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Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 17.03.2016
- 5 Ws 88/16 -
Nordrhein-westfälisches Untersuchungshaftvollzugsgesetz erlaubt keine Zwangsmedikation
Anordnung der Zwangsmedikation bedarf besonderer gesetzlicher Grundlage
Die Zwangsmedikation eines in Untersuchungshaft Inhaftierten kann nicht auf der Grundlage des nordrhein-westfälischen Untersuchungshaftvollzugsgesetzes (UVollzG NRW) erfolgen. Sie bedarf vielmehr einer besonderen gesetzlichen Grundlage, die die Zulässigkeit des Eingriffs klar und bestimmt regelt. Dies entschied das Oberlandesgericht Hamm und bestätigte damit den erstinstanzlichen Beschluss des Landgerichts Arnsberg.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der im Jahr 1988 geborene Angeklagte befindet sich seit September 2015 in
Krankenhausleitung beantragt Anordnung zur Zwangsmedikation
In der Zeit seiner
Schwurgericht lehnt Zwangsmedikation mangels gesetzlicher Grundlage ab
Mit Beschluss seines Vorsitzenden lehnte das Arnsberger Schwurgericht die Zwangsmedikation ab, weil es für diese keine hinreichende
Medizinische Behandlung gegen den Willen des Betroffenen stellt besonders schwer wiegenden Grundrechtseingriff dar
Das Oberlandesgerichts Hamm bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung. Das nordrhein-westfälische Untersuchungshaftvollzugsgesetz enthalte keine Rechtsgrundlage für eine Zwangsmedikation, so das Gericht. Die medizinische Behandlung eines Untersuchungsgefangenen gegen seinen Willen sei ein besonders schwer wiegender Grundrechtseingriff, der nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur auf der Grundlage eines Gesetzes erfolgen könne. Dieses müsse die formellen und materiellen Voraussetzungen für den Grundrechtseingriff hinreichend klar und bestimmt regeln.
Vorschrift wird verfassungsgerichtlichen Vorgaben nicht gerecht
Den verfassungsgerichtlichen Vorgaben werde die Vorschrift des § 28 UVollzG NRW nicht gerecht, soweit auf sie eine medizinische
Zwangsmedikation kann nicht unter dem Gesichtspunkt einer im Einzelfall notwendigen Gefahrenabwehr gerechtfertigt werden
Entgegen der vom Leiter des Justizvollzugskrankenhauses vertretenen Ansicht könne eine Zwangsmedikation in Anwendung des § 28 UVollzG NRW nicht allein unter dem Gesichtspunkt einer im Einzelfall notwendigen Gefahrenabwehr gerechtfertigt werden. Den insoweit vorliegenden Mängeln der gesetzlichen Regelung könne nicht im Wege einer verfassungskonformen Auslegung abgeholfen werden, die Defizite könne nur der Gesetzgeber beheben.
Anmerkung:
§ 28 UVollzG NRW (Zwangsmaßnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge) lautet wie folgt:
Hält der ärztliche Dienst die Durchführung von Zwangsmaßnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge für unerlässlich und ordnet das Gericht diese an, so dürfen die Maßnahmen nur unter ärztlicher Leitung durchgeführt werden, unbeschadet der Leistung erster Hilfe für den Fall, dass eine Ärztin oder ein Arzt nicht rechtzeitig erreichbar und mit einem Aufschub Lebensgefahr verbunden ist. Zur Durchführung der Maßnahmen besteht keine Verpflichtung, solange von einer freien Willensbestimmung der Untersuchungsgefangenen ausgegangen werden kann.
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 01.04.2016
Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online
- BVerfG: Medizinische Zwangsbehandlung eines im Maßregelvollzug untergebrachten Strafgefangenen unzulässig
(Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12.10.2011
[Aktenzeichen: 2 BvR 633/11]) - Keine hinreichende gesetzliche Grundlage für eine betreuungsrechtliche Zwangsbehandlung
(Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.06.2012
[Aktenzeichen: XII ZB 99/12 und XII ZB 130/12])
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Dokument-Nr. 22413
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