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Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 27.10.2006
- 24 U 121/06 -
Fehler bei Rechtsschutz: Gewerkschaft haftet wie ein Anwalt
Rechtliches und wirtschaftliches Interesse des Mandanten ist ausschlaggebend für die Rechtsverfolgung
Gewerkschaften, die Mitgliedern Rechtsschutz bieten, müssen bei einer mangelhaften Beratung wie ein Anwalt haften. Das hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main entschieden.
Im Fall hatte eine Gewerkschaft einen Arbeitnehmer erfolgreich in einem Kündigungsschutzprozess vertreten, der sich über mehrere Jahre hingezogen hatte. Als der Arbeitnehmer nach dem Prozess den ausstehenden Lohn vom Arbeitgeber verlangte, verwies dieser ihn darauf, dass die Zahlungsansprüche aus den Jahren 2000 und 2001 mittlerweile verjährt seien. Diese Ansprüche verlangte er nun von der Gewerkschaft.
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main verurteilte die Gewerkschaft zur Zahlung von über 69.000,- EUR aus dem rechtlichen Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung. Es führte aus, dass die Gewerkschaft ihre vertraglichen Beratungspflichten verletzt habe, indem sie es unterlassen habe, den Arbeitnehmer auf die notwendige klageweise Verfolgung seiner Zahlungsansprüche hinzuweisen, um die drohende Verjährung abzuwenden.
Die Gewerkschaft sei mit der Übernahme des Mandats - wie ein Rechtsanwalt - verpflichtet, die Interessen des Auftraggebers im Rahmen des Mandats nach jeder Richtung und umfassend wahrzunehmen. Sie habe ihr Verhalten so einzurichten, dass Schädigungen ihres Auftraggebers, mochte deren Möglichkeit auch nur von einem Rechtskundigen vorausgesehen werden können, vermieden würden.
Daraus würden sich die konkreten Pflichten ergeben, dass das Mandat nicht förmlich im Sinnes des konkreten Auftrages (hier: Kündigungsschutzklage) sondern vielmehr im Sinne des rechtlichen und wirtschaftlichen Interesses des Mandanten zu verstehen sei. Dieses rechtliche und wirtschaftliche Interesse, die Zielrichtung des Mandats "auszuloten" sei Teil der beratenden und aufklärenden Aufgaben des Anwalts wie der im Rechtsschutzbereich tätigen Gewerkschaft.
Für einen fachkundigen Berater habe es auf der Hand gelegen, dass es dem Arbeitnehmer nicht nur um die ausdrücklich beauftragte Kündigungsschutzklage ging, sondern vielmehr um den Fortbestand der Ansprüche auf Auszahlung des laufenden Gehalts, denn ganz offensichtlich sei der primäre Zweck jeglicher Berufstätigkeit, Einkommen aus der Berufstätigkeit zu erzielen.
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1. Mit der Übernahme des Auftrages zur Gewährung gewerkschaftlichen Rechtsschutzes ist die Gewerkschaft - nicht anders als ein in gleichartigem Mandat tätiger Rechtsanwalt - verpflichtet, die Interessen des Auftraggebers im Rahmen dieses Auftrages umfassend wahrzunehmen.
2. Der Begriff des Mandates ist nicht förmlich im Sinne des konkreten Klageauftrages zu verstehen, vielmehr im Sinne des rechtlichen und wirtschaftlichen Interesses, das der Auftraggeber mit der Erteilung des Mandates erkennbar verfolgt.
3. Richtet sich der Rechtsschutzauftrag auf die Erhebung der Kündigungsschutzklage, dann ist die Gewerkschaft - wie der in entsprechendem Mandat tätige Anwalt - verpflichtet, das Mitglied auf die Notwendigkeit einer Sicherung fortbestehender Ansprüche auf Zahlung des laufenden Gehaltes gegen drohende Verjährung hinzuweisen.
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 20.04.2007
Quelle: ra-online
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Dokument-Nr. 4117
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