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Sozialgericht Gießen, Urteil vom 25.09.2013
S 4 R 651/11 -

Rentenversicherung muss Kosten für höherwertiges Hörgerät eines Küchenchefs tragen

Küchenchef ist in seinem Beruf auf besonders gute Hörfähigkeit angewiesen

Ist ein Versicherter in seinem Beruf auf eine besonders gute Hörfähigkeit angewiesen, die nicht mit einem so genannten Festbetragsgerät ausgeglichen werden kann, hat er gegen die Rentenversicherung Anspruch auf eine Versorgung mit einem höherwertigen Hörgerät. Dies entschied das Sozialgericht Gießen.

Dem Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der 52jährige Koches aus dem Lahn-Dill-Kreis ist als Schwerbehinderter anerkannt und seit Juni 2011 als Küchenleiter in einer Kantine beschäftigt. Er leidet an einer rechtsseitigen Taubheit und linksseitigen 30 prozentigen Schwerhörigkeit. Seine Krankenkasse hatte sich im Rahmen der Grundversorgung bereit erklärt, ihm Kosten für ein Hörgerät in Höhe von 553,50 Euro zu erstatten. Dieser Betrag entsprach dem zwischen der Krankenkasse und der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker geschlossenen Vertrag für ein einfaches Hörgerät, mit dem in der Regel im Alltag ein ausreichendes Hören ermöglicht wird.

Verminderte Hörfähigkeit hat gravierende Nachteile im Tagesgeschäft und bei der Gästebetreuung zufolge

Damit gab der Kläger sich nicht zufrieden. Gegenüber der Deutschen Rentenversicherung argumentierte er, seine Erwerbsfähigkeit sei gefährdet. Er habe bei einer Hörgerätefirma verschiedene Hörgeräte ausprobiert, u.a. auch ein Festbetragsgerät. Bei diesem Gerät sei es so gewesen, dass die Geräusche nicht gefiltert und z.B. das Klappern von Geschirr und Nebengeräusche für ihn unerträglich gewesen wären. Den besten Hörerfolg habe er mit einem digitalen Hörgerät erzielt, das aber 2.990 € koste. In einer Großküche in Leitungsfunktion sei es eine Grundvoraussetzung, dass man sein Umfeld wahrnehmen und z.B. die Signale von Geräten hören könne, die sich permanent durch Klingeltöne oder ähnliches meldeten, wenn die Garzeiten beendet seien. Außerdem bezog er sich auf eine Bescheinigung seines Arbeitgebers, aus der hervorgeht, dass aufgrund der verminderten Hörfähigkeit gravierende Nachteile im Tagesgeschäft und bei der Gästebetreuung bestünden.

Rentenversicherung hält Festbetragsgerät für ausreichend

Die Rentenversicherung lehnte seinen Antrag, die Mehrkosten für das teurere Hörgerät zu übernehmen, ab. Sie begründete dies damit, dass ein spezieller berufsbedingter Mehrbedarf nicht bestehe und der Kläger auch mit einem Festbetragsgerät in der Lage sei, an seinem Arbeitsplatz zu kommunizieren und die angegebenen zahlreichen Töne der Geräte zu hören.

Kläger ist im besonderen Maße auf ein gutes Hörvermögen mit Richtungshören und Hören im Störfeld angewiesen

Dies sah das Sozialgericht Gießen nach Einholung eines Gutachtens bei einem HNO-Arzt anders und gab dem Kläger recht. Der Sachverständige hatte in diesem Gutachten festgestellt, dass das Festbetragsgerät keinen ausreichenden Behinderungsausgleich erbringe. Der Kläger sei in seinem beruflichen Umfeld im besonderen Maße auf ein gutes Hörvermögen mit Richtungshören und Hören im Störfeld angewiesen, dies könne nur das teurere Hörgerät leisten.

Kläger ist Tätigkeit als Küchenleiter ohne Verwendung von adäquaten Hörhilfen nicht mehr gewachsen

Nach Auffassung des Gerichts kommt es alleine darauf an, dass der Kläger in seiner beruflichen Tätigkeit als Küchenleiter Situationen ausgesetzt ist, denen er ohne Verwendung von adäquaten Hörhilfen nicht mehr gewachsen ist. Ein höherwertiges Hörgerät sei immer dann notwendig, wenn - wie hier - ein Versicherter in seinem Beruf auf eine besonders gute Hörfähigkeit angewiesen sei. Dass das Gerät gleichzeitig auch verbessertes Hören im privaten Bereich ermögliche, sei daneben nicht von Bedeutung.

Hinweise zur Rechtslage

§ 16 SGB VI

Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben

Die Träger der Rentenversicherung erbringen die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach den §§ 33 bis 38 des Neunten Buches sowie im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich der Werkstätten für behinderte Menschen nach § 40 des Neunten Buches.

§ 33 Abs.3 Nr.6 SGB IX

Die Leistungen umfassen insbesondere sonstige Hilfen zur Förderung am Arbeitsleben, um behinderten Menschen eine angemessene und geeignete Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit zu ermöglichen und zu erhalten.

§ 33 Abs. 8 Nr.4 SGB IX

Leistungen nach Absatz 3 Nr. 1 und 6 umfassen auch Kosten für Hilfsmittel, die wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Berufsausübung, zur Teilnahme an einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben oder zu Erhöhung der Sicherheit auf dem Weg vom und zum Arbeitsplatz und am Arbeitsplatz erforderlich sind, es sei denn, dass eine Verpflichtung des Arbeitgebers besteht oder solche Leistungen als medizinische Leistung erbracht werden können.

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 23.10.2013
Quelle: Sozialgericht Gießen/ra-online

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