Hier beginnt die eigentliche Meldung:
Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 27.05.2019
- C-508/18, C-82/19 und C-509/18 -
Deutsche Staatsanwaltschaften dürfen keinen Europäischen Haftbefehl ausstellen
Staatsanwaltschaften bieten keine hinreichende Gewähr für Unabhängigkeit gegenüber der Exekutive
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, dass die deutschen Staatsanwaltschaften keine hinreichende Gewähr für Unabhängigkeit gegenüber der Exekutive bieten, um zur Ausstellung eines Europäischen Haftbefehls befugt zu sein. Der Generalstaatsanwalt von Litauen bietet hingegen eine solche Gewähr für Unabhängigkeit.
In den zugrunde liegenden Verfahren wandten sich zwei litauische Staatsangehörige und ein rumänischer Staatsangehöriger vor den irischen Gerichten gegen die Vollstreckung Europäischer Haftbefehle, die von deutschen Staatsanwaltschaften und vom Generalstaatsanwalt von Litauen zur Strafverfolgung ausgestellt wurden. Ihnen werden vorsätzliche Tötung und schwere Körperverletzung (Betroffener OG), Diebstahl mit Waffen (Betroffener PF) bzw. Bandenraub oder Raub mit Waffen (Betroffener PI) zur Last gelegt.
Betroffene halten Staatsanwaltschaften für nicht befugt zur Ausstellung eines Europäischen Haftbefehls
Die drei Betroffenen machten geltend, dass die deutschen Staatsanwaltschaften und der Generalstaatsanwalt von Litauenseien nicht zur Ausstellung eines Europäischen Haftbefehls befugt seien, da sie keine "Justizbehörde" im Sinne des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl* seien. In Bezug auf die deutschen Staatsanwaltschaften tragen OG und PI insbesondere vor, dass sie nicht von der Exekutive
Nationale Gerichte erbitten Auslegung des Rahmenbeschlusses durch EuGH
Der Supreme Court (Oberster Gerichtshof, Irland) und der High Court (Hoher Gerichtshof, Irland ersuchten den Gerichtshof der Europäischen Union in diesem Kontext um die Auslegung des Rahmenbeschlusses. Da PI sich aufgrund des gegen ihn ergangenen Europäischen Haftbefehls in Irland in Haft befindet, hat der Gerichtshof dem Antrag des High Court stattgegeben, das PI betreffende Vorabentscheidungsersuchen dem Eilvorabentscheidungsverfahren zu unterwerfen.
Deutsche Staatsanwaltschaften fallen nicht unter Begriff "ausstellende Justizbehörde"
In seinem Urteilen kam der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass die Staatsanwaltschaften eines Mitgliedstaats, die wie die deutschen Staatsanwaltschaften der Gefahr ausgesetzt sind, im Rahmen des Erlasses einer Entscheidung über die Ausstellung eines Europäischen Haftbefehls unmittelbar oder mittelbar Anordnungen oder Einzelweisungen seitens der Exekutive, etwa eines Justizministers, unterworfen zu werden, nicht unter den Begriff "ausstellende Justizbehörde" im Sinne des Rahmenbeschlusses fallen.
Von der Judikative unabhängige Generalstaatsanwalt fällt unter Begriff der "ausstellenden Justizbehörde"
Der als eine strukturell von der Judikative unabhängige Stelle für die Verfolgung von Straftaten zuständige Generalstaatsanwalt eines Mitgliedstaats wie der Generalstaatsanwalt von Litauen, dessen Status ihm eine Gewähr für
Europäische Haftbefehle stellen "justizielle Entscheidung" dar und müssen von "Justizbehörde" ausgestellt werden
Der Gerichtshof weist zunächst darauf hin, dass der Europäische
Bedeutung und Tragweite der "Justizbehörde" müssen in der gesamten Union einheitlich sein
Zwar können die Mitgliedstaaten im Einklang mit dem Grundsatz der Verfahrensautonomie in ihrem nationalen Recht die für die Ausstellung eines Europäischen Haftbefehls zuständige "Justizbehörde" bestimmen, doch dürfen Bedeutung und Tragweite dieses Begriffs nicht der Beurteilung durch jeden Mitgliedstaat überlassen bleiben, sondern müssen in der gesamten Union einheitlich sein.
Es trifft zu, dass sich der Begriff "Justizbehörde" nicht allein auf die Richter oder Gerichte eines Mitgliedstaats beschränkt, sondern so zu verstehen ist, dass er darüber hinaus die Behörden erfasst, die in diesem Mitgliedstaat an der Strafrechtspflege mitwirken, im Unterschied insbesondere zu Ministerien oder Polizeibehörden, die zur Exekutive gehören.
Der Gerichtshof geht davon aus, dass sowohl die deutschen Staatsanwaltschaften als auch der Generalstaatsanwalt von Litauen eine wesentliche Rolle im Ablauf der Strafverfahren spielen und deshalb an der Strafrechtspflege mitwirken.
Behörde muss bei Ausstellung eines Europäischen Haftbefehls unabhängig handeln
Die mit der Ausstellung eines Europäischen Haftbefehls betraute Behörde muss jedoch bei der Ausübung ihrer Aufgaben
Deutsche Staatsanwaltschaft im Einzelfall der Weisung des Justizministers unterworfen und daher nicht unabhängig
Zu den Staatsanwaltschaften in Deutschland stellt der Gerichtshof fest, dass nicht gesetzlich ausgeschlossen ist, dass ihre Entscheidung, einen Europäischen
Status des Generalstaatsanwalts von Litauen gewährleistet Gewähr für Unabhängigkeit gegenüber der Exekutive
Dagegen dürfte der Generalstaatsanwalt von Litauen als "ausstellende Justizbehörde" im Sinne des Rahmenbeschlusses einzustufen sein, denn sein Status in diesem Mitgliedstaat gewährleistet nicht nur die Objektivität seiner Aufgabe, sondern verschafft ihm auch eine Gewähr für
Erläuterungen
* - Rahmenbeschluss2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. 2002, L 190, S. 1) in der durch den Rahmenbeschluss 2009/299/JI des Rates vom 26. Februar 2009 (ABl. 2009, L 81, S. 24) geänderten Fassung.
Werbung
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 28.05.2019
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ ra-online (pm/kg)
Urteile sind im Original meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst kostenlose-urteile.de alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.
Dokument-Nr. 27457
Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://www.kostenlose-urteile.de/Urteil27457
Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.
Senden Sie uns diese Entscheidungen doch einfach für kostenlose-urteile.de zu. Unsere Redaktion schaut gern, ob sich das Urteil für eine Veröffentlichung eignet.