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Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 10.05.2012
15 U 199/11 -

Google-Autocomplete-Funktion: Ergänzungssuchbegriffe einer Internet-Suchmaschine haben keinen eigenen Aussageinhalt

Keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

Den bei Eingabe eines Suchbegriffes in eine Internet-Suchmaschine durch diese im Rahmen einer automatisierten Vervollständigungsfunktion angezeigten Ergänzungssuchbegriffen kommt kein eigenständiger Aussageinhalt der Suchmaschine bzw. des Betreibers zu. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln hervor.

In dem zugrunde liegenden Fall befasste sich die Klägerin mit dem Direktvertrieb von Nahrungsergänzungsmitteln und Kosmetika. Die Beklagte betrieb eine Internet-Suchmaschine. Dem Internetnutzer wurden bei Eingabe seiner Suchbegriffe in Form von Wortkombinationen verschiedene Suchvorschläge (Predictions) angezeigt. Diese Suchvorschläge wurden auf der Basis eines Algorithmus ermittelt, der unter anderem die Anzahl der von anderen Nutzern der Suchmaschine eingegebenen Suchanfragen einbezog. Bei Eingabe des Namens der Klägerin erschienen als Suchvorschläge folgende Wörter: "scientology" und "betrug". Die Klägerin war der Meinung dies verletze ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht und klagte auf Unterlassung und Entschädigung.

Kein Anspruch auf Unterlassung und Entschädigung

Das Oberlandesgericht Köln entschied gegen die Klägerin. Es bestand weder der geltend gemachte Unterlassungsanspruch noch eine Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung. Denn aus Sicht eines unvoreingenommenen verständigen Durchschnittsnutzer der Suchmaschine lässt sich der Anzeige der Ergänzungssuchbegriffe lediglich die eigene Aussage der Suchmaschine entnehmen, dass andere vorherige Nutzer die gewählten Begriffskombinationen zur Recherche eingegeben hatten oder dass sich die Ergänzungssuchbegriffe in verlinkten Drittinhalten jeweils als solche auffinden ließen. Bei dieser Aussage handelte es sich jedoch um eine wahre Tatsachenbehauptung, die kein das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin verletzende Aussagegehalt hatte und somit von ihr hinzunehmen war.

Ergänzungssuchbegriffe bedürfen einer Auslegung

Welcher Aussagegehalt einer aus der Zusammenstellung einzelner sprachlicher Begriffe gebildeten sprachlichen Äußerung beizumessen ist, so das Oberlandesgericht weite, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln. Diese darf sich nicht in der semantischen Würdigung der verwendeten einzelnen Begriffe erschöpfen, sondern hat die daraus gebildete Äußerung als zusammenhängendes Ganzes zu würdigen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.10.1995 - 1 BvR 1476/91 = NJW 1995, 3303). Da es auf die Ermittlung des objektiven Sinnes der Äußerung ankommt, ist dabei weder die subjektive Absicht des Äußernden noch das subjektive Verständnis des sich Betroffenen maßgeblich, sondern entscheidend darauf abzustellen, wie ein unvoreingenommenes und verständiges Durchschnittspublikum die Äußerung ausgehend von ihrem Wortlaut unter Berücksichtigung des allgemeinen Sprachgebrauchs und des sprachlichen Kontextes sowie der erkennbaren, den Sinn der Äußerung mitbestimmenden Begleitumstände versteht (vgl. BGH, Urt. v. 11.03.2008 - VI ZR 7/07 = AfP 2008, 297). Bei Anwendung dieser Kriterien kam das Oberlandesgericht zu der Überzeugung, dass den angezeigten Ergänzungssuchbegriffen, die bei Eingabe der Klägerin in der Suchmaschine erschienen, keine Aussage des Inhalt zu kam, dass die Klägerin entweder Mitglied bei Scientology sei oder aber Scientology zumindest positiv gegenüberstehe oder dass sie Täter oder Teilnehmerin eines Betruges sei.

Eigenständiger Sinngehalt der Begriffe zweifelhaft

Das Oberlandesgericht hatte bereits Zweifel, ob den Begriffen überhaupt ein solcher Sinngehalt entnommen werden konnte. Zwar waren die Begriffe "scientology" und "betrug" jeweils für sich genommen geeignet, negative Vorstellungen hervorzurufen. Jedoch war zu beachten, dass bei Slogans und schlagwortartigen Äußerungen, die lediglich die Aufmerksamkeit des Publikums erregen und Anreiz zu Nachfragen oder zu der Nachforschung weiterer Informationsquellen bieten sollen, das Verständnis einer eigenständigen, aus sich heraus aussagekräftigen Äußerung fern liege (vgl. BVerG, Beschl. v. 08.09.2010 - 1 BvR 1890/08).

Entscheidung über eigenständigen Sinngehalt konnte offen bleiben

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts konnte eine Entscheidung darüber jedoch dahinstehen. Denn aufgrund der Erfahrungen die Nutzer von Suchmaschinen gewonnen haben, liegt ein Verständnis dahingehend, dass zwischen dem eingegebenen Suchbegriff und den dazu angezeigten Ergänzungsvorschlägen inhaltliche Bezüge hergestellt werden, fern.

Sinn und Zweck einer Suchmaschine ist es, Fremdveröffentlichungen und darin enthaltene Informationen nachzuweisen, nicht aber eigene Information mitzuteilen. Bereits die Bezeichnung als "Suchmaschine" beinhaltet, dass der geleistete Nachweis an Information nicht aus kognitiver intellektueller Leistung herrührt, sondern das Ergebnis eines computergesteuerten, automatisierten Vorgangs ist (vgl. OLG Hamburg, Urt. v. 26.05.2011 - 3 U 67/11 = ZUM-RD 2011, 670). Dies wird dadurch verdeutlicht, dass bereits bei Eingabe des ersten Buchstabens des Suchwortes, also noch bevor überhaupt ein Sinngehalt des einzugebenden Suchwortes und damit ein etwaiger Themenbezug erkennbar wird, Ergänzungsvorschläge angezeigt werden. Das Oberlandesgericht würdigt dies dahingehend, dass der Nutzer einer Suchmaschine auch nach vollendeter Eingabe seines Suchwortes eben nicht erwartet, dass ein sachlicher Bezug zu dem mit dem Suchbegriff indizierten Thema der Recherche hergestellt wird.

Missverstehen einzelner unbeachtlich

Das Oberlandesgericht Köln führte weiter aus, dass die bloße Möglichkeit, dass einzelne Nutzer die Suchergänzungsvorschläge missverstehen, den Anspruch nicht begründen konnte.

Haftungsprivilegierung aus § 10 TMG griff nicht

Die für die Speicherung fremder Informationen in § 10 Satz 1 TMG vorgesehene Haftungsbeschränkung betrifft lediglich die strafrechtliche Verantwortlichkeit und die Schadenshaftung, so das Oberlandegericht weiter. Unterlassungsansprüche werden dadurch nicht erfasst (vgl. BGH, Urt. v. 23.06.2009 - VI ZR 196/08 = NJW 2009, 2888). Darüber hinaus ging es im vorliegenden Fall um einen von der Suchmaschine der Beklagten angebotenen "eigenen" Inhalt und nicht um das Zugänglichmachen oder Präsentieren von Fremdinhalten, auf die allein § 10 TMG Anwendung findet.

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 19.10.2012
Quelle: Oberlandesgericht Köln, ra-online (vt/rb)

Vorinstanz:
  • Landgericht Köln, Urteil vom 19.10.2011
    [Aktenzeichen: 28 O 116/11]
Fundstellen in der Fachliteratur: Zeitschrift: Computer und Recht (CR)
Jahrgang: 2012, Seite: 815
CR 2012, 815
 | Zeitschrift: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Rechtsprechungs-Report (GRUR-RR)
Jahrgang: 2012, Seite: 486
GRUR-RR 2012, 486
 | Zeitschrift: Multimedia und Recht (MMR)
Jahrgang: 2012, Seite: 840
MMR 2012, 840
 | Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht (ZUM)
Jahrgang: 2012, Seite: 987
ZUM 2012, 987

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