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Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 08.04.2011
12 U 24/11 -

OLG Karlsruhe: Verkehrsbetriebe sind nicht zu Sicherungsmaßnahmen gegen Steinewerfer verpflichtet

Zusätzliche Sicherungsmaßnahmen, die jeden Unfall ausschließen, nicht zumut- und erreichbar

Verkehrsbetriebe sind nicht dazu verpflichtet, Maßnahmen gegen unbekannte Steinewerfer zu ergreifen, die sich aus dem Schotterbett der Straßenbahn bedienen. Auch wenn die Verkehrsbetriebe für unbekannte Dritte die Möglichkeit geschaffen haben, auf die von ihr verlegten Schottersteine zuzugreifen und diese zu Straftaten zu verwenden, können das Unternehmen weder als Handlungs- noch als Zustandsstörer angesehen werden. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe hervor.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Falls ist Mieterin eines Grundstücks in Karlsruhe, über das sich eine Brücke spannt, auf der Straßenbahngleise in Schotter verlegt sind. Sie verlangt von der beklagten Straßenbahnunternehmerin, den Verkehrsbetrieben, Sicherungsmaßnahmen gegen Steinewerfer. Die Klägerin hat behauptet, es komme seit Anfang 2009 verstärkt zu Beschädigungen an den Gebäuden und den abgestellten Kraftfahrzeugen auf dem von ihr gemieteten Grundstück. Diese Schäden stammten von Würfen von der Brücke mit Schottersteinen, die aus der Gleisanlage der Straßenbahn stammten. Die Gleise sind von dem daneben liegenden, ebenfalls über die Brücke führenden Rad- und Gehweg durch ein Geländer mit zwei Querstreben abgetrennt. Die Beklagte ist Trägerin der Straßenbaulast hinsichtlich der Gleisanlage auf der Brücke. Die Beklagte hat die Steinwürfe und die Beschädigungen bestritten.

Das Landgericht Karlsruhe hat die Klage, mit der die Beklagte verurteilt werden sollte, das Gleisbett durch geeignete Maßnahmen in den Zustand zu versetzen, der verhindert, dass von der Brücke Schottersteine aus dem Gleisbett auf das darunterliegende Grundstück geworfen werden können, abgewiesen.

Verletzung der Verkehrssicherungspflichten seitens der Verkehrsbetriebe nicht ersichtlich

Die dagegen erhobene Berufung der Klägerin zum Oberlandesgericht Karlsruhe blieb ohne Erfolg. Das Gericht führte aus, dass die Klägerin Schutzmaßnahmen nicht verlangen könne, weil die Verkehrsbetriebe weder als Handlungs- noch als Zustandsstörer angesehen werden könnten. Die Klägerin behaupte nicht, dass die Steinwürfe von den Organen der Straßenbahnunternehmerin oder ihren Gehilfen ausgingen. Die Beklagte sei auch nicht mittelbare Handlungsstörerin. Zwar habe sie für unbekannte Dritte die Möglichkeit geschaffen, auf die von ihr verlegten Schottersteine zuzugreifen und diese zu Straftaten zu verwenden. Das genüge für die Inanspruchnahme als Handlungsstörer jedoch nicht. Die setze voraus, dass die Verkehrsbetriebe über die Rechtsmacht verfügten, durch Einwirkung auf den Störer, den Steinewerfer, weitere Beeinträchtigungen zu verhindern. Eine solche Rechtsmacht hätten die Verkehrsbetriebe jedoch nicht. Auch als so genannte Zustandsstörer könnten sie nicht in Anspruch genommen werden. Der Umstand allein, dass von einem Grundstück oder Bauwerk eine Beeinträchtigung für das Nachbargrundstück ausgeht, mache den Eigentümer des beeinträchtigenden Anwesens noch nicht zum Störer. Die Beeinträchtigung müsse vielmehr wenigstens mittelbar auf seinen Willen zurückzuführen sein. Diese Voraussetzung sei nur erfüllt, wenn der Schuldner das Grundstück wissentlich unter Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht in einem gefährdenden Zustand belasse. Dass die Verkehrsbetriebe Verkehrssicherungspflichten verletzt hätten, sei nicht ersichtlich.

Verlegung sämtlicher Gleise in festem Belag würde Überforderung unterhaltenden Unternehmer darstellen

Nicht jeder abstrakten Gefahr müsse durch vorbeugende Maßnahmen begegnet werden, da eine Verkehrssicherung, die jeden Unfall ausschließe, nicht erreichbar sei. Es bedürfe auch nur solcher Sicherungsmaßnahmen, die ein verständiger und umsichtiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für ausreichend halten dürfe, um andere Personen vor Schäden zu bewahren und die ihm den Umständen nach zumutbar seien. Danach können von den Verkehrsbetrieben zusätzliche Sicherungsmaßnahmen nicht verlangt werden. Es entspreche allgemeinem Standard, dass Eisenbahn- und teilweise auch Straßenbahngleise in einem Schotterbett verlegt würden, das seitlich nicht durch Zäune oder andere Schutzeinrichtungen abgegrenzt sei. Es würde eine Überforderung der ein Eisenbahn- oder Straßenbahnnetz unterhaltenden Unternehmer darstellen, würde man von ihnen verlangen, sämtliche Gleise in einem festen Belag auszuführen oder nach außen durch Zaunanlagen zu sichern. Eine Sicherung könne auch dann nicht verlangt werden, wenn wie hier die Gleise über eine Brücke geführt würden, die auch für den Fußgängerverkehr geöffnet sei. Aufwändige Sicherungsmaßnahmen auf der Brücke blieben auch nur von eingeschränkter Wirksamkeit, da auch danach nicht ausgeschlossen werden könne, dass Fußgänger vor den Brückenauffahrten Steine aufnehmen und sodann von der Brücke herabwerfen würden.

Über Maßnahmen zum Schutz der unter der Brücke verlaufenden öffentlichen Straße musste Gericht nicht entscheiden

Ob die Beklagte wegen ihrer Verkehrssicherungspflicht gehalten ist, Maßnahmen zum Schutz der ebenfalls unter der Brücke verlaufenden öffentlichen Straße (Abschnitt der Bundesstraße 10) zu ergreifen, um zu verhindern, dass Leib und Leben von Verkehrsteilnehmern gefährdet werden, die sich als gelegentliche Nutzer des Straßenabschnitts den Gefahren unterhalb der Brücke weniger bewusst sind, musste das Gericht aus Anlass des zur Entscheidung stehenden Rechtsstreits nicht entscheiden.

§ 1004 Abs. 1 BGB lautet:

Abs. 1: Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 28.04.2011
Quelle: Oberlandesgericht Karlsruhe/ra-online

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