJW 2014, 3357
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Dokument-Nr. 18933
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