Hier beginnt die eigentliche Meldung:
Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.07.2017
- X ZB 2/17 -
Vertrieb des HIV-Medikaments "Isentress" weiterhin zulässig
BGH bestätigt vom Bundespatentgericht ausgesprochene vorläufige Vertriebserlaubnis
Der Bundesgerichtshof hat eine vom Bundespatentgericht ausgesprochene vorläufige Gestattung zum weiteren Vertrieb eines Medikaments zur Behandlung von HIV-Infektionen bestätigt.
Die Antragsgegnerin des zugrunde liegenden Verfahrens ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 422 218 (Streitpatents), das ein antivirales Mittel betrifft. Das Streitpatent wurde am 8. August 2002 angemeldet und am 21. März 2012 erteilt. Das Europäische Patentamt hat das Streitpatent in einem Einspruchsverfahren in geänderter Fassung aufrechterhalten. Die dagegen eingelegte Beschwerde der Einsprechenden ist noch anhängig.
Mit Schreiben vom 3. Juni 2014 machte die Antragsgegnerin gegenüber einer mit den Antragstellerinnen verbundenen Gesellschaft geltend, Isentress falle in den Schutzbereich des japanischen Patents 2005 207 392, das zur Familie des Streitpatents gehört. Nachfolgende Verhandlungen über eine weltweite Lizenzvereinbarung blieben ohne Ergebnis.
Antragstellerin wird wegen Verletzung des Streitpatents auf Unterlassung in Anspruch genommen
Mit Schriftsatz vom 17. August 2015 hat die Antragsgegnerin die Antragstellerinnen vor dem Landgericht Düsseldorf (4c O 48/15) wegen Verletzung des Streitpatents unter anderem auf Unterlassung in Anspruch genommen. Das Landgericht hat den Rechtsstreit bis zur Entscheidung über die beim Europäischen Patentamt anhängige Beschwerde ausgesetzt. Die gegen die Aussetzung eingelegte sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin blieb erfolglos.
Mit Klageschrift vom 5. Januar 2016 hat die Antragstellerin zu 1 die Antragsgegnerin auf Erteilung einer Zwangslizenz am Streitpatent gemäß § 24 Abs. 1* des Patentgesetzes (PatG) in Anspruch genommen. Die Antragstellerinnen zu 2 und 3 sind dem Verfahren später beigetreten. Über die Klage ist erstinstanzlich noch nicht entschieden.
Mit Schriftsatz vom 7. Juni 2016 haben die Antragstellerinnen beantragt, ihnen die Benutzung der geschützten Erfindung durch einstweilige Verfügung gemäß § 85 Abs. 1** PatG vorläufig zu gestatten.
Bundespatentgericht gestattet vorläufigen Vertrieb von Isentress
Das Bundespatentgericht wies nach Einholung eines Sachverständigengutachtens den nicht auf einzelne Abgabeformen beschränkten Hauptantrag der Antragstellerinnen zurück. Auf ihren Hilfsantrag gestattete es ihnen vorläufig den
Bemühungen um Zustimmung zur Nutzung der Erfindung ausreichend
Der Bundesgerichtshof bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung des Bundespatentgerichts. Wie die Vorinstanz gelangte der Bundesgerichtshof zu dem Ergebnis, dass die vorgerichtlichen Bemühungen der Antragstellerinnen, eine Zustimmung zur Nutzung der Erfindung zu angemessenen geschäftsüblichen Bedingungen zu erlangen, unter den besonderen Gegebenheiten des zu entscheidenden Einzelfalls - insbesondere im Hinblick auf den ungewissen Ausgang des Einspruchsverfahrens - ausreichend waren.
Öffentliches Interesse an Erteilung einer Zwangslizenz ausreichend glaubhaft gemacht
Der Bundesgerichtshof teilt ferner die Einschätzung des Bundespatentgerichts, dass ein
Erläuterungen
* - § 24 Abs. 1 Patentgesetz
(1) Die nicht ausschließliche Befugnis zur gewerblichen Benutzung einer Erfindung wird durch das Patentgericht im Einzelfall nach Maßgabe der nachfolgenden Vorschriften erteilt (Zwangslizenz), sofern
1.der Lizenzsucher sich innerhalb eines angemessenen Zeitraumes erfolglos bemüht hat, vom Patentinhaber die Zustimmung zu erhalten, die Erfindung zu angemessenen geschäftsüblichen Bedingungen zu benutzen, und
2. das öffentliche Interesse die Erteilung einer Zwangslizenz gebietet.
** - § 85 Abs. 1 Patentgesetz
(1) In dem Verfahren wegen Erteilung der Zwangslizenz kann dem Kläger auf seinen Antrag die Benutzung der Erfindung durch einstweilige Verfügung gestattet werden, wenn er glaubhaft macht, dass die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 bis 6 vorliegen und dass die alsbaldige Erteilung der Erlaubnis im öffentlichen Interesse dringend geboten ist.
Werbung
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 11.07.2017
Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online
- Bundespatentgericht, Urteil vom 31.08.2016
[Aktenzeichen: 3 LiQ 1/16 (EP)]
- Missbrauch einer beherrschenden Stellung: Täuschung von Gerichten und Patentämtern zur Wahrung des Monopols auf dem Arzneimittelmarkt rechtswidrig
(Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 06.12.2012
[Aktenzeichen: C-457/10 P]) - Bundespatentamt erklärt Patent auf Asthmamedikament für nichtig
(Bundespatentgericht, Urteil
[Aktenzeichen: 3 Ni 15/08])
Urteile sind im Original meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst kostenlose-urteile.de alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.
Dokument-Nr. 24533
Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://www.kostenlose-urteile.de/Urteil24533
Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.
Senden Sie uns diese Entscheidungen doch einfach für kostenlose-urteile.de zu. Unsere Redaktion schaut gern, ob sich das Urteil für eine Veröffentlichung eignet.