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Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 23.09.2024
- 1 BvL 9/21 -
BAföG-Grundpauschale im Zeitraum Oktober 2014 bis Februar 2015 mit dem Grundgesetz vereinbar
Kein verfassungsrechtlicher Anspruch auf mehr Bafög
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass § 13 Abs. 1 Nr. 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) in der von Oktober 2014 bis Februar 2015 geltenden Fassung (a.F.), soweit die Regelung Auszubildende in staatlichen Hochschulen betrifft, mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
Die Vorschrift legte den monatlichen Bedarf – die sogenannte
Anspruch auf individuelle Ausbildungsförderung
Nach dem
Studentin hatte gegen Bafög-Höhe geklagt
Die Klägerin des Ausgangsverfahrens nahm im Oktober 2014 ein Masterstudium an einer staatlichen Hochschule auf. Für das Studium wurden ihr unter Anrechnung von Einkommen ihrer Eltern für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2014 Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz in Höhe von monatlich 176 Euro und für den Zeitraum Januar bis Februar 2015 in Höhe von monatlich 249 Euro bewilligt. Im Ausgangsverfahren begehrt die Klägerin die Bewilligung einer höheren Ausbildungsförderung für die Monate Oktober 2014 bis Februar 2015, weil sie die Höhe der gesetzlichen
Kein Anspruch auf weitere staatliche Förderung des Lebensunterhalts - auch nicht aus dem Sozialstaatsprinzip
Die
Das Recht Hochschulzugangsberechtigter auf gleiche Teilhabe am staatlichen Studienangebot aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG umfasst ebenfalls keinen Anspruch auf Gewährleistung der dafür notwendigen materiellen Voraussetzungen. Dieses Recht ist derivativer Natur. Es ist auf das jeweils vorhandene Studienangebot bezogen und kommt deshalb nur zur Geltung, wenn eine gleichheitsgerechte Teilhabe an den Hochschulen des Staates durch staatliche Maßnahmen wie ein nicht eignungsgerechtes Auswahlverfahren bei Kapazitätsbeschränkungen oder eine nicht hinreichend sozialverträgliche Ausgestaltung des Studienangebots beeinträchtigt wird. Hingegen umfasst das Teilhaberecht keinen Anspruch auf staatliche Leistungen zur Beseitigung von Hindernissen für den Zugang zum Studium, die den gesellschaftlichen Verhältnissen geschuldet sind. Auch aus dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG folgt kein subjektives Recht mittelloser Hochschulzugangsberechtigter auf staatliche Leistungen zur Ermöglichung eines Studiums. Der weite Gestaltungsspielraum, der dem Gesetzgeber nach dem Demokratieprinzip und dem Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 und 3 GG) bei der Umsetzung des sozialstaatlichen Auftrags, für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen, zukommt, schließt verfassungsrechtliche Ansprüche auf staatliche Leistungen zur Ermöglichung grundrechtlich geschützter Freiheiten grundsätzlich aus.
Sozialstaatlicher Auftrag und Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers
Der sozialstaatliche Auftrag des Staates umfasst vielfältige und umfangreiche Aufgaben wie beispielsweise die Fürsorge und den Schutz Hilfsbedürftiger und sozial Benachteiligter, die Betreuung und Förderung von Kindern und Jugendlichen, die soziale Sicherung gegen die Wechselfälle des Lebens, die Beschäftigungsförderung und die Förderung einer chancengleichen Bildung und Ausbildung. Dabei ist auf einen Abbau von den sozialen Verhältnissen geschuldeten Hindernissen für die Ausübung grundrechtlicher Freiheit hinzuwirken. Diese allgemeine sozialstaatliche Aufgabe des Staates zur Umsetzung der grundrechtlichen Werteordnung in die Verfassungswirklichkeit verdichtet sich zu einem alle hierfür maßgeblichen Lebensstationen umfassenden speziellen objektiv-rechtlichen Auftrag zur Förderung gleicher Bildungs- und Ausbildungschancen. Dies trägt der herausragenden Bedeutung Rechnung, die der sozialen Durchlässigkeit der Bildungs- und Ausbildungswege für eine gerechte, nicht von der sozialen Herkunft abhängige, sondern an der Leistungsfähigkeit ausgerichtete Verteilung von Lebenschancen zukommt. Allerdings sind die dem Staat für die Erfüllung aller dieser regelmäßig finanzwirksamen Aufgaben zur Verfügung stehenden Mittel notwendig begrenzt. Einer beliebigen Ausweitung staatlicher Einnahmen zur Aufgabenerfüllung stehen die Einschränkung der Kreditaufnahme nach Art. 109 Abs. 3, Art. 115 Abs. 2 GG und der Erhalt der Leistungsbereitschaft und -fähigkeit der Steuer- und Beitragszahler entgegen. Das gilt auch mit Blick auf die Erfüllung des sozialstaatlichen Auftrags, dem von Verfassungs wegen kein Vorrang vor der Verwirklichung anderer staatlicher Aufgaben zukommt. Zudem ergeben sich faktische Grenzen für den Ausbau des Sozialstaats aus der Notwendigkeit, die für die Verwirklichung einer gerechten Sozialordnung unabdingbare Bereitschaft der Steuer- und Beitragszahler zur Solidarität mit sozial Benachteiligten zu erhalten.
Diese Begrenztheit der finanziellen Mittel macht eine Priorisierung der staatlichen Aufgabenerfüllung nach Art, Zeit und Umfang notwendig; dies gilt wegen ihrer besonderen Finanzwirksamkeit gerade auch für die Wahrnehmung der sozialstaatlichen Aufgaben. In öffentlicher Debatte die für die Lösung der Verteilungskonflikte maßgebliche Priorisierung festzulegen und sie an die wechselnden Bedürfnisse des Gemeinwesens anzupassen, ist zentraler Bestandteil der politischen Gestaltungsmacht des vom Volk gewählten Parlaments. Es verfügt auch funktional über die besten Voraussetzungen, um im Zusammenwirken mit der Regierung zu sachgerechten Ergebnissen zu gelangen. Diese Befugnis des demokratisch legitimierten Gesetzgebers zur Entscheidung über die Verwendung der knappen finanziellen Mittel würde durch subjektive verfassungsrechtliche Ansprüche auf staatliche Leistungen zur Beseitigung sozialer, einer chancengleichen Verwirklichung grundrechtlicher Freiheit entgegenstehender Ungleichheiten beeinträchtigt. Die zur Erfüllung solcher Leistungsrechte notwendigen finanziellen Mittel könnten wegen der umfassenden Bindungswirkung nach Art. 1 Abs. 3 GG auf Dauer nicht mehr auf der Grundlage einer übergreifenden, an den aktuellen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen ausgerichteten Priorisierung der staatlichen Aufgabenerfüllung für andere Gemeinwohlzwecke verwendet werden. Daher kann aus dem Wirkungszusammenhang von sozialstaatlichem Auftrag und der grundrechtlichen Werteordnung ein verfassungsrechtlicher Anspruch auf staatliche Leistungen allenfalls ausnahmsweise für besonders gelagerte Konstellationen abgeleitet werden, wenn dies zur Verwirklichung grundrechtlicher Freiheit absolut unverzichtbar ist. Die Ermöglichung eines Studiums mittelloser Hochschulzugangsberechtigter stellt keinen solchen Ausnahmefall dar. Allerdings sind staatliche Leistungen, die auch mittellosen Hochschulzugangsberechtigten eine Teilhabe am staatlichen Studienangebot ermöglichen, von erheblicher Bedeutung für einen chancengleichen Zugang zu Ausbildung und Beruf. Ansonsten kann einem mittellosen Hochschulzugangsberechtigten nicht nur die gewünschte Ausbildung, sondern regelmäßig auch der angestrebte Beruf verwehrt bleiben. Eine solche von den Vermögensverhältnissen abhängige Verteilung von Lebenschancen steht in Konflikt zu den verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen zugunsten der Ausbildungs- und Berufsfreiheit, der Gleichheit und des Sozialstaatsprinzips.
Das verleiht der Ermöglichung des Studiums mittelloser Hochschulzugangsberechtigter aber kein Gewicht, bei dem die Erfüllung dieser Aufgabe im Verhältnis zur Bedeutung und Dringlichkeit der anderen sozialstaatlichen Aufgaben von vornherein unabhängig von wechselnden Bedürfnissen dauerhaft unverzichtbar wäre. Daran ändert nichts, dass die Beseitigung sozialer Hindernisse für ein Hochschulstudium dem speziellen Auftrag zur Förderung gleicher Bildungs- und Ausbildungschancen unterfällt. Denn auch im Verhältnis zu sozialen Bedarfen, die diesem Förderauftrag zugehören, ist eine besondere Unverzichtbarkeit gerade der Ermöglichung eines Studiums nicht erkennbar. So ist eine gerechte Verteilung von Lebenschancen auch bei nichtakademischen Ausbildungsgängen und Berufen nur gewährleistet, wenn der Zugang nicht von den Vermögensverhältnissen, sondern nur von der Eignung abhängt. Lebenschancen können zudem auf vielfältige Weise bereits frühzeitig abgeschnitten werden, etwa wenn es an Leistungen zur frühkindlichen Bildung oder zur Förderung von Kindern und Jugendlichen aus sozial benachteiligten Familien fehlt. Für alle diese wegen der Begrenztheit der staatlichen Mittel untereinander in Konkurrenz stehenden sozialen Bedarfe muss es bei der sozialpolitischen Priorisierungsbefugnis des Gesetzgebers bleiben.
Derzeit besteht keine Handlungspflicht des Staates
Die angegriffene
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 31.10.2024
Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/ab)
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Dokument-Nr. 34506
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