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Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.04.2013
I R 45/11 -

Verrechnungs­preis­dokumentation ist unionsrechtskonform

Eingriff in Grundfreiheiten im gemeinsamen Binnenmarkt durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt

Der Bundesfinanzhof hatte darüber zu entscheiden, ob die Pflicht zu einer so genannten Verrechnungs­preis­dokumentation, der Steuerpflichtige bei bestimmten grenz­über­schreitenden Vorgängen unterworfen sind, in Einklang mit dem Unionsrecht steht. Er hat dies prinzipiell bejaht.

Nach § 90 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO) hat der Steuerpflichtige bei Sachverhalten, die Vorgänge mit Auslandsbezug betreffen, über die Art und den Inhalt seiner Geschäftsbeziehungen mit ihm nahestehenden Personen Aufzeichnungen zu erstellen und diese auf Verlangen der Finanzbehörde vorzulegen. Diese Pflichten beziehen sich insbesondere auf die mit den Nahestehenden vereinbarten so genannten Verrechnungspreisen. Einzelheiten der Dokumentation regelt die Finanzverwaltung in der "Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung". Kommt der Steuerpflichtige den Dokumentationspflichten nicht oder nur unvollständig nach, ermöglicht § 162 Abs. 3 AO eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen zu seinem Nachteil. Außerdem erlaubt § 162 Abs. 4 AO für solche Fälle einen "Strafzuschlag" zur festgesetzten Steuer von mindestens 5.000 Euro, bei verspäteter Vorlage der Aufzeichnungen sogar bis zu 1 Mio. Euro. Sachverhalte ohne entsprechenden Auslandsbezug sind von diesen Pflichten, die für die Steuerpflichtigen erheblichen Aufwand und erhebliche Kosten verursachen, nicht betroffen. Inlandssachverhalte und Auslandssachverhalte werden also "ungleich" behandelt.

Eingriff in Grundfreiheiten im gemeinsamen Binnenmarkt im Hinblick auf effektive Sachverhaltsaufklärungen nicht verhältnismäßig

Der Bundesfinanzhof sah in dieser Ungleichbehandlung dennoch keinen Verstoß gegen das Recht der Europäischen Union. Zwar werde in den Schutzbereich danach bestehender Grundfreiheiten im gemeinsamen Binnenmarkt eingegriffen. Doch sei dieser Eingriff durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt, insbesondere durch das Erfordernis einer wirksamen Steueraufsicht. Der Eingriff sei auch verhältnismäßig, weil ohne die Vorlage einer Verrechnungspreisdokumentation eine effektive Sachverhaltsaufklärung nicht möglich sei. Eine solche könne nicht allein mit den Mitteln der zwischen-staatlichen Amtshilfe gewährleistet werden.

Aufforderung zur Vorlage der Dokumentation rechtmäßig

In dem Fall, über den der Bundesfinanzhof konkret zu entscheiden hatte, verlangte das Finanzamt zur Durchführung einer Außenprüfung von einer GmbH die Vorlage einer so genannten Sachverhalts- und Angemessenheitsdokumentation über die Geschäftsbeziehungen mit einer der GmbH verbundenen luxemburgischen AG. Grund dafür waren Zweifel daran, ob die Geschäftsbeziehungen dem entsprachen, was unter fremden Dritten üblich ist. Der Bundesfinanzhof hielt die Aufforderung zur Vorlage der Dokumentation für rechtmäßig, weil sich die Verrechnungspreise andernfalls nicht verlässlich überprüfen ließen.

Urteil auch im Hinblick auf "Steuerflucht" in so genannte Steueroasen von Bedeutung

Dem Urteil kommt nicht zuletzt vor dem Hintergrund der derzeitigen Diskussion im politischen Raum über die "Steuerflucht" in so genannte Steueroasen, auch solche innerhalb der Europäischen Union, beträchtliche Bedeutung zu. Allerdings lässt der Bundesfinanzhof ausdrücklich offen, ob einzelne Bestimmungen über die Dokumentationstiefe in der Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung nicht doch über das hinausgehen, was zur Sachverhaltsaufklärung erforderlich ist. Diese Fragen lassen sich nicht im Rahmen der Dokumentationsanforderung beantworten, sondern erst im Klageverfahren gegen einen nachfolgenden Steuerbescheid oder die nachfolgende Festsetzung eines "Strafzuschlags".

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 22.08.2013
Quelle: Bundesfinanzhof/ra-online

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