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Kammergericht Berlin, Beschluss vom 11.12.2015
13 UF 164/15 -

Erweiterter Umgang des bar­unterhalts­pflichtigen Elternteils rechtfertigt keine Kürzung der Unterhaltsbeträge unterhalb des Mindestunterhalts

Uneingeschränkte Unterhaltspflicht trotz erweiterten Umgangs

Ein erweiterter Umgang des bar­unterhalts­pflichtigen Elternteils rechtfertigt nicht die Kürzung der Unterhaltsbeträge unterhalb des Mindestunterhalts. Vielmehr bleibt er uneingeschränkt unterhaltspflichtig. Reduziert er aufgrund des erweiterten Umgangs seine Erwerbstätigkeit, so sind ihm grundsätzlich fiktive Einkünfte bis zum Mindestunterhalt anzurechnen. Dies geht aus einer Entscheidung des Kammergerichts Berlin hervor.

In dem zugrunde liegenden Fall verpflichtete das Amtsgericht Berlin-Pankow/Weißensee im April 2015 einen Vater zweier minderjähriger Kinder zur Zahlung von Mindestunterhalt. Da der Kindsvater nur einer Teilzeitbeschäftigung nachging, rechnete das Gericht fiktive Einkünfte hinzu. Seiner Ansicht nach sei der Kindsvater nämlich fähig gewesen eine Vollzeittätigkeit aufzunehmen. Dem widersprach der Kindsvater. Er führte an, dass er seine Kinder in ganz erheblichem Umfang betreue. Aufgrund dieses hohen Betreuungsanteils sei ihm die Aufnahme einer Vollzeittätigkeit nicht möglich gewesen. Zudem habe das Amtsgericht berücksichtigen müssen, dass er sich an zahlreichen anfallenden Kosten wie etwa für Schulveranstaltungen beteilige. Der Kindsvater legte daher Beschwerde ein.

Erweiterter Umgang rechtfertigt keine Reduzierung der Arbeitszeit

Das Kammergericht Berlin bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts und wies daher die Beschwerde des Kindsvaters zurück. Soweit er davon ausging, dass er, weil er mit seinen beiden Kindern einen über das übliche Maß hinausgehenden Umgang pflegt, seine Arbeitszeit in mehr oder wenigen beliebigem Ausmaß habe kürzen können, erteilte das Gericht dem eine Absage. Ein barunterhaltspflichtiger Elternteil, der den Umgang mit dem Kind in einem gesteigerten Maße wahrnimmt und für dieses in erhöhtem Umfang Betreuungs- und Versorgungsleistungen erbringt, sei gleichwohl uneingeschränkt barunterhaltspflichtig.

Herabstufung auf Mindestunterhalt

Bei einem erweiterten Umgang könne lediglich eine Herabstufung in der Düsseldorfer Tabelle bis hinunter zum Mindestunterhalt vorgenommen werden, so das Kammergericht. Eine weitergehende Herabstufung auf Unterhaltsbeträge unterhalb des Mindestunterhalts komme nicht in Betracht. Das gelte insbesondere auch dann, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil einen erweiterten Umgang wahrnehme.

Zurechnung fiktiver Einkünfte

Der Kindsvater habe sich nach Auffassung des Kammergerichts fiktive Einkünfte zurechnen lassen müssen. Ihn treffe als Vater zweier minderjähriger Kinder eine gesteigerte Erwerbspflicht. Ein erweiterter Umgang ändere daran nichts.

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 25.01.2017
Quelle: Kammergericht Berlin, ra-online (vt/rb)

Vorinstanz:
  • Amtsgericht Berlin-Pankow/Weißensee, Beschluss vom 27.04.2015
    [Aktenzeichen: 17 F 974/14]
Aktuelle Urteile aus dem Unterhaltsrecht
Fundstellen in der Fachliteratur: Zeitschrift: NJW-Spezial
Jahrgang: 2016, Seite: 165
NJW-Spezial 2016, 165

Urteile sind im Original meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst kostenlose-urteile.de alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Dokument-Nr.: 23753 Dokument-Nr. 23753

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Kommentare (1)

 
 
Horath schrieb am 15.01.2019

Dieser Fall passt in ein trauriges Gesamtbild.

Die Rechtslage bezüglich Unterhalt und Umgang ist ein Beispiel von genuinem, institutionalisiertem Sexismus, in dem die Bindung des Kindes zum Vater immer zweitrangig und der Beitrag des männlichen Elternteils zur Erziehung die Beschaffung von Ressourcen ist (Erwerbsobliegenheit), während im gleichen Zug die Mutter in die traditionelle Verpfleger-Rolle gedrängt wird, die in der klassischen Version als geringfügig beschäftigte Alleinerziehende nach und nach ihre Optionen auf berufliche Selbstverwirklichung ziehen lassen muss, was sich dann auch im daraus resultierenden gesteigerten Armutsrisiko sowie dem allgemein beklagten Gender Pay Gap widerspiegelt. Und das alles stellt in der bestehenden Größenordnung der Fälle mehr nur ein individuelles Dilemma dar: Wird doch hierdurch die das gesellschaftliche Potential einer ganzen Armee von Frauen mit abgeschlossenen Ausbildungen und Universitätsabschlüssen gleichsam vernichtet.

Um Versuche des Vaters zu unterbinden, Präsenz im Leben des gemeinsamen Kindes zu zeigen gibt es ein breites Arsenal rechtlicher Hebel, selbst wenn die Mutter dagegen gar nichts einzuwenden hat.

In der Theorie mag dies rechtlich geschlechtsneutral formuliert sein. In der Praxis freilich leben 9 von 10 Kindern von Alleinerziehenden bei ihren Müttern. Männer- und Vätervereinigungen, die auf grobe rechtsstaatliche Missstände, Benachteiligungen und nur schwer nachvollziehbare Einzelschicksale im Umgangs- und Unterhaltsrecht aufmerksam machen, gibt es zuhauf. Die Geschichten, die man in den entsprechenden Foren liest, lassen einem manchmal den Mund offen stehen.

Nach und nach führen diese Missstände zur Entfremdung der Geschlechter (man denke an wachsende Bewegungen wie InCels oder MGTOWs). Der Gesetzgeber und die Gerichte befördern mit der aktuellen Politik eine bedenkliche Entwicklung.

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