Der Antragsteller studiert seit drei Semestern an einer privaten Hochschule (Antragsgegnerin). Er wendet sich gegen die von der Hochschule ausgesprochene fristlose Kündigung seines Studienvertrags. Traditionell findet an der Hochschule zum Start des Wintersemesters eine Einführungswoche statt, in der Studierende aus höheren Semestern (sog. „Paten“) die neuen Erstsemester (sog. „Patenkinder“) in einer von der Hochschule vorab eingeteilten „Patengruppe“ betreuen und sie in das Hochschulleben einführen. Aufgrund in der Vergangenheit stattgefundener Trinkgelage anlässlich des Semesterstarts teilte die Hochschule per E-Mail allen Studierenden mit, dass dies von Seiten der Hochschule unerwünscht sei und mit entsprechenden Konsequenzen bis zur Kündigung des Studienvertrags geahndet werde. Der Antragsteller übernahm zum Start des Wintersemesters 2023/24 gemeinsam mit anderen Drittsemesterstudenten eine Patengruppe, bestehend aus 5 Erstsemesterstudenten. In der Einführungswoche luden die „Paten“ die Erstsemesterstudenten zu einer privaten Feier ein. Der Abend endete unter anderem damit, dass ein Erstsemesterstudent im Bad völlig betrunken lag und ein anderer Erstsemesterstudent erheblich alkoholisiert von einem Krankentransportwagen in eine Klinik gebracht werden musste. Die Hochschule kündigte dem Antragsteller fristlos und sprach ein Hausverbot aus, da er als Mitglied der „Patengruppe“ die ihm zugewiesenen Erstsemesterstudenten massiv unter psychischen Druck gesetzt habe, Alkohol zu konsumieren. Der Antragsteller hat Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt mit dem Ziel, an der Hochschule weiter zu studieren.
Das LG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Auf der Grundlage des im einstweiligen Verfügungsverfahren vorliegenden Sach- und Streitstands ist die von der Hochschule ausgesprochene Kündigung rechtmäßig. Der Antragsteller hat schuldhaft gegen seine Pflichten aus dem Studienvertrag, alles zu unterlassen, was geeignet ist, das Ansehen der Hochschule zu beeinträchtigen, schuldhaft verstoßen. Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen ist der Hochschule eine Fortsetzung des Studienvertrages nicht mehr zumutbar. Bei ihrer Entscheidung hat das LG berücksichtigt, dass es grundsätzlich nicht zur (einschneidenden Rechtsfolge der) Kündigung des Studienvertrags führen muss, wenn sich erwachsene Studierende, zumal in der Privatwohnung, zusammen betrinken, auch wenn dies – wie hier geschehen – eskaliert.
Vorliegend hat das LG aber deutliche und besondere Umstände, die in diesem Einzelfall eine gravierende Pflichtverletzung des Antragstellers gegenüber der Hochschule begründen und die ihr das Festhalten am Studienvertrag unzumutbar machen: Der Antragsteller veranstaltete die Feier zwar in seiner Privatwohnung, aber in seiner Funktion als „Pate“ mit den ihm von Seiten der Hochschule zugeteilten „Patenkindern“. Er hatte damit eine ihm von der Hochschule eingeräumte offizielle Position inne, die das Bild der Hochschule gegenüber neuen Studierenden prägt und mitbestimmt. Im Falle eines Krankenwageneinsatzes wegen eines stark betrunkenen Erstsemesterstudenten ist zudem das Bild der Hochschule in der Öffentlichkeit betroffen und damit offensichtlich geeignet, deren öffentliches Ansehen zu beeinträchtigen. Außerdem hatte die Hochschule wegen ähnlicher Eskalationen in der Vergangenheit alle Studierenden ausdrücklich gewarnt und mit entsprechenden Konsequenzen bis zur fristlosen Kündigung des Studienvertrags gedroht. Der Antragsteller war also vorgewarnt und kann sich nicht auf ein übliches und stillschweigend geduldetes Verhalten gegenüber Neuankömmlingen berufen, das bekanntermaßen in Burschenschaften in früheren Zeiten gang und gäbe war. Insbesondere unter diesem Aspekt erscheint die fristlose Kündigung des Studienvertrages auch im Ergebnis nicht unverhältnismäßig.
Kern der Vorwerfbarkeit ist, dass der Antragsteller gegenüber den ihm von der Hochschule zugewiesenen Erstsemesterstudenten seine sozial überlegene Position als Drittsemester und seine offizielle Funktion als Pate genutzt hat, um im Rahmen eines Treffens neue Studierende der WHU massiv unter psychischen Druck zu setzten, Alkohol zu konsumieren, um kein Außenseiter zu sein und Teil der Hochschulgemeinschaft zu werden. Die Drohung mit sozialer Isolation von Seiten eines erfahreneren Studenten, zumal in einer kleinen Hochschule, ist geeignet, einen neuen Studenten einzuschüchtern und in eine Zwangslage zu versetzen. Insofern ist nachvollziehbar, dass die Erstsemester nicht einfach aus der Wohnung der ihnen von ihrer Universität zugeteilten „Paten“ weggegangen sind.