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Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.07.2006
- I ZR 231/03, I ZR 241/03, I ZR 65/05 -
Kontaktanzeigen von Prostituierten sind wettbewerbsrechtlich zulässig
Anzeigen verstoßen auch nicht gegen das Ordnungswidrigkeitengesetz
Der Bundesgerichtshof hatte über die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit von Kontaktanzeigen Prostituierter in Zeitungen zu entscheiden.
Die Kläger, die eine Bar betreiben, in der Prostituierten und deren Kunden sexuelle Kontakte ermöglicht werden, wenden sich gegen die Veröffentlichung von Inseraten in verschiedenen Zeitungen. Sie beanstanden, dass die veröffentlichten Anzeigen eine unzulässige Werbung für Prostitution enthalten. Die Unlauterkeit der Werbung ergebe sich aus einem Verstoß gegen §§ 119, 120 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG). Die Kläger haben die Herausgeber der Zeitungen auf Unterlassung in Anspruch genommen.
Das Berufungsgericht hat die die Klagen abweisenden Urteile des Landgerichts bestätigt. Die Revision blieb ohne Erfolg.
Der Bundesgerichtshof hat allerdings ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen den Klägern und den Anzeigenkunden der Zeitungsverlage bejaht, weil die Inserenten versuchen, gleichartige Dienstleistungen wie die Kläger innerhalb derselben Abnehmerkreise abzusetzen, so dass das beanstandete Wettbewerbsverhalten die Kläger im Absatz ihrer Dienstleistungen stören kann.
Den gegen die Veröffentlichung der Anzeigen gerichteten Unterlassungsanspruch nach §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V. mit §§ 119, 120 OWiG hat der Bundesgerichtshof jedoch verneint.
Nach § 119 Abs. 1 OWiG handelt ordnungswidrig, wer öffentlich in einer Weise, die geeignet ist, andere zu belästigen, oder in grob anstößiger Weise durch Verbreiten von Schriften Gelegenheit zu sexuellen Handlungen ankündigt. Gegen § 120 Abs. 1 Nr. 2 OWiG verstößt, wer durch das Verbreiten von Schriften Gelegenheit zu entgelt-lichen sexuellen Handlungen ankündigt. Diese Vorschriften sind gesetzliche Bestimmungen, die auch dazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Ein Verstoß gegen §§ 119, 120 OWiG kann daher einen gegen die Veröffentlichung der Anzeigen gerichteten Unterlassungsanspruch nach §§ 3, 4 Nr. 11 UWG begründen.
In den zur Entscheidung stehenden Fällen hat der Bundesgerichtshof keinen Verstoß gegen §§ 119, 120 OWiG angenommen. Die angegriffenen Anzeigen waren weder belästigend noch grob anstößig i.S. von § 119 Abs. 1 OWiG.
Für § 120 Abs. 1 Nr. 2 OWiG reicht allein eine Werbung für entgeltliche sexuelle Handlungen nicht aus. Mit dem am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Prostitutionsgesetz hat der Gesetzgeber einem Wandel der Stellung der Prostituierten in der Gesellschaft auch in rechtlicher Hinsicht Rechnung getragen. Danach sind die Ausübung der Prostitution und damit in Zusammenhang stehende Rechtsgeschäfte nicht mehr als schlechthin sittenwidrig anzusehen. Dieses gewandelte Verständnis ist bei der Auslegung des § 120 OWiG zu berücksichtigen. Die Bestimmung kann nicht mehr im Sinne eines generellen Verbots jeglicher Werbung für entgeltliche sexuelle Handlungen angewendet werden. Erforderlich ist vielmehr eine konkrete Beeinträchtigung von Rechtsgütern der Allgemeinheit, namentlich des Jugendschutzes. Die angegriffenen Zeitungsanzeigen geben insoweit keinen Anlass zu besonderen Beanstandungen.
Vorinstanzen
LG Bielefeld - Urteile
vom 01.04.2003 - 15 O 52/03
vom 30.04.2003 - 16 O 3/03
vom 21.09.2004 - 11 O 49/04
OLG Hamm - Urteile
vom 09.09.2003 - 4 U 63/03
vom 09.10.2003 - 4 U 70/03
vom 24.02.2005 - 4 U 173/04
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 13.07.2006
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 103/06 des BGH vom 13.07.2006
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Dokument-Nr. 2681
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