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Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 21.09.2016
- 2 BvL 1/15 -
BVerfG erklärt Strafvorschrift im Rindfleischetikettierungsgesetz für verfassungswidrig
Sanktionierungen bei Verstößen gegen unionsrechtliche Vorgaben in Blankettstrafgesetz nicht hinreichend klar erkennbar
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Strafvorschrift in § 10 Abs. 1 und 3 Rindfleischetikettierungsgesetz (RiFlEtikettG) mit den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen (Art. 103 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG sowie Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG) unvereinbar und nichtig. Zwar darf der Gesetzgeber die Beschreibung eines Straftatbestandes durch Verweisung auf eine andere Vorschrift ersetzen (Blankettstrafgesetz). Die Verweisung in § 10 Abs. 1 RiFlEtikettG lässt jedoch nicht hinreichend klar erkennen, welche Verstöße gegen unionsrechtliche Vorgaben sanktioniert werden sollen.
Mit Urteil vom 31. Mai 2012 verurteilte das Amtsgericht Tiergarten den geständigen Angeklagten des Ausgangsverfahrens wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen das Rindfleischetikettierungsgesetz zu einer Geldstrafe. Das Landgericht Berlin hat das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage der Verfassungsmäßigkeit von § 10 Abs. 1 und 3 RiFlEtikettG zur Entscheidung vorgelegt (Art. 100 Abs. 1 GG). Es hält die Strafvorschrift wegen Verstoßes gegen die Bestimmtheitsanforderungen (Art. 103 Abs. 2, Art. 104 Abs. 1 Satz 1 und Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG) für eine unzulässige Blankettstrafnorm.
Tat kann nur bei tatsächlich gesetzlich bestimmter Strafbarkeit bestraft werden
Das Bundesverfassungsgericht verwies in seiner Entscheidung darauf, dass Art. 103 Abs. 2 GG gewährleistet, dass eine Tat nur bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Dadurch soll zum einen sichergestellt werden, dass der
Gesetzgeber hat selbst Voraussetzungen der Strafbarkeit zu bestimmen
In seiner Funktion als Bestimmtheitsgebot enthält Art. 103 Abs. 2 GG die Verpflichtung, wesentliche Fragen der Strafwürdigkeit oder Straffreiheit im demokratisch-parlamentarischen Willensbildungsprozess zu klären. Der
Blankettstrafgesetz muss Voraussetzungen der Strafbarkeit hinreichend klar beschreiben
Bei einem Blankettstrafgesetz ersetzt der
Blankettstrafnorm erfüllt im vorliegenden Fall Bestimmtheitsanforderungen nicht
Diesen Bestimmtheitsanforderungen (Art. 103 Abs. 2, Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG) wird § 10 Abs. 1 und 3 RiFlEtikettG nicht gerecht. § 10 Abs. 1 RiFlEtikettG ist eine Blankettstrafnorm, die die Strafandrohung nach Art und Maß der Strafe regelt, den Straftatbestand aber lediglich als Zuwiderhandlung gegen eine unmittelbar geltende
Ermächtigungsnorm hat von Verfassungs wegen nur hinreichend bestimmt zu sein
§ 10 Abs. 3 RiFlEtikettG genügt darüber hinaus auch nicht den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG. Gesetze, die zum Erlass von Rechtsverordnungen ermächtigen, müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmen (Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG). Danach soll sich das Parlament seiner Verantwortung als gesetzgebende Körperschaft nicht dadurch entäußern können, dass es einen Teil der Gesetzgebungsmacht der Exekutive überträgt. Die Ermächtigungsnorm muss in ihrem Wortlaut nicht so genau wie irgend möglich gefasst sein; sie hat von Verfassungs wegen nur hinreichend bestimmt zu sein.
BVerfG rügt unzulässige pauschale Blankoermächtigung
§ 10 Abs. 3 RiFlEtikettG fehlt es - auch in Verbindung mit § 10 Abs. 1 RiFlEtikettG - an einer gesetzgeberischen Entscheidung zu Inhalt und Programm der erteilten Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung. Es ist weder erkennbar noch vorhersehbar, in welchen Fällen und mit welcher Tendenz der Verordnungsgeber von dieser Ermächtigung Gebrauch machen wird und welchen Inhalt die aufgrund der Ermächtigung erlassene Verordnung haben kann. Es handelt sich daher um eine unzulässige pauschale Blankoermächtigung zur Schaffung von Straftatbeständen bei Verstößen gegen gemeinschaftsrechtliche Regelungen zur Rindfleischetikettierung.
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 07.11.2016
Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online
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Dokument-Nr. 23385
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