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Bundesfinanzhof, Urteil vom 04.02.2016
III R 17/13 -

Auch im Ausland lebende Elternteile können Anspruch auf Kindergeld haben

Geschiedene Ehefrau ist Familienangehörige mit fiktivem Wohnsitz in Deutschland

Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass eine geschiedene Mutter, deren Kind bei ihr im EU-Ausland lebt, kinder­geld­berechtigt ist. Der in Deutschland lebende Vater hat dagegen keinen Anspruch auf Kindergeld.

Im zugrunde liegenden Streitfall beantragte ein in Deutschland wohnender deutscher Staatsangehöriger Kindergeld für seinen Sohn. Der Sohn lebte in Polen im Haushalt seiner Mutter, der geschiedenen polnischen Ehefrau des Klägers. Die Familienkasse lehnte den Antrag ab, weil sie der Ansicht war, der Anspruch auf Kindergeld stehe nicht dem Kläger zu. Kindergeldberechtigt sei die geschiedene Ehefrau. Dem stehe nicht entgegen, dass sie in Deutschland über keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt verfügt habe.

Mutter des Kindes kann aufgrund der Wohnsitzfiktion Familienleistungen beanspruchen

Die hiergegen gerichtete Klage hatte vor dem Finanzgericht Erfolg. Demgegenüber hob der Bundesfinanzhof das Urteil des Finanzgerichts auf und wies die Klage ab. Entscheidend hierfür sei die unionsrechtliche Vereinheitlichung der nationalen Regelungen zur sozialen Sicherheit (Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der ab dem 1. Mai 2010 geltenden VO Nr. 987/2009). Danach ist bei Ansprüchen auf Familienleistungen in grenzüberschreitenden Sachverhalten die gesamte Familie so zu behandeln, als würde sie in dem Mitgliedstaat wohnen, dessen Familienleistungen beansprucht werden (Wohnsitzfiktion).

Auch geschiedene Ehefrau zählt als Familienangehörige

Da das deutsche Kindergeldrecht nicht danach unterscheidet, ob die Eltern eines Kindes verheiratet sind oder nicht, ist auch die geschiedene Ehefrau Familienangehörige. Somit gilt sie als mit dem Kind in Deutschland lebend. Damit steht ihr der Anspruch auf Kindergeld zu, da nach deutschem Recht das Kindergeld bei getrennt lebenden Eltern vorrangig an den Elternteil ausgezahlt wird, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat.

Auch EuGH bejaht möglichen Kindergeldanspruch für im EU-Ausland lebende Mutter

Da der Bundesfinanzhof Zweifel hatte, ob das Unionsrecht tatsächlich eine solch weitgehende Fiktion beabsichtigte, richtete er ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH). Der EuGH entschied, dass die Wohnsitzfiktion zu einem Wechsel der persönlichen Anspruchsberechtigung von dem in Deutschland lebenden Elternteil zu dem im EU-Ausland lebenden anderen Elternteil führen kann (EuGH, Urteil vom 22. Oktober 2015, Az. C-378/14). Daran ändert sich auch dann nichts, wenn der im EU-Ausland lebende Elternteil keinen Antrag auf deutsches Kindergeld gestellt hat.

Entscheidung des Bundesfinanzhofs ist von allgemeiner Bedeutung für getrennt lebende Eltern mit Wohnsitz im EU-Ausland

In seinem Urteil folgte der Bundesfinanzhof der Beurteilung durch den EuGH. Damit war das Urteil des Finanzgerichts aufzuheben und die Klage des Vaters abzuweisen. Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs ist von allgemeiner Bedeutung für Fälle, in denen die Eltern eines Kindes in unterschiedlichen EU-Staaten leben und in keinem EU-Staat ein gemeinsamer Haushalt der Eltern und des Kindes besteht. In Bezug auf den Sohn, für den das Kindergeld beansprucht wurde, hat die Familienkasse nunmehr über den Kindergeldanspruch der geschiedenen Ehefrau zu entscheiden.

Anspruch auf Kindergeld kann nach deutschem Recht auch Großelternteil zustehen

Inhaltsgleich hat der Bundesfinanzhof in einem zweiten Urteil vom 10. März 2016 (Az. III R 62/12) entschieden. Hier lebten die beiden Töchter des in Deutschland wohnenden Klägers bei ihrer in Griechenland lebenden Großmutter. Nach deutschem Recht kann ein Anspruch auf Kindergeld auch einem Großelternteil zustehen, der sein Enkelkind in seinen Haushalt aufgenommen hat. Der Bundesfinanzhof folgte auch hier dem EuGH-Urteil. Somit war auch hier zu fingieren, dass die Großmutter mit ihren beiden Enkelinnen in Deutschland lebte. Ein Anspruch auf Kindergeld steht somit ihr zu und nicht dem Kläger.

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 09.06.2016
Quelle: Bundesfinanzhof/ra-online

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