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Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 04.05.2010
2 BvL 8/07, 2 BvL 9/07 -

BVerfG: Luftsicherheitsgesetz bedurfte nicht der Zustimmung des Bundesrates

Gesetz zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben beinhaltet keine grundlegende Umgestaltung der übertragenen Aufgaben der Länder

Der Widerruf von Lizenzen von Privatluftfahrzeugführern wegen Verweigerung einer erforderlichen Zuverlässigkeitsüberprüfung nach dem Luftsicherheitsgesetz ist verfassungsrechtlich zulässig. Das Gesetz zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben bedurfte keiner Zustimmung des Bundesrates. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht.

Das Verwaltungsgericht Darmstadt hat in zwei Verfahren dem Bundesverfassungsgericht gesetzliche Regelungen im Wege der Normenkontrolle vorgelegt, die die Überprüfung der Zuverlässigkeit von Luftfahrern betreffen (§ 7 Abs. 1 Nr. 4 Luftsicherheitsgesetz in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Luftverkehrsgesetz). Das Luftsicherheitsgesetz wurde im Januar 2005 als Artikel 1 des Gesetzes zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben erlassen. Den Vorlagebeschlüssen liegen Klagen von Privatpiloten zugrunde, die sich gegen den Widerruf von Luftfahrerscheinen für das Führen von Privatflugzeugen und Segelflugzeugen wenden. Die Fluglizenzen waren widerrufen worden, weil die Kläger sich nicht der nach dem Luftsicherheitsgesetz erforderlichen Zuverlässigkeitsüberprüfung unterzogen beziehungsweise die erforderlichen Nachweise nicht erbracht hatten. Das Verwaltungsgericht ist der Auffassung, die Regelungen, nach denen die Kläger der Ausgangsverfahren dem Erfordernis einer Zuverlässigkeitsüberprüfung unterliegen, seien verfassungswidrig, weil das Luftsicherheitsgesetz der Zustimmung des Bundesrates bedurft hätte.

Bestimmungen sind verfassungsmäßig

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die zur Prüfung gestellten Bestimmungen verfassungsmäßig sind.

Zustimmung des Bundesrates nicht erforderlich

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:

Das Gesetz zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben, als dessen Bestandteil das Luftsicherheitsgesetz erlassen wurde, bedurfte nicht der Zustimmung des Bundesrates.

Luftsicherheitsgesetz verpflichtet Länder nicht zur Schaffung neuer Behörden

Eine Zustimmungsbedürftigkeit ergibt sich nicht daraus, dass das Gesetz Regelungen zur Einrichtung der Behörden (Art. 85 Abs. 1 Satz 1 GG) enthielte. Das Luftsicherheitsgesetz verwendet zwar den Begriff der Luftsicherheitsbehörden, verpflichtet die Länder aber nicht zur Schaffung neuer Behörden und berührt auch nicht in sonstiger Weise die Befugnis der Länder zur Organisation ihrer Behörden.

Gesetz war in keiner Weise zustimmungsbedürftig

Das Gesetz war nicht wegen darin enthaltener Regelungen zum Verwaltungsverfahren zustimmungsbedürftig. Art. 85 Abs. 1 Satz 1 GG begründet nach seinem Wortlaut kein Zustimmungserfordernis für Regelungen des Verwaltungsverfahrens. Das Gesetz bedurfte nicht der Zustimmung gemäß Art. 87d Abs. 2 GG. Nach dieser Vorschrift können Aufgaben der Luftverkehrsverwaltung den Ländern (nur) mit Zustimmung des Bundesrates als Auftragsverwaltung übertragen werden.

„Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs“ war Ländern bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes übertragen

Eine gesetzliche Regelung „überträgt“ den Ländern Aufgaben, soweit sie ihnen Aufgaben zuweist, die ihnen zuvor nicht oblagen. Danach kommt es zunächst auf einen Vergleich der den Ländern übertragenen Aufgaben vor und nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben an. Dieser Vergleich ergibt, dass das Gesetz keine zusätzlichen Aufgaben übertragen hat. Bereits vor seinem Inkrafttreten war den Ländern durch das Luftverkehrsgesetz der „Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs“ übertragen. Das Gesetz zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben hat den Ländern keine Aufgaben zugewiesen, die aus dem Rahmen dieser bereits früher zugewiesenen Aufgabe fallen.

Zustimmungsbedürftigkeit besteht nur bei strukturellen oder schwerwiegenden Veränderungen der übertragenen Aufgaben

Allerdings können auch bloße Veränderungen in der Ausgestaltung einer bereits übertragenen Aufgabe ausnahmsweise der Sache nach eine Übertragung neuer Aufgaben darstellen und daher der Zustimmung bedürfen, wenn sie der übertragenen Aufgabe eine wesentlich andere Bedeutung und Tragweite verleihen. Die bloß quantitative Erhöhung der Aufgabenlast genügt dazu aber grundsätzlich nicht. Sie stellt jedenfalls dann keine wesentliche Veränderung der Bedeutung und Tragweite einer gemäß Art. 87d Abs. 2 GG übertragenen Aufgabe dar, wenn die Wahrnehmung der übertragenen Aufgabe dadurch nicht strukturell oder in anderer Weise schwerwiegend verändert wird. Eine derart grundlegende Umgestaltung der übertragenen Aufgabe ist mit dem Gesetz zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben nicht erfolgt.

Keine Zustimmungserfordernis bei Rücknahme von Aufgaben

Die Bestimmungen, die es dem Bund ermöglichen, zuvor den Ländern übertragene Aufgaben der Luftsicherheitsbehörden wieder an sich zu ziehen (§ 16 Abs. 3 Satz 2 und 3 LuftSiG), lösen ebenfalls kein Zustimmungserfordernis aus. Sie regeln nicht die nach dem Wortlaut des Art. 87d Abs. 2 GG allein zustimmungsbedürftige Übertragung von Aufgaben an die Länder. Zwingende Gründe, die ein vom Wortlaut abweichendes Verständnis rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. An der besonders gewichtigen Berührung der förderalen Ordnung und des Interessenbereichs der Länder, der die grundgesetzlichen Erfordernisse einer Zustimmung des Bundesrates Rechnung tragen, fehlt es, wenn den Ländern ein Aufgabenbereich entzogen wird, der ihnen nach der primären grundgesetzlichen Aufgabenzuordnung (vgl. Art. 87d Abs. 1 Satz 1 GG) ohnehin nicht zugewiesen ist.

Normen verstoßen weder gegen Grundrechte noch gegen Rechtsstaatsprinzip

Die Normen, nach denen die Kläger der Ausgangsverfahren der Zuverlässigkeitsüberprüfung unterliegen, sind auch materiell verfassungsgemäß. Sie verstoßen weder gegen Grundrechte noch gegen das Rechtsstaatsprinzip.

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 14.06.2010
Quelle: ra-online, Bundesverfassungsgericht

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