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Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 06.07.2007
- 3 Sa 1202/06 -
Außerordentliche Verdachtskündigungen unwirksam
Arbeitgeber muss Abschluss des Ermittlungsverfahrens gegen Arbeitnehmer abwarten
Das Hessische Landesarbeitsgericht hat entschieden, dass Verdachtskündigungen rechtsunwirksam sind, wenn der Arbeitgeber während eines laufenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens außerordentlich kündigt, ohne dass ihm neue, eine Verdachtskündigung rechtfertigende Umstände bekannt geworden sind.
Hintergrund des Rechtsstreits sind mehrere fristlose Kündigungen, die der beklagte Arbeitgeber gegenüber seinem ehemaligen Abteilungsleiter der Sportredaktion ausgesprochen hat. Nachdem sich der Vorwurf von Unregelmäßigkeiten gegenüber dem Abteilungsleiter ergeben hatte, hatten sich die Parteien im März 2004 darauf geeinigt, dass der Mitarbeiter nur noch in der Funktion eines Redakteurs der Sportredaktion im Rahmen eines Altersteilzeitverhältnisses tätig werden sollte. Kurze Zeit später wurde auch ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet. Dem Mitarbeiter wurde vorgeworfen, über Firmen, an denen seine Ehefrau beteiligt war, erhebliche Geldbeträge erlangt zu haben, indem Zuschüsse zu Produktionskosten nicht in dem notwendigen Maße an seinen Arbeitgeber weitergeleitet worden seien. Darüber hinaus seien Firmen, die über das Unternehmen seiner Ehefrau Produktionen erstellen ließen, bevorzugt bei der Ausstrahlung von Sportsendungen berücksichtigt worden. Als im Juni 2005 ein Haftbefehl gegen den Mitarbeiter und Durchsuchungsbeschlüsse im Rahmen des Ermittlungsverfahrens erlassen wurden, sprach der Arbeitgeber tagesgleich zwei Verdachtskündigungen sowie einige Wochen später eine außerordentliche Tatkündigung aus. Der Mitarbeiter erhob gegen alle Kündigungen Klage vor dem Arbeitsgericht.
Das Arbeitsgericht hat der Klage durch Teilurteil im Hinblick auf die beiden Verdachtskündigung stattgegeben.
Die gegen dieses Teilurteil des Arbeitsgerichts gerichtete Berufung des Arbeitgebers hatte keinen Erfolg. Auch das Hessische Landesarbeitgericht ist zu der Auffassung gekommen, die Verdachtskündigungen seien unwirksam.
Voraussetzung für die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung sei, dass der Arbeitgeber die Zweiwochenfrist zum Ausspruch einer solchen Kündigung beachtet. Zwar sei es ihm unter dem Gesichtspunkt der Einhaltung der Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB gestattet, den Ausgang eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens abzuwarten, um so Klarheit zu gewinnen, ob der Arbeitnehmer die Pflichtwidrigkeit/Straftat begangen hat oder nicht. Dann müsse der Arbeitgeber jedoch grundsätzlich auch den Ausgang eines solchen Verfahrens abwarten, bevor er eine Kündigung ausspricht. Dies gelte im Regelfall auch, wenn die Staatsanwaltschaft im Rahmen ihres Ermittlungsverfahrens von den ihr nach der Strafprozessordnung zur Verfügung stehenden Ermittlungsmaßnahmen wie einer Durchsuchung Gebrauch macht oder wenn ein Haftbefehl ergeht, um Störungen der Tatsachenermittlung zu verhindern.
Derartige Umstände können den Arbeitgeber unter Umständen dazu berechtigen, selbst weitere Ermittlung durchzuführen. Entscheide sich der Arbeitgeber dazu, selbst weitere Ermittlungen einzuleiten, muss er diese Ermittlungen zügig durchführen, um dann ggf. nach Erlangung neuer Fakten kündigen zu können.
Der Verdacht einer strafbaren Handlung ermöglicht es dem Arbeitgeber jedoch nicht, in der Zeit eines laufenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens zu irgendeinem beliebigen Zeitpunkt eine fristlose Kündigung auszusprechen.
Deshalb waren die beiden Verdachtskündigung im zu entscheidenden Verfahren rechtlich zu beanstanden. Der Arbeitgeber habe nicht kündigen dürfen, weil das Ermittlungsverfahren noch nicht abgeschlossen war. Unabhängig davon hätte er nach Auffassung des Hessischen Landesarbeitsgerichts auch die von ihm eingeleiteten Ermittlungsmaßnahmen (Antrag auf Akteneinsicht bei der Staatsanwaltschaft) zu Ende führen müssen, um dann zu entscheiden, ob eine Kündigung ausgesprochen werden soll. Unter diesem Gesichtspunkt waren die streitgegenständlichen Verdachtskündigungen verfrüht ausgesprochen worden. Vorinstanz: Arbeitsgericht Frankfurt vom 14. Juni 2006 - 9 Ca 6631/05
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 06.07.2007
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 07/07 des LAG Hessen vom 06.07.2007
- Arbeitsgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 14.06.2006
[Aktenzeichen: 9 Ca 6631/05]
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Dokument-Nr. 4507
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