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Verwaltungsgericht Gießen, Urteil vom 08.05.2008
6 E 1240/07, 6 K 30/08 -

Streit um Erteilung von Linienverkehrsgenehmigungen

Stadtwerken Gießen erteilte Genehmigung für den Betrieb der Stadtbuslinen aufgehoben - Weitergehende Klage des Konkurrenten abgewiesen

Gegenstand des ersten Verfahrens ist die Erteilung von Linienverkehrsgenehmigungen für Buslinien im Stadtbereich Gießen bis Ende 2014 durch das Regierungspräsidium Gießen an die Stadtwerke Gießen AG und der gegen die Stadt Gießen gerichtete Antrag auf Unterlassung der Quersubventionierung im Bereich der Stadtwerke. Gegenstand des zweiten Verfahrens ist die der Stadtwerke Gießen AG erteilte, auf 6 Monate (bis zum 08.06.2008) begrenzte einstweilige Erlaubnis zum Betrieb der genannten Buslinien.

Die beigeladene Stadtwerke Gießen AG, deren Alleingesellschafterin die Stadt Gießen ist und die seit Jahrzehnten in Gießen den ÖPNV-Bereich bedient, beantragte am 08.11.2006 die Erteilung einer Genehmigung eines eigenwirtschaftlichen Linienverkehrs sowie die Erteilung einer einstweiligen Erlaubnis betreffend die oben genannten Linien. Die Klägerin, die Verkehrsgesellschaft Mittelhessen GmbH, die Tochtergesellschaft eines bundesweit im ÖPNV tätigen Unternehmens ist, beantragte am 05.04.2007 ebenfalls die Genehmigung eines eigenwirtschaftlichen Linienverkehrs auf den besagten Linien. Mit Bescheid vom 07.05.2007 erteilte das Regierungspräsidium der Stadtwerke Gießen AG die Genehmigung und lehnte den Antrag der Klägerin ab.

Die Beteiligten streiten darum, ob der Stadtwerke Gießen AG überhaupt ein sog. eigenwirtschaftlicher Betrieb genehmigt werden durfte, bei dem eine europaweite Ausschreibung vorher nicht erforderlich ist. Die Klägerin ist der Ansicht, dies sei nur bei Unternehmen möglich, die allein im ÖPNV tätig sind, nicht auch in anderen Sparten, wie hier die Stadtwerke Gießen AG, die auch im Bereich Gas, Wasser und Strom tätig ist. Zudem stelle der bei der Stadtwerke Gießen AG vorgenommene Verlustausgleich im defizitären Bereich des ÖPNV durch Gewinne aus den anderen Bereichen eine europarechtswidrige Beihilfe dar und sei zudem steuerrechtlich unzulässig. Diese rechtswidrige Quersubventionierung dürfe bei der Genehmigung nicht berücksichtigt werden, was dazu führe, dass die Stadtwerke Gießen AG wirtschaftlich nicht leistungsfähig und deren Betrieb damit nicht genehmigungsfähig sei.

Mit ihrer Klage 6 E 1240/07 verfolgt die Klägerin auch das Ziel, die ebenfalls beklagte Stadt Gießen zu verurteilen, als Alleingesellschafterin der Stadtwerke Gießen AG keine weiteren Quersubventionen zu leisten oder zu dulden.

Die Klägerin hat daneben auch ein (noch nicht entschiedenes) Verfahren bei der EUKommission angestrengt, mit dem Ziel der Feststellung der Quersubventionierung durch die Stadtwerke Gießen AG als europarechtswidrige und unzulässige Beihilfe. Soweit sich die Klage gegen die den Stadtwerken Gießen AG erteilte, auf 6 Monate (bis zum 08.06.2008) begrenzte einstweilige Erlaubnis zum Betrieb der genannten Buslinien richtete (6 K 30/08) hat die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Gießen die Klage abgewiesen. Nach Auffassung der Kammer konnte die Klägerin kein schutzwürdiges Interesses an der beantragten Entscheidung dartun. Die Klägerin hatte selbst keinen Antrag auf eine einstweilige Erlaubnis gestellt, so dass es insoweit an einem individualisierten Konkurrentenverhältnis fehle, das Voraussetzung für die erforderliche Klagebefugnis sei.

Im ersten Klageverfahren hat die Kammer die den Stadtwerken Gießen erteilte Genehmigung aufgehoben, den Verpflichtungsantrag der Klägerin, ihr die Genehmigung zu erteilen, jedoch abgewiesen. Den Stadtwerken ist nach Meinung der Kammer zu Unrecht eine sogenannte eigenwirtschaftliche Genehmigung erteilt worden. Dabei bedeutet eigenwirtschaftlich nach der gesetzlichen Definition, dass der Aufwand in diesem traditionsgemäß stark defizitären Bereich des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) durch die Unternehmenserträge einschließlich gesetzlicher Ausgleichs- und Erststattungszahlungen gedeckt sein muss. Die Vergabe der Buslinien in einem derartigen Genehmigungsverfahren, wie dies im Personenbeförderungsgesetz vorgesehen ist, ist nur zulässig, wenn und soweit dies vorrangige europäische Vorschriften zulassen. Die Kammer ist der Auffassung, dass die hier einschlägige EU-Verordnung 1191/69 eine Ausnahme von der Vergabe nach europaweiter Ausschreibung nur zulässt, wenn die eigenwirtschaftlichen Anträge von Unternehmen gestellt werden, die ausschließlich im Stadt-, Vorort- und Regionalverkehr tätig sind. Dabei schade sowohl eine Tätigkeit im Fernreiseverkehr als auch die Betätigung in anderen, verkehrsfremden Bereichen, wie hier Strom, Wasser und Gas.

Es sei kein sachlicher Grund erkennbar, Unternehmen, die neben dem ÖPNV auch auf anderen Gebieten tätig sind anders zu behandeln als Unternehmen, die nur im Verkehrsbereich (Nah- und Fernverkehr) tätig seien. Der Erteilung der eigenwirtschaftlichen Genehmigung an die Klägerin steht nach Auffassung der Kammer entgegen, dass diese genaugenommen einen solchen Antrag nicht gestellt habe, weil sie ihr bisher nicht zugesagte Subventionen der Stadt Gießen in ihre Berechnung eingestellt habe und daher gerade nicht aus eigenen Mitteln den Verkehr zu bestreiten im Stande sei.

Auch die Klage auf Unterlassung weiterer Quersubventionen gegen die Stadt Gießen blieb erfolglos. Es fehle wiederum an der Klagebefugnis, d.h. der Möglichkeit der Verletzung in eigenen Rechten, da eine besondere Rechtsbetroffenheit als Konkurrentin hier zu verneinen sei. Zum einen habe die Klägerin nicht auch selbst einen Antrag auf einstweilige Erlaubnis gestellt und zum anderen sei durch die Aufhebung der endgültigen Genehmigung ebenfalls keine Konkurrentensituation mehr gegeben, da nun ein neues Vergabeverfahren einzuleiten sei.

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 16.05.2008
Quelle: ra-online, Pressemitteilung des VG Gießen vom 08.05.2008

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