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Bundesgerichtshof, Urteil vom 21.10.2015
- I ZR 51/12 -
Bank ist bei Kaufabwicklung eines gefälschten Markenprodukts zur Bekanntgabe des Kontoinhabers verpflichtet
Grundrecht des Kontoinhabers auf Schutz der persönlichen Daten muss hinter Grundrechten des Markeninhabers auf Schutz des geistigen Eigentums zurücktreten
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass ein Bankinstitut eine Auskunft über Namen und Anschrift eines Kontoinhabers nicht unter Hinweis auf das Bankgeheimnis verweigern darf, wenn über das Konto die Zahlung des Kaufpreises für ein gefälschtes Markenprodukt abgewickelt worden ist.
Die Klägerin des zugrunde liegenden Verfahrens ist Lizenznehmerin für die Herstellung und den Vertrieb von Davidoff-Parfüms. Im Januar 2011 bot ein Verkäufer auf der Internetplattform eBay ein Parfüm unter der Marke "Davidoff Hot Water" an, bei dem es sich offensichtlich um eine Produktfälschung handelte. Als Konto, auf das die Zahlung des Kaufpreises erfolgen sollte, war bei eBay ein bei der beklagten Sparkasse geführtes Konto angegeben. Die Klägerin ersteigerte das Parfüm und zahlte den Kaufpreis auf das angegebene Konto. Nach ihrer Darstellung konnte sie nicht in Erfahrung bringen, wer Verkäufer des gefälschten Parfüms war. Sie hat deshalb die beklagte Sparkasse nach § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 MarkenG* auf Auskunft über Namen und Anschrift des Kontoinhabers in Anspruch genommen.
OLG: Bank darf sich auf Bankgeheimnis berufen
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, die beklagte Sparkasse sei aufgrund des Bankgeheimnisses gemäß § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO** zur Verweigerung der Auskunft berechtigt.
BGH erbittet Vorabentscheidung des EuGH
Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren mit Beschluss vom 17. Oktober 2013 ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage vorgelegt, ob die Kontodaten, über die die Klägerin von der Sparkasse Auskunft verlangt, Art. 8 Abs. 3 Buchst. e der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums*** unterfallen und - wenn dies der Fall sein sollte - ob gleichwohl im Interesse der effektiven Verfolgung von Markenverletzungen die Beklagte Auskunft über die Kontodaten geben muss.
Richtlinie darf Bankinstitut nicht unbegrenzt und bedingungslos Auskunftsverweigerung unter Berufung auf das Bankgeheimnis gestatten
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat hierüber durch Urteil vom 16. Juli 2015 entschieden. Danach ist Art. 8 Abs. 3 Buchst. e der Richtlinie 2004/48/EG dahin auszulegen, dass er einer nationalen Rechtsvorschrift wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, die es einem Bankinstitut unbegrenzt und bedingungslos gestattet, eine Auskunft nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. c dieser Richtlinie über Namen und Anschrift eines Kontoinhabers unter Berufung auf das
BGH bejaht Auskunftsanspruch der Klägerin
Der Bundesgerichtshof hat auf dieser Grundlage nunmehr entschieden, dass der Klägerin ein Anspruch auf Auskunft über Namen und Anschrift des Kontoinhabers zusteht. Die Bestimmung des § 19 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 MarkenG ist unionsrechtskonform dahin auszulegen, dass ein Bankinstitut nicht gemäß § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO die Auskunft über Namen und Anschrift eines Kontoinhabers unter Berufung auf das
Erläuterungen
* - § 19 MarkenG lautet
[...]
(2) In Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung oder in Fällen, in denen der Inhaber einer Marke oder einer geschäftlichen Bezeichnung gegen den Verletzer Klage erhoben hat, besteht der Anspruch unbeschadet von Abs. 1 auch gegen eine Person, die in gewerblichem Ausmaß
[...]
3. für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbrachte
[...]
es sei denn, die Person wäre nach den §§ 383 bis 385 der Zivilprozessordnung im Prozess gegen den Verletzer zur Zeugnisverweigerung berechtigt.
** - § 383 ZPO lautet
(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt:
[...]
6. Personen, denen kraft ihres Amtes, Standes oder Gewerbes Tatsachen anvertraut sind, deren Geheimhaltung durch ihre Natur oder durch gesetzliche Vorschrift geboten ist, in betreff der Tatsachen, auf welche die Verpflichtung zur Verschwiegenheit sich bezieht.
*** - Art. 8 der Richtlinie 2004/48 lautet:
(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständigen Gerichte im Zusammenhang mit einem Verfahren wegen Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums auf einen begründeten und die Verhältnismäßigkeit wahrenden Antrag des Klägers hin anordnen können, dass Auskünfte über den Ursprung und die Vertriebswege von Waren oder Dienstleistungen, die ein Recht des geistigen Eigentums verletzen, von dem Verletzer und/oder jeder anderen Person erteilt werden, die
[...]
c) nachweislich für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen in gewerblichem Ausmaß erbrachte oder
[...]
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten unbeschadet anderer gesetzlicher Bestimmungen, die
[...]
e) den Schutz der Vertraulichkeit von Informationsquellen oder die Verarbeitung personenbezogener Daten regeln.
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 21.10.2015
Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online
- Landgericht Marburg, Urteil vom 28.09.2011
[Aktenzeichen: 7 O 545/11] - Oberlandesgericht Naumburg, Urteil vom 15.03.2012
[Aktenzeichen: 9 U 208/11]
- BGH bestätigt Haftung eines Internetauktionshauses für Markenverletzungen
(Bundesgerichtshof, Urteil vom 30.04.2008
[Aktenzeichen: I ZR 73/05]) - Bankgeheimnis steht nicht generell Kontrollmitteilungen anlässlich einer Bankprüfung im Wege
(Bundesfinanzhof, Urteil vom 09.12.2008
[Aktenzeichen: VII R 47/07])
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Dokument-Nr. 21758
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