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Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.04.2017
- I ZR 247/15 -
"AIDA Kussmund" - Panoramafreiheit auch auf nicht ortsfeste Kunstwerke anwendbar
BGH zu den Voraussetzungen der Panoramafreiheit
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass sich die sogenannte Panoramafreiheit auch auf Kunstwerke erstreckt, die nicht ortsfest sind.
Die Klägerin des zugrunde liegenden Streitfalls veranstaltet Kreuzfahrten. Ihre Kreuzfahrtschiffe sind mit dem sogenannten "AIDA Kussmund" dekoriert. Das Motiv besteht aus einem am Bug der Schiffe aufgemalten Mund, seitlich an den Bordwänden aufgemalten Augen und von diesen ausgehenden Wellenlinien. Das Motiv wurde von einem bildenden Künstler geschaffen. Er hat der Klägerin daran das ausschließliche Nutzungsrecht eingeräumt.
Der Beklagte betrieb eine Internetseite, auf der er Ausflüge bei Landgängen auf Kreuzfahrtreisen in Ägypten anbot. Auf dieser Seite veröffentlichte er das Foto der Seitenansicht eines Schiffes der Klägerin, auf dem der "AIDA Kussmund" zu sehen ist.
Klägerin rügt Verstoß gegen Urheberrecht und verlangt Schadensersatz für unzulässig verwendeten "AIDA Kussmund"
Die Klägerin war der Ansicht, der Beklagte habe damit ihre Rechte am als Werk der angewandten Kunst urheberrechtlich geschützten "AIDA Kussmund" verletzt. Die Wiedergabe des auf dem
Verwendung der Fotografie des Kreuzfahrtschiffs mit dem "AIDA Kussmund" nicht zu beanstanden
Das Landgericht Köln wies die Klage ab. Die Berufung der Klägerin blieb ohne Erfolg. Der Bundesgerichtshof wies die Revision der Klägerin zurück. Der Beklagte durfte die Fotografie des Kreuzfahrtschiffs mit dem "AIDA Kussmund" ins Internet einstellen und damit öffentlich zugänglich machen, weil sich der abgebildete "AIDA Kussmund" im Sinne von § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befindet, so der Bundesgerichtshof.
Für Panoramafreiheit muss Werk nicht ortsfest sein
Ein Werk befindet sich im Sinne dieser Vorschrift an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen, wenn es von Orten aus, die unter freiem Himmel liegen und für jedermann frei zugänglich sind, wahrgenommen werden kann. Diese Voraussetzung ist auch dann erfüllt, wenn ein Werk nicht ortsfest ist und sich nacheinander an verschiedenen öffentlichen Orten befindet. Ein Werk befindet sich bleibend an solchen Orten, wenn es aus Sicht der Allgemeinheit dazu bestimmt ist, für längere Dauer dort zu sein.
Künstler müssen Fotografieren ihrer Werke an öffentlichen Orten ohne Einwilligung hinnehmen
Die
Zeitweiser Aufenthalt an nicht öffentlich zugänglichen Orten für Panoramafreiheit irrelevant
Danach durfte der Beklagte den auf dem
Erläuterungen
* - § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG:
Zulässig ist, Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, mit Mitteln der Malerei oder Graphik, durch Lichtbild oder durch Film zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben.
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a) Ein Werk befindet sich "an" öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen, wenn es von öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen aus wahrgenommen werden kann; unerheblich ist, ob das Werk selbst für die Öffentlichkeit zugänglich ist.
b) Wege, Straßen oder Plätze sind im Sinne von § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG "öffentlich", wenn sie für jedermann frei zugänglich sind, unabhängig davon, ob sie in öffentlichem oder privatem Eigentum stehen.
c) Die Nennung von "Wegen, Straßen oder Plätzen" in § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG ist lediglich beispielhaft und nicht abschließend. Die Bestimmung erfasst jedenfalls alle Orte, die sich - wie Wege, Straßen oder Plätze - unter freiem Himmel befinden.
d) Ein Werk befindet sich auch dann im Sinne von § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG "an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen", wenn es den Ort wechselt und es sich bei den verschiedenen Orten, an oder auf denen sich das Werk befindet, um öffentliche Orte handelt.
e) Ein Werk befindet sich im Sinne von § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG "bleibend" an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen, wenn es sich dauerhaft und nicht nur vorübergehend an öffentlichen Orten befindet. Das ist der Fall, wenn das Werk aus Sicht der Allgemeinheit dazu bestimmt ist, für längere, meist unbestimmte Zeit an öffentlichen Orten zu bleiben.
f) Wer sich auf § 59 UrhG beruft, trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Fotografie des Werkes von öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen aus gemacht worden ist. Zeigt die Fotografie eine Ansicht des Werkes, wie sie sich dem allgemeinen Publikum von einem öffentlichen Ort aus bietet, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Fotografie von einem solchen Ort aus gemacht worden ist. Es ist dann Sache des Inhabers der Rechte am Werk, diese Vermutung durch den Vortrag konkreter Umstände zu erschüttern. Wer sich auf § 59 UrhG beruft, hat dann seine Behauptung zu beweisen.
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 28.04.2017
Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online
- Landgericht Köln, Urteil vom 04.03.2015
[Aktenzeichen: 28 O 554/12] - Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 23.10.2015
[Aktenzeichen: 6 U 34/15]
Jahrgang: 2017, Seite: 798 GRUR 2017, 798 | Zeitschrift: Wettbewerb in Recht und Praxis (WRP)
Jahrgang: 2017, Seite: 951 WRP 2017, 951
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Dokument-Nr. 24181
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