alle Urteile, veröffentlicht am 25.06.2024
Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 18.06.2024
- C-352/22 -
In Italien anerkannter Flüchtling darf nicht an Herkunftsland ausgeliefert werden
Flüchtlingsstatus ist zunächst bindend und die Mitgliedstaaten müssen miteinander kooperieren
Der EuGH stellt klar, dass ein Drittstaatsangehöriger nicht an sein Herkunftsland ausgeliefert werden darf, wenn ihm von einem Mitgliedstaat die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde. Die mit dem Auslieferungsersuchen befasste Behörde muss mit der Behörde, die die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat, Kontakt aufnehmen. Solange diese Behörde die Flüchtlingseigenschaft nicht aberkannt hat, darf der Betroffene nicht ausgeliefert werden.
Die Türkei hat Deutschland um die Auslieferung eines türkischen Staatsangehörigen kurdischer Herkunft ersucht, der des Totschlags verdächtig ist. Dem deutschen Gericht, das über dieses Ersuchen zu entscheiden hat, stellt sich die Frage, ob der Auslieferung die Tatsache entgegensteht, dass der Betroffene im Jahr 2010 in Italien als Flüchtling anerkannt wurde, weil ihm wegen seiner Unterstützung der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) politische Verfolgung durch die türkischen Behörden drohte. Da diese Frage das Gemeinsame Europäische Asylsystem sowie die Charta der Grundrechte der Europäischen Union betrifft, hat das deutsche Gericht hierzu den Gerichtshof befragt.... Lesen Sie mehr
Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.03.2024
- IX R 35/21 -
BFH klärt Voraussetzungen und Reichweite des datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs
Auch Finanzämter müssen Auskunft über verarbeitete Daten geben
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat erstmals zu den Voraussetzungen und der Reichweite des datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs entschieden. Die Datenschutz-Grundverordnung gewährt in Art. 15 Abs. 1 einen Anspruch auf Auskunft, welche personenbezogenen Daten über einen Steuerpflichtigen verarbeitet werden.
Im vom BFH entschiedenen Verfahren verlangte ein Steuerpflichtiger zunächst gegenüber dem Finanzamt (FA) die Zurverfügungstellung (elektronischer) Kopien von Verwaltungsakten mit den ihn betreffenden personenbezogenen Daten. Das FA kam diesem Begehren nicht nach. Auch das Finanzgericht (FG) sah keine rechtliche Grundlage für einen entsprechenden Anspruch.Der BFH... Lesen Sie mehr
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 14.06.2024
- 29 U 197/20 -
Nutzungsentgelt für Überlassung eines Hengstes nicht wegen „Hengstigkeit“ reduziert
Für eine Überzahlung wegen behaupteter „Hengstigkeit“ muss konkret bezifferbar vorgetragen werden
Wird ein Hengst vertraglich für den Turniereinsatz zur Verkaufsförderung der eigenen Zuchtpferde überlassen und das Risiko krankheitsbedingten Ausfalls dem Nutzer übertragen, kann das Nutzungsentgelt grundsätzlich nicht wegen Krankheit gemindert werden. Eine Überzahlung wegen behaupteter „Hengstigkeit“ muss konkret bezifferbar vorgetragen werden. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat die Berufung der Nutzerin des Hengstes gegen die landgerichtlich ausgeurteilte Zahlungsverpflichtung zurückgewiesen.
Die Klägerin schloss mit der beklagten GmbH einen Vertrag über die einjährige Nutzungsüberlassung eines Hengstes zu netto 225.000,00 € bzw. brutto 267.750,00 €. Unternehmensgegenstand der Beklagte ist das Züchten von Trüffeln und das Züchten und der Verkauf von Pferden. Der Hengst war u.a. Teil des Bundeskaders Dressur und wurde der Beklagten laut Vertrag für den Turniereinsatz... Lesen Sie mehr
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Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.01.2024
- VIII ZB 43/23 -
Mieter muss behaupteten unrenovierten oder renovierungsbedürftigen Zustand der Wohnung zum Mietbeginn nachweisen
Unwirksamkeit einer Schönheitsreparaturklausel bei Überlassung einer unrenovierten bzw. renovierungsbedürftigen Wohnung
Eine Schönheitsreparaturklausel ist unwirksam, wenn eine unrenovierte oder renovierungsbedürftige Wohnung überlassen wurde. Jedoch muss der Mieter im Streitfall nachweisen, dass ihm zu Mietbeginn eine unrenovierte oder renovierungsbedürftige Wohnung übergeben wurde. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Nachdem Ende eines Mietverhältnisses über eine Wohnung in Ostwestfalen-Lippe stritten sich die Mietvertragsparteien über die Pflicht zur Vornahme der Schönheitsreparaturen. Die Mieterin hielt die Schönheitsreparaturklausel für unwirksam, da ihr zu Mietbeginn die Wohnung unrenoviert übergegen worden sei. Dies bestritt die Vermieterin. Der... Lesen Sie mehr
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.05.2022
- 6 StR 169/22 -
Auf bloße Vermutungen zu Tatfolgen kann keine Strafverschärfung gestützt werden
Schutzzweck des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern ist abstrakte Gefährdung des Kindeswohls
Auf bloße Vermutungen zu Tatfolgen kann eine Strafverschärfung nicht gestützt werden. Der Straftatbestand des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern soll vor der abstrakten Gefährdung des Kindeswohls schützen. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Januar 2022 wurde ein Angeklagter vom Landgericht Frankfurt (Oder) wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in mehreren Fällen zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dabei berücksichtigte das Gericht strafverschärfend, dass die Taten des Angeklagten zu späteren psychischen Beeinträchtigungen und... Lesen Sie mehr