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Bundessozialgericht, Urteil vom 04.04.2006
- B 1 KR 7/05 R und B 1 KR 12/05 R -
Anspruch auf Chemotherapie mit einem aus Kanada beschafften Arzneimittel
Bundessozialgericht setzt Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts um
Das Bundessozialgericht hat erstmals die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in dessen Beschluss vom 6. Dezember 2005 zur Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen bei der Behandlung lebensbedrohlicher, regelmäßig tödlich verlaufender Erkrankungen umgesetzt.
Das Bundesverfassungsgericht räumt Versicherten in besonderen Ausnahmesituationen das Recht ein, sich auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung auch mit nicht allgemein anerkannten Methoden ärztlich behandeln zu lassen. Das Bundessozialgericht hat seine bisherige Rechtsprechung erweitert und den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts sinngemäß auch auf den Bereich der Arzneimittelversorgung übertragen.
In dem vom Bundessozialgericht entschiedenen Fall ging es um die Behandlung einer an Krebs erkrankten Versicherten. Zur Nachbehandlung eines ihr 2002 im Darmbereich entfernten, bereits metastasierenden Karzinoms war in Deutschland keine anerkannte Behandlung verfügbar, weil der zur Chemotherapie zugelassene Arzneimittelwirkstoff "5-FU" bei der Versicherten schwere Nebenwirkungen auslöste. Die Therapie mit "5-FU" musste bei ihr abgebrochen werden. Das Bundessozialgericht hat die Krankenkasse zur Kostenübernahme für das Mittel Tomudex® verurteilt. Dieses Arzneimittel ist in Deutschland und bei der EU-Zulassungsbehörde nicht zugelassen. Es wurde im Einzelimport aus Kanada beschafft, wo es eine Zulassung besitzt. Die streitige Behandlung der bereits mit großer Todesgefahr verbundenen Krankheit bot im Sinne der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts eine "auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf eine positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf". Wird eine solche Behandlung nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt und hat der Versicherte der Therapie nach entsprechender ärztlicher Aufklärung trotz zu befürchtender Gefahren und Nebenwirkungen ausdrücklich zugestimmt, darf die Krankenkasse die Leistung nicht verweigern.
Hingegen hat das Bundessozialgericht in einem weiteren Fall den Anspruch eines an einem lokal begrenzten Prostata-Karzinom leidenden Versicherten auf Gewährung einer 2002 ambulantärztlich durchgeführten sog permanenten Brachytherapie verneint. Bei dieser Therapieform werden strahlende Jodteilchen lebenslang in den Körper eingesetzt. Für die Behandlung stand hier mit der Prostatatektomie eine medizinische Standardtherapie zur Verfügung. Hinweise auf Metastasierungen gab es beim Versicherten nicht. Eine positive Empfehlung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen zur sog permanenten Brachytherapie lag nicht vor, ohne dass dies auf ein zögerlich betriebenes Anerkennungsverfahren zurückzuführen war.
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 28.04.2006
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 13/06 des BSG vom 05.04.2006
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