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Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 18.07.2018
- 1 BvR 1675/16, 1 BvR 745/17, 1 BvR 836/17, 1 BvR 981/17 -
BVerfG: Rundfunkbeitrag für Erstwohnung und im nicht privaten Bereich verfassungsgemäß
Antrag auf Beitragspflichtbefreiung für Zweitwohnung möglich
Die Rundfunkbeitragspflicht ist im privaten und im nicht privaten Bereich im Wesentlichen mit der Verfassung vereinbar. Mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht vereinbar ist allerdings, dass auch für Zweitwohnungen ein Rundfunkbeitrag zu leisten ist. Dies hat das Bundesverfassungsgericht entschieden und die gesetzlichen Bestimmungen zur Beitragspflicht für Zweitwohnungen für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt.
In den vorliegenden Verfahren wendeten sich drei der der Entscheidung zugrundeliegenden Verfassungsbeschwerden gegen die Erhebung des Rundfunkbeitrags im privaten Bereich, wobei einer der Beschwerdeführer insbesondere die
Rundfunkbeitragspflicht und deren Ausgestaltung verfassungsgemäß
Die Rundfunkbeitragspflicht für Erstwohnungsinhaber, Betriebsstätteninhaber und Inhaber nicht ausschließlich privat genutzter Kraftfahrzeuge steht mit der Verfassung im Einklang.
I. Die Ausgestaltung des Rundfunkbeitrags im privaten Bereich mit Ausnahme der
Rundfunkbeitrag keine Steuer
1. Für die Regelungen zur Erhebung des Rundfunkbeitrags haben die Länder die Gesetzgebungskompetenz, da es sich beim
Rundfunkbeitragspflicht materiell nicht zu beanstanden
2. Auch materiell ist die Rundfunkbeitragspflicht für Erstwohnungen mit der Verfassung vereinbar. Insbesondere werden die Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG eingehalten.
a) Der
Anknüpfen der Rundfunkbeitragspflicht an Innehaben von Wohnung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden
b) Mit der Anknüpfung an die Wohnungsinhaberschaft haben die Gesetzgeber den Kreis der Vorteilsempfänger in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise erfasst. Die Gesetzgeber halten sich damit innerhalb des ihnen zustehenden weiten Spielraums bei der Ausgestaltung der Beitragsverpflichtung. Zugrunde liegt die durch statistische Erhebungen gedeckte Erwägung, dass die Adressaten des Programmangebots den
Realistische Nutzungsmöglichkeit für Beitragserhebung maßgeblich
c) Demgegenüber kommt es nicht darauf an, ob in jeder beitragspflichtigen Wohnung tatsächlich Rundfunkempfangsgeräte bereitgehalten werden. Die Gesetzgeber dürfen die Erhebung des Beitrags auch unabhängig von dem Besitz eines Empfangsgeräts vorsehen. Maßgeblich ist, dass eine realistische Nutzungsmöglichkeit besteht. Sie ist stets gegeben, weil den Beitragsschuldnern durch das Beschaffen von entsprechenden Empfangsgeräten ein Empfang im gesamten Bundesgebiet möglich ist. Wo es Beitragsschuldnern objektiv unmöglich ist, zumindest über irgendeinen Übertragungsweg
Bewusster Empfangsverzicht unerheblich
d) Ebenfalls unerheblich ist, ob einzelne Beitragsschuldner bewusst auf den Rundfunkempfang verzichten, denn die Empfangsmöglichkeit besteht unabhängig vom Willen des Empfängers.
e) Die Bemessung des Rundfunkbeitrags im privaten Bereich ist im Wesentlichen belastungsgleich ausgestaltet.
Mehreinnahmen aus Beiträgen nicht wesentlich mehr als prognostiziert
aa) Die Gesetzgeber haben den bestehenden weiten Gestaltungsspielraum bei der Festsetzung des Rundfunkbeitrags zum 1. Januar 2013 nicht überschritten. Die Länder wollten sich bei der Festsetzung des Rundfunkbeitrags an den Berechnungen der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten orientieren. Die tatsächlichen Mehreinnahmen aus Rundfunkbeiträgen lagen auch nicht wesentlich über den von der Kommission prognostizierten Einnahmen. Im Übrigen werden Überschüsse am Ende der Beitragsperiode vom Finanzbedarf für die folgende Periode abgezogen. Letztlich ist verfassungsrechtlich entscheidend, dass die
Kein Verstoß gegen Grundsatz der Belastungsgleichheit bei einheitlicher Erhebung pro Wohnung
bb) Die einheitliche Erhebung des Rundfunkbeitrags pro Wohnung verstößt nicht gegen den Grundsatz der Belastungsgleichheit. Dem
Ungleichbehandlung zwischen Einzelpersonenhaushalten und Gemeinschaftshaushalten hinnehmbar
Darin, dass sich mehrere Wohnungsinhaber den
Beitragsbemessung bei Zweitwohnung aufgrund angeblicher Verwaltungsvereinfachung nicht gerechtfertigt
II. Hingegen verstößt die Bemessung des Beitrags bei Zweitwohnungen gegen den aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleiteten Grundsatz der Belastungsgleichheit.
Soweit Wohnungsinhaber nach der derzeitigen Regelung für eine Wohnung bereits zur Leistung eines Rundfunkbeitrags herangezogen worden sind, ist der Vorteil bereits abgegolten; Zweitwohnungsinhaber würden für den gleichen Vorteil mehrfach herangezogen. Gründe der Verwaltungsvereinfachung tragen die Regelung nicht, da den Rundfunkanstalten die relevanten Meldedaten übermittelt werden und die Anzeigepflicht auf die Angabe von Erst- und Mehrfachwohnung erstreckt werden kann. Auch ist die Regelung nicht aus Gründen einer Missbrauchs- und Umgehungsgefahr gerechtfertigt, da Beitragspflichtige, die eine Wohnung als Erstwohnung innehaben, unabhängig von der zusätzlichen Präsenz von Zweitwohnungsinhabern zur Zahlung verpflichtet sind. Durch einen Meldeverstoß können auch Inhaber von Erstwohnungen der Beitragszahlung rechtswidrig entgehen; in diesem Fall können jedoch bewusst falsche Angaben als Ordnungswidrigkeit oder gar als Straftat verfolgt werden.
Rundfunkbeitragsbefreiung für Zweitwohnung kann von bestimmten Voraussetzungen abhängig gemacht werden
Allerdings dürfen die Gesetzgeber bei einer Neuregelung Vorkehrungen treffen, um den Verwaltungsaufwand für die Erfassung von Zweitwohnungen im Rahmen zu halten. So können sie die Befreiung von dem
Rundfunkempfang stellt für Betriebsstätteninhaber Vorteil dar
III. Im nicht privaten Bereich verstoßen weder die
1. Die Möglichkeit des Rundfunkempfangs vermittelt den Betriebsstätteninhabern einen Vorteil. Sie können sich aus dem Rundfunkangebot Informationen für den Betrieb beschaffen sowie das Rundfunkangebot zur Information oder Unterhaltung ihrer Beschäftigten und ihrer Kundschaft nutzen.
Empfang in Kraftfahrzeugen zusätzlicher erwerbswirtschaftlicher Vorteil
2. Ein zusätzlicher erwerbswirtschaftlicher Vorteil erwächst den Betriebsstätteninhabern durch die Möglichkeit,
3. Die Gesamtheit dieser zusätzlichen Vorteile haben die Gesetzgeber in verfassungsgemäßer Weise erfasst. Der Vorteil ist den Inhabern von Betriebsstätten und betrieblich genutzten Kraftfahrzeugen zurechenbar. Die konkrete Ausgestaltung der
Kein Gleichheitsverstoß bei unterschiedlicher Belastung trotz gleicher Beschäftigtenzahl
a) Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag macht die Höhe des Beitrags von der Anzahl der in der jeweiligen Betriebsstätte neben dem Inhaber Beschäftigten abhängig, wobei mit zunehmender Belastung eine Degression eintritt. Diese Bemessung ist vorteilsgerecht. Dass es bei gleicher Beschäftigtenzahl zu unterschiedlichen Belastungen kommt, je nachdem auf wie viele Betriebsstätten sich die Beschäftigten verteilen, bewirkt keinen Gleichheitsverstoß. Die Landesgesetzgeber durften die
Beschäftigtenzahl der Betriebsstätte für Beitragsbemessung maßgeblich
Dabei kommt es nicht darauf an, dass es bezogen auf die Gesamtzahl der Beschäftigten mitunter zu unterschiedlich hohen Belastungen kommen kann, denn die Gesetzgeber haben nicht die Beschäftigtenzahl eines Unternehmens, sondern die der Betriebsstätte zur Bemessung des Rundfunkbeitrags herangezogen.
Aufteilung auf drei verschiedene Nutzungsarten im Betrieb angemessen
b) Für betrieblich genutzte Kraftfahrzeuge ist deren Inhaber für jedes zugelassene Fahrzeug zur Zahlung eines Drittels des Rundfunkbeitrags verpflichtet. Davon ist jeweils ein Kraftfahrzeug für jede beitragspflichtige Betriebsstätte des Inhabers ausgenommen. Diese zusätzliche
Profitmöglichkeiten für Vermieter von Kraftfahrzeugen
Die Beschwerdeführerin im Verfahren 1 BvR 836/17 profitiert jedenfalls als Vermieterin von Kraftfahrzeugen vom kommunikativen Nutzen ihrer Kundschaft dadurch, dass sie Kraftfahrzeuge mit Möglichkeit zur Rundfunknutzung teurer beziehungsweise überhaupt vermieten kann. Dieser Nutzen ist durch den
Kein strukturelles Erhebungsdefizit erkennbar
c) Schließlich ist das Erhebungsverfahren des Rundfunkbeitrags im nicht privaten Bereich belastungsgleich. Die Rundfunkanstalten verfügen über hinreichende Möglichkeiten, die beitragsrelevanten Tatbestände zu ermitteln, und machen davon auch Gebrauch. Ein strukturelles Erhebungsdefizit ist nicht erkennbar.
Rundfunkbeitragspflicht stellt keinen Zwang zur Nutzung da
IV. Auch im Übrigen ist die Rundfunkbeitragspflicht
1. Das aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 GG folgende Grundrecht der Informationsfreiheit schützt den Zugang zu allgemein zugänglichen Informationsquellen und zugleich die eigene Entscheidung darüber, sich aus solchen Quellen zu informieren. Der Aspekt des Auswählenkönnens ist der Grundtatbestand jeder Information. Ob das Grundrecht der Informationsfreiheit darüber hinaus auch gleichrangig im Sinne einer negativen Komponente davor schützt, sich gegen den eigenen Willen Informationen aufdrängen zu lassen, oder ob insoweit der Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG einschlägig ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn die Rundfunkbeitragspflicht begründet keinen Zwang zur Konfrontation mit den über den öffentlich-rechtlichen
Kein Verstoß gegen Bestimmtheitsgebot durch Beitragsregelung im Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag
2. Es liegt auch nicht deshalb ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot vor, weil die Höhe des Rundfunkbeitrags nicht im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag, sondern im Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag geregelt ist. Der Zweck eines Gesetzes kann aus dem Gesetzestext in Verbindung mit den Materialien deutlich werden und sich auch aus dem Zusammenhang ergeben, in dem die Regelung zu dem zu regelnden Lebensbereich steht. Die Höhe des Rundfunkbeitrags ist allgemein bekannt und ergibt sich zudem aus den frei verfügbaren Informationen des ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice. Auch weist die Gesetzesbegründung zum Rundfunkbeitragsstaatsvertrag ausdrücklich auf das nach dem Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag bestehende Festsetzungsverfahren hin.
Unterlassen eines Vorabentscheidungsverfahrens durch Bundesverwaltungsgericht kein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG
V. Im Übrigen begegnen auch die angegriffenen Entscheidungen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Sie entziehen den Beschwerdeführern nicht ihren gesetzlichen Richter. Insbesondere begründet es keinen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, dass das Bundesverwaltungsgericht die Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV über die Frage unterlassen hat, ob durch den Systemwechsel von der Rundfunkgebühr zum
Neuregelung über Beitragsbefreiung für Inhaber von Zweitwohnungen bis 30.06.2020
VI. Eine Neuregelung durch die Gesetzgeber hat spätestens bis zum 30. Juni 2020 zu erfolgen. Ab dem Tag der Verkündung dieses Urteils sind bis zu einer Neuregelung Personen, die Ihrer Rundfunkbeitragspflicht bezüglich der Erstwohnung nachkommen, auf Antrag von einer
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 18.07.2018
Quelle: Bundesverfassungsgericht/ ra-online
- Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 09.06.2016
[Aktenzeichen: BVerwG 6 C 37.16] - Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 18.03.2016
[Aktenzeichen: BVerwG 6 C 7.15] - Verwaltungsgericht Arnsberg, Urteil vom 20.10.2014
[Aktenzeichen: 8 K 3353/13] - Rundfunkbeitrag ist verfassungsgemäß
(Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12.03.2015
[Aktenzeichen: 2 A 2311/14, 2 A 2422/14 und 2 A 2423/14])
- Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25.01.2017
[Aktenzeichen: BVerwG 6 C 11.16] - Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 03.03.2016
[Aktenzeichen: 2 S 386/15] - Verwaltungsgericht Stuttgart, Urteil vom 27.01.2015
[Aktenzeichen: 3 K 1773/14]
- Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 21.03.2017
[Aktenzeichen: BVerwG 6 C 5.17] - Rundfunkbeitrag für Betriebsstätten und betrieblich genutzte Kraftfahrzeuge verfassungsgemäß
(Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 07.12.2016
[Aktenzeichen: BVerwG 6 C 12.15, BVerwG 6 C 13.15, BVerwG 6 C 14.15, BVerwG 6 C 49.15])
- Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25.01.2017
[Aktenzeichen: BVerwG 6 c 15.16] - Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 03.03.2016
[Aktenzeichen: 2 S 1629/15] - Verwaltungsgericht Stuttgart, Urteil vom 01.07.2015
[Aktenzeichen: 3 K 4017/14]
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Dokument-Nr. 26191
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