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Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Urteil vom 22.09.2011
- 319/08, 2455/08, 7908/10, 8152/10 und 8155/10 -
EGMR: Beschwerden über teilnahmepflichtigen Sexualkundeunterricht an Schulen unzulässig
Erziehungsrecht der Eltern nicht durch Teilnahme der Kinder am Sexualkundeunterricht und anderen schulischen Veranstaltungen eingeschränkt
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Beschwerden mehrerer Eltern für unzulässig erklärt, mit denen diese sich gegen die Weigerung der deutschen Behörden, ihre Kinder vom teilnahmepflichtigen Sexualkundeunterricht und anderen schulischen Pflichtveranstaltungen zu befreien, wandten. Der Gerichtshof verneint die Auffassung der Eltern, dass die Entscheidungen der deutschen Gerichte ihr Recht, die Erziehung ihrer Kinder entsprechend ihren eigenen religiösen Überzeugungen sicherzustellen, unverhältnismäßig eingeschränkt hätten.
Die Beschwerdeführer des zugrunde liegenden Verfahrens, fünf deutsche Ehepaare, gehören einer baptistischen Glaubensgemeinschaft an. Sie haben jeweils mehrere
Ehepaare beantragt Befreiung der Kinder vom vorgesehenen Sexualkundeunterricht
Im Juni 2005 beantragten zwei der Ehepaare, Willi und Anna Dojan sowie Theodor und Lydia Fröhlich, die Befreiung ihrer
Schule verhängt Bußgelder wegen Verstoßes gegen die Schulpflicht
Die beiden betroffenen
Eltern werden wegen des Fernhaltens ihrer Kinder von Teilnahme an Theaterprojekten und Schulkarneval erneut mit Bußgeldern belegt
Im Januar und Februar 2007 schickten Herr und Frau Dojan ihre Tochter nicht zur
AG bestätigt Zulässigkeit der verhängten Bußgelder
Das Amtsgericht Paderborn bestätigte die verhängten Bußgelder und befand insbesondere, dass das Erziehungsrecht der Eltern und ihre
Beschwerden der Eltern vor dem Bundesverfassungsgericht erfolglos
Das Oberlandesgericht Hamm bestätigte die Entscheidungen des Amtsgerichts. Das Bundesverfassungsgericht nahm die Verfassungsbeschwerden der Ehepaare Dojan und Fröhlich im Juni und Oktober 2007 und im November 2008 ohne Angabe von Gründen nicht zur Entscheidung an. In einer begründeten Entscheidung vom 21. Juli 2009 nahm das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde von Eduard und Rita Wiens nicht zur Entscheidung an. Das Gericht unterstrich, dass der Staat zwar eigene Erziehungsziele verfolgen dürfe, dabei aber Neutralität und Toleranz gegenüber den erzieherischen Vorstellungen der Eltern aufbringen müsse. Die Entscheidungen der Vorinstanzen hätten diese Grundsätze befolgt. Mit Entscheidung vom selben Tag nahm das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde von Artur und Anna Wiens nicht zur Entscheidung an.
Eltern werden wegen Verweigerung der Bußgeldzahlungen zu Gefängnisstrafen von bis zu 43 Tagen verurteilt
In der Folgezeit hielten die drei Ehepaare Wiens weiter mehrere ihrer
Eltern sehen sich in ihrem Recht, ihrer Kinder entsprechend ihren eigenen religiösen Überzeugungen zu erziehen, unverhältnismäßig eingeschränkt
Unter Berufung insbesondere auf Artikel 2 Protokoll Nr. 1 (Recht auf Bildung) zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) sowie auf Artikel 9 (Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit) und Artikel 8 (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) EMRK rügten die Beschwerdeführer, dass die Weigerung der deutschen Behörden, ihre
Eltern legen Beschwerden beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ein
Dem Verfahren lagen fünf Beschwerden zugrunde, die am 19. Dezember 2007 (Dojan gegen Deutschland), am 10. Januar 2008 (Fröhlich gegen Deutschland) und am 5. Februar 2010 (Wiens gegen Deutschland) beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingelegt wurden.
Der Gerichtshof hatte bereits in einer früheren Entscheidung festgestellt, dass das deutsche Schulsystem, das eine
Sexualkundeunterricht für Kinder zum kritischen Umgang mit gesellschaftlichen Einflüssen notwendig
Ziel des Sexualkundeunterrichts, von dem die Beschwerdeführer ihre
Kinder hatten Möglichkeit, statt an Karnevalsveranstaltung an alternativ angebotenen Aktivitäten teilzunehmen
Die beanstandete Karnevalsveranstaltung war nicht mit religiösen Handlungen verbunden gewesen. Wie die deutschen Gerichte festgestellt hatten, hatte sich die
Beanstandete Unterrichtseinheiten haben Sexualerziehung entsprechend der religiösen Überzeugungen der Eltern nicht in Frage gestellt
Es gab keine Anhaltspunkte dafür, dass die beanstandeten Unterrichtseinheiten und schulischen Aktivitäten die Sexualerziehung durch die Eltern entsprechend ihren religiösen Überzeugungen in Frage gestellt hätten. Auch hatte die
Bußgelder nicht unverhältnismäßig
Die Weigerung der deutschen Behörden, die
Angesichts dieser Schlussfolgerungen war der Gerichtshof der Auffassung, dass sich keine separaten Fragen unter Artikel 8 oder 9 stellten.
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 23.09.2011
Quelle: Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte/ra-online
- Kein Anspruch auf Befreiung vom Sexualkundeunterricht
(Verwaltungsgericht Münster, Urteil vom 16.06.2006
[Aktenzeichen: 1 K 411/06]) - Religionsfreiheit schützt nicht vor Schulpflicht
(Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 23.05.2006
[Aktenzeichen: 2 BvR 1693/04]) - Schulpflicht hat Vorrang vor Glaubens- und Gewissenskonflikt der Eltern
(Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 15.07.2004
[Aktenzeichen: 2 Ss 139/04])
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Dokument-Nr. 12322
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