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Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.12.1988
VI ZR 182/88 -

BGH: Verbot des Einwurfs von Werbung bei aufgebrachtem "Keine Werbung"-Aufkleber auf dem Briefkasten

Verstoß begründet Unterlassungs­anspruch gegen Werbenden

Ein auf dem Briefkasten aufgebrachter "Keine Werbung"-Aufkleber bringt zum Ausdruck, dass der Inhaber den Einwurf von Werbung nicht erwünscht. Verstößt der Werbende gegen das ausgesprochene Verbot, liegt eine Verletzung des Eigentums bzw. Besitzes sowie des Persönlichkeits­rechts vor. Dem Umworbenen steht daher ein Unterlassungs­anspruch zu. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Eine Supermarktkette beauftragte ein Werbeunternehmen mit dem Einwurf von Wurfsendungen in den Briefkästen im Umfeld ihrer Supermärkte. Es wurden wöchentlich etwa 1.1 Millionen Handzettel in Briefkästen geworfen. Ein Mann fühlte sich durch die Wurfsendungen belästigt und verlangte von der Supermarktkette die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. Da sich diese weigerte eine solche abzugeben, erhob der Mann Klage auf Unterlassung. Er gab an, auf seinem Briefkasten einen Aufkleber angebracht zu haben, der den Einwurf von Werbung und Ähnlichem untersagt habe.

Landgericht wies Klage ab, Oberlandesgericht gab ihr statt

Das Landgericht wies die Klage ab. Auf Berufung des Klägers gab das Oberlandesgericht der Klage statt. Denn der Einwurf von Werbesendungen in den Briefkasten des Klägers habe aus Sicht des Oberlandesgerichts eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts sowie eine Eigentums- bzw. Besitzstörung dargestellt. Gegen das Berufungsurteil legte die Supermarktkette Revision ein.

Einwurf von Wurfsendungen grundsätzlich zulässig

Der Bundesgerichtshof bestätigte das Urteil des Oberlandesgerichts. Zwar sei die Werbung durch Einwurf von Handzetteln in die Briefkästen potentieller Kunden zulässig. Denn sie diene dem Interesse der Verbraucher, über das Leistungsangebot des werbenden Unternehmens einen Überblick zu verschaffen. Die Belästigung nicht interessierter Empfänger bewege sich dabei noch im zumutbaren Rahmen, da die Zettel schnell als Werbung zu erkennen seien und daher ohne weiteres ausgesondert werden können.

Verbot von Werbung bei ausdrücklich erklärten Willen

Gibt der Empfänger aber ausdrücklich zu erkennen, dass er Werbewurfsendungen nicht zu erhalten wünscht, müsse sich der Werbende nach Auffassung des Gerichtshofs daran halten. Dies folge aus dem Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen. Denn der Wille des Bürgers, in seinem Lebensreich von jedem Zwang zur Auseinandersetzung mit der Suggestivwirkung der Werbung nach Möglichkeit freizuhalten, sei als Ausmaß seines personalen Selbstbestimmungsrechts schutzwürdig.

Verbot selbst von vereinzelt unerwünschter Werbung

Nicht erforderlich sei es gewesen, so der Gerichtshof weiter, dass Werbematerial in solchen Mengen eingeworfen wird, dass die eigentliche Funktion des Briefkastens in Frage gestellt ist. Vielmehr könne sich der Betroffene auch gegen den vereinzelt unerwünschten Einwurf von Werbung zur Wehr setzen. Dabei sei zu beachten gewesen, dass es sich um keine sozialadäquate Belästigung handelte.

Supermarktkette musste für Werbeunternehmen eintreten

Zwar sei die Supermarktkette nach Ansicht der Bundesrichter nur Auftraggeberin der Werbeverteilung und daher nur mittelbare Störerin gewesen. Sie habe aber die Störung veranlasst. Denn sie habe das Werbeunternehmen mit der Durchführung der Werbeaktion beauftragt. Zudem habe sie aus ihrer vertraglichen Beziehung zu diesem Unternehmen über die Mittel verfügt, gegen weitere Störungen des Selbstbestimmungsrechts des Klägers einzuschreiten. Sie habe alle ihr zu Gebote stehenden rechtlichen und wirtschaftlichen Möglichkeiten ausschöpfen müssen. Sie hätte eindringlich das Werbeunternehmen auf die Notwendigkeit einer entsprechenden Organisation und Kontrolle der Werbeaktion hinweisen, sich über den Einsatz geeigneter Schutzvorkehrungen vergewissern, Beanstandungen nachgehen und gegebenenfalls dem Anliegen durch Androhung wirtschaftlicher und rechtlicher Sanktionen einen stärkeren Nachdruck verleihen müssen. Insofern wäre eine Vertragsstrafenvereinbarung denkbar gewesen.

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 14.06.2013
Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)

Fundierte Fachartikel zum diesem Thema beim Deutschen Anwaltsregister:

Fundstellen in der Fachliteratur: Zeitschrift: Betriebs-Berater (BB)
Jahrgang: 1989, Seite: 447
BB 1989, 447
 | Sammlung: Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (BGHZ), Band: 106, Seite: 229 BGHZ 106, 229 | Zeitschrift: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (GRUR)
Jahrgang: 1989, Seite: 225
GRUR 1989, 225
 | Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR)
Jahrgang: 1989, Seite: 439
MDR 1989, 439
 | Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW)
Jahrgang: 1989, Seite: 902
NJW 1989, 902
 | Zeitschrift: NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (NJW-RR)
Jahrgang: 1989, Seite: 397
NJW-RR 1989, 397
 | Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht (VersR)
Jahrgang: 1989, Seite: 373
VersR 1989, 373
 | Wertpapier-Mitteilungen Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht (WM)
Jahrgang: 1989, Seite: 236
WM 1989, 236
 | Zeitschrift: Wettbewerb in Recht und Praxis (WRP)
Jahrgang: 1989, Seite: 308
WRP 1989, 308

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