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Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.02.2011
- VIII ZR 162/09 -
BGH legt EuGH Fragen zur Auslegung von Klausel- und Gas-Richtlinien vor
Für BGH keine unangemessene Benachteiligung erkennbar
Im Zusammenhang mit den Streitigkeiten zur Zulässigkeit von Gaspreiserhöhungen hat der Bundesgerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Auslegung der Richtlinien 93/13/EWG (Klausel-Richtlinie) und 2003/55/EG (Gas-Richtlinie) vorgelegt und erbittet dessen Vorabentscheidung hinsichtlich der Voraussetzungen zur Verständlichkeit von Preiserhöhungs-Klauseln.
Der Kläger, die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V., verlangt von der Beklagten, einem Gasversorgungsunternehmen, aus abgetretenem Recht von 25 Haushaltskunden die Rückzahlung von Gaspreisentgelten, die diese in der Zeit von Januar 2003 bis Oktober 2005 auf Gaspreiserhöhungen gezahlt haben. Der Kläger hält die Gaspreiserhöhungen für
BGH setzt Revision aus und erbittet Vorabentscheidung des EuGH
Der Bundesgerichtshof hat das Revisionsverfahren ausgesetzt und gemäß Art. 267 AEUV dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Fragen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (Klausel-Richtlinie)*** dahin auszulegen, dass Vertragsklauseln über Preisänderungen in Gaslieferungsverträgen mit Verbrauchern, die außerhalb der allgemeinen Versorgungspflicht im Rahmen der allgemeinen Vertragsfreiheit beliefert werden (Sonderkunden), nicht den Bestimmungen der Richtlinie unterliegen, wenn in diesen Vertragsklauseln die für Tarifkunden im Rahmen der allgemeinen Anschluss- und Versorgungspflicht geltenden gesetzlichen Regelungen unverändert in die Vertragsverhältnisse mit den Sonderkunden übernommen worden sind?
2. Sind - soweit anwendbar - Art. 3 und 5 der Klausel-Richtlinie****,****** in Verbindung mit Nr. 1 Buchst. j und Nr. 2 Buchst. b Satz 2 des Anhangs zu Art. 3 Abs. 3 dieser Richtlinie***** sowie Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang A Buchst. b und/oder c der Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG (Gas-Richtlinie)******** dahin auszulegen, dass Vertragsklauseln über Preisänderungen in Erdgaslieferungsverträgen mit Sonderkunden den Anforderungen an eine klare und verständliche Abfassung und/oder an das erforderliche Maß an Transparenz genügen, wenn in ihnen Anlass, Voraussetzungen und Umfang einer Preisänderung zwar nicht wiedergegeben sind, jedoch sichergestellt ist, dass das Gasversorgungsunternehmen seinen Kunden jede
Einseitige Preisänderungsrecht für Sonderkunden nur bei Vorhandensein entsprechender Vertragsklausel wirksam
Bei den Kunden der Beklagten handelt es sich zumindest teilweise um Sonderkunden. Für diese gilt das gesetzlich im Tarifkundenverhältnis vorgesehene einseitige Preisänderungsrecht des Gasversorgers nach § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV nur dann, wenn es als
Schutz von Sonderkunden soll nicht weitergehen als der von Tarifkunden
Das Gericht geht in seiner Rechtsprechung davon aus, dass eine Preisänderungsklausel, die das im Tarifkundenverhältnis bestehende gesetzliche Preisänderungsrecht nach § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV - einschließlich der insoweit bestehenden Kündigungsmöglichkeiten - unverändert in einen Sonderkundenvertrag übernimmt, keine
BGH erbittet Vorabentscheidung des EuGH
Die Vorlage dient einer Klärung der Frage, ob die Auffassung des Gerichts im Einklang mit den Anforderungen steht, die Art. 3 und 5 der Klausel-Richtlinie und Art. 3 Abs. 3 der Gas-Richtlinie******* an eine klare und verständliche Abfassung von Vertragsklauseln und/oder an das erforderliche Maß an Transparenz stellen. Bezüglich der Klausel-Richtlinie ist vorab zu klären, ob diese überhaupt vertragliche Vereinbarungen erfasst, die inhaltlich mit Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten übereinstimmen. Die Bestimmung des Anwendungsbereichs der Klausel-Richtlinie und die Auslegung der in ihr sowie in der Gas-Richtlinie enthaltenen Anforderungen an die Transparenz von Preisänderungsklauseln in Erdgaslieferungsverträgen mit Verbrauchern sind dem Gerichtshof der Europäischen Union vorbehalten.
Erläuterungen
* - § 307 Abs. 1 BGB lautet:
Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind
** - § 4 AVBGasV (Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden) lautet auszugsweise:
(1) Das Gasversorgungsunternehmen stellt zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen Gas zur Verfügung. (…)
(2) Änderungen der allgemeinen Tarife und Bedingungen werden erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam. (…)
*** - Art. 1 Abs. 2 der Klausel-Richtlinie lautet auszugsweise:
Vertragsklauseln, die auf bindenden Rechtsvorschriften (…) beruhen, (…) unterliegen nicht den Bestimmungen dieser Richtlinie.
**** - Art. 3 der Klausel-Richtlinie lautet auszugsweise:
(1) Eine
(3) Der Anhang enthält eine als Hinweis dienende und nicht erschöpfende Liste der Klauseln, die für missbräuchlich erklärt werden können.
***** - Der Anhang zu Art. 3 Abs. 3 der Klausel-Richtlinie lautet auszugsweise:
1. Klauseln, die darauf abzielen oder zur Folge haben, dass (…)
j)der Gewerbetreibende die Vertragsklauseln einseitig ohne triftigen und im Vertrag aufgeführten Grund ändern kann; (…)
2. (…) b)(…) Buchstabe j) steht (…) Klauseln nicht entgegen, durch die sich der Gewerbetreibende das Recht vorbehält, einseitig die Bedingungen eines unbefristeten Vertrages zu ändern, sofern es ihm obliegt, den Verbraucher hiervon rechtzeitig in Kenntnis zu setzen, und es diesem freisteht, den Vertrag zu kündigen.
****** - Art. 5 der Klausel-Richtlinie lautet auszugsweise:
Sind alle dem Verbraucher in Verträgen unterbreiteten Klauseln oder einige dieser Klauseln schriftlich niedergelegt, so müssen sie stets klar und verständlich abgefasst sein. Bei Zweifeln über die Bedeutung einer Klausel gilt die für den Verbraucher günstigste Auslegung. (…)
******* - Art. 3 Abs. 3 der Gas-Richtlinie lautet auszugsweise:
Die Mitgliedstaaten (…) gewährleisten einen hohen Verbraucherschutz, insbesondere in Bezug auf die Transparenz der allgemeinen Vertragsbedingungen, allgemeine Informationen und Streitbeilegungsverfahren.
******** - Anhang A der Gas-Richtlinie lautet auszugsweise:
(…) soll mit den in Artikel 2 genannten Maßnahmen sichergestellt werden, dass die Kunden (…)
rechtzeitig über eine beabsichtigte Änderung der Vertragsbedingungen und dabei über ihr Rücktrittsrecht unterrichtet werden. Die Dienstleister teilen ihren Kunden direkt jede Gebührenerhöhung mit angemessener Frist mit, auf jeden Fall jedoch vor Ablauf der normalen Abrechnungsperiode, die auf die Gebührenerhöhung folgt. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass es den Kunden freisteht, den Vertrag zu lösen, wenn sie die neuen Bedingungen nicht akzeptieren, die ihnen ihr Gasdienstleister mitgeteilt hat;
transparente Informationen über geltende Preise und Tarife sowie über die Standardbedingungen für den Zugang zu Gasdienstleistungen und deren Inanspruchnahme erhalten;
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 14.02.2011
Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online
- Einseitige Preiserhöhung durch den Gasversorger ist unwirksam
(Landgericht Dortmund, Urteil vom 18.01.2008
[Aktenzeichen: 6 O 341/06]) - Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 11.05.2009
[Aktenzeichen: 19 U 52/08]
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Dokument-Nr. 11126
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