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Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 13.09.2018
- C-54/17 -
Vermarktung von SIM-Karten mit vorinstallierten kostenpflichtigen Diensten ohne Information der Verbraucher stellt aggressive unlautere Geschäftspraxis dar
EuGH zur "Lieferung unbestellter Waren oder Dienstleistungen"
Die Vermarktung von SIM-Karten, die kostenpflichtige vorinstallierte und -aktivierte Dienste enthalten, stellt eine aggressive unlautere Geschäftspraxis dar, wenn der Verbraucher zuvor nicht entsprechend aufgeklärt wurde. Solch ein Verhalten stellt insbesondere eine "Lieferung unbestellter Waren oder Dienstleistungen" dar, das von einer anderen nationalen Behörde sanktioniert werden kann als der, die im Unionsrecht auf dem Gebiet der elektronischen Kommunikation vorgesehen ist. Dies geht aus einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union hervor.
Im Jahr 2012 verhängte die Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato (Italienische Wettbewerbs- und Marktaufsichtsbehörde, im Folgenden: AGCM) Geldbußen gegen Wind Telecomunicazioni (jetzt Wind Tre) und Vodafone Omnitel (jetzt Vodafone Italia), da diese Unternehmen SIM-Karten (Subscriber Identity Module) vermarktet hatten, auf denen Internetzugangs-und Mailbox-Dienste vorinstalliert und -aktiviert waren, deren Kosten dem Benutzer in Rechnung gestellt wurden, wenn er nicht ausdrücklich ihre Abschaltung verlangt hatte. Die AGCM warf den beiden Unternehmen vor, die
Nationales Verwaltungsgericht erklärt Entscheidung der Wettbewerbsbehörde mangels Zuständigkeit für nichtig
Das von Wind Tre und Vodafone Italia angerufene Tribunale amministrativo regionale per il Lazio (Verwaltungsgericht für die Region Lazio, Italien) erklärte die Entscheidungen der AGCM für nichtig und stellte fest, für die Sanktionen sei eine andere Behörde, die Autorità per le Garanzie nelle Comunicazioni (Kommunikationsregulierungsbehörde, im Folgenden: AGCom), zuständig.
Der mit diesen Rechtssachen im Rechtsmittelverfahren befasste Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien) legte seinem Plenarsenat Fragen zur Vorabentscheidung vor. Mit Urteilen aus dem Jahr 2016 entschied dieser zunächst, nach italienischem Recht liege die Zuständigkeit für die Sanktionierung einer einfachen Verletzung der Informationspflicht auf dem Sektor der elektronischen Kommunikation bei der AGCom, wohingegen für die Sanktionierung einer "unter allen Umständen aggressiven Geschäftspraktik" (wie insbesondere die "Lieferung einer unbestellten Ware oder Dienstleistung") - einschließlich auf dem Sektor der elektronischen Kommunikation - die AGCM zuständig sei*.
Nationales Gericht erbittet Vorabentscheidung zur Vereinbarkeit der nationales Auslegung mit dem Unionsrecht
Der Consiglio di Stato stellt allerdings in Frage, ob die vom Plenarsenat vorgenommene Auslegung mit Unionsrecht vereinbar ist. Deshalb hat er entschieden, Vorabentscheidungsfragen zu stellen, und zwar zur Auslegung zum einen der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken** (deren Ziel die Gewährleistung eines hohen Schutzes aller
Inanspruchnahme eines Dienstes muss freie Entscheidung des Verbrauchers darstellen
Mit seinem Urteil stellt der Gerichtshof fest, dass die Inanspruchnahme eines Dienstes eine freie Entscheidung des Verbrauchers darstellen muss. Wurde der
Nationales Gericht muss Verhalten eines Durchschnittsverbrauchers beim Kauf von SIM-Karten ermitteln
Der Gerichtshof stellt fest, dass es, auch wenn es Sache des nationalen Gerichts ist, die typische Reaktion des Durchschnittsverbrauchers zu ermitteln, nicht offensichtlich ist, dass der durchschnittliche Käufer einer SIM-Karte sich dessen bewusst wäre, dass sie vorinstallierte und -aktivierte Dienste enthält, die zusätzliche Kosten verursachen können, oder dessen, dass Anwendungen oder das Gerät selbst sich von ihm unbemerkt mit dem Internet verbinden können, noch, dass er über ausreichendes technisches Können verfügen würde, um diese Dienste oder automatische Verbindungen auf seinem Gerät abzuschalten.
EuGH bejaht unlautere Geschäftspraktik
Der Gerichtshof kommt deshalb zum Ergebnis, dass vorbehaltlich der Prüfung durch das nationale Gericht ein Verhalten wie das den betreffenden Telefonanbietern vorgeworfene die "Lieferung einer unbestellten Ware oder Dienstleistung" und somit nach der Richtlinie über
Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken kollidiert nicht mit Universaldienstrichtlinie
Außerdem stellt der Gerichtshof fest, dass im Hinblick auf die Rechte der Endnutzer die Richtlinie über
Erläuterungen
* - Der Plenarsenat des Consiglio di Stato berücksichtigte das Vertragsverletzungsverfahren, das die Europäische Kommission wegen der auf dem Sektor der elektronischen Kommunikation fehlenden Umsetzung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken gegen die Italienische Republik eingeleitet hatte.
** - Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) (ABl. 2005, L 149, S. 22, Berichtigung ABl. 2009, L 253, S. 18).
*** - Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste (Rahmenrichtlinie) (ABl. 2002, L 108, S. 33) in der durch die Richtlinie 2009/140/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 (ABl. 2009, L 337, S. 37, Berichtigung ABl. 2013, L 241, S. 8) geänderten Fassung.
**** - Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten (Universaldienstrichtlinie) (ABl. 2002, L 108, S. 51) in der durch die Richtlinie 2009/136/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 (ABl. 2009, L 337, S. 11)geänderten Fassung.
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 17.09.2018
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online
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