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Oberlandesgericht Nürnberg, Urteil vom 23.03.1999
- 3 U 3977/98 -
Grenzen zulässiger Anwaltswerbung im Internet
Präsentation auf eigener Homepage erlaubt - öffentlich einsehbares "Gästebuch" unzulässig
Auch Rechtsanwälte dürfen sich im Internet mit einer eigenen Homepage präsentieren, - vorausgesetzt, die Selbstdarstellung bleibt sachlich und verzichtet auf reklamehafte Anpreisungen. Bei einem "Gästebuch", in dem jeder Homepage-Besucher die wirklichen oder vermeintlichen Leistungen des Anwalts unkontrolliert kommentieren kann, ist die gebotene Zurückhaltung jedoch nicht gewährleistet.
Um es gar nicht erst zu unzulässiger Werbung kommen zu lassen, untersagte deshalb das Oberlandesgericht Nürnberg einem Rechtsanwalt, im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit ein öffentlich zugängliches Internet-Gästebuch anzubieten.
Das Gericht gab damit der Unterlassungsklage anderer Rechtsanwälte statt. Diese befürchteten offenbar, durch allzu stark aufgetragene Lobeshymnen seiner Mandanten könnte sich ihr Konkurrent unlautere Wettbewerbsvorteile verschaffen.
Der Beklagte hatte sich dagegen auf den Standpunkt gestellt, das von ihm zur Verfügung gestellte Gästebuch sei für sich allein genommen "inhaltslos". Schon deshalb stelle es keine Werbung dar. Sollten ihm Internet-Besucher im Gästebuch übermäßiges Lob aussprechen, dann geschehe dies ohne sein Zutun. Es sei für jedermann klar erkennbar, daß es sich hierbei um Äußerungen Dritter handele, für die er nicht verantwortlich sei.
Dieser Argumentation des Beklagten folgte das Oberlandesgericht Nürnberg nicht. Bei objektiver Betrachtung habe das Gästebuch durchaus werbenden Charakter, befanden die Richter. Weiter heißt es im Urteil (Auszug aus den Urteilsgründen):
"Das Gästebuch ist Teil der Homepage. Zwar mag sie bis zu ihrer Nutzung durch einen "Gast" als elektronisches Medium "inhaltslos" sein, wie der Beklagte meint. Sie wird aber durch die Eintragungen ... und durch das Abrufen der Eintragungen ... mit Inhalten gefüllt, was schließlich auch den alleinigen Sinn und Zweck des Vorhaltens eines Gästebuchs durch den Beklagten darstellt. Damit ist das Gästebuch Teil der Werbung, wie sie von der Einrichtung einer Homepage ausgeht.
Das Gästebuch hat auch nach den Vorstellungen des Beklagten die Aufgabe, ein Forum für allgemeine Mitteilungen jedem beliebigen Dritten, der über einen Internet-Anschluß verfügt, zu bieten. Dabei versteht sich von selbst, daß sich Lob und Kritik, wie sie auch vom Beklagten erwartet werden, nicht nur auf die inhaltliche und formale Gestaltung der Homepage beziehen werden. Es entspricht vielmehr der Lebenserfahrung, daß entsprechend den Gepflogenheiten von Gästen im Umgang mit den althergebrachten, also nicht der virtuellen, sondern der realen Gästebücher, z.B. in Hotels, Lob und Kritik an der beruflichen Leistung des Gästebuch-"Auflegers" ... geübt wird, wobei in der Regel das erwartete Lob im Vordergrund stehen wird. Die Äußerungen der Gästebuch-Nutzer macht sich der Beklagte durch das von ihm veranlaßte Vorhalten des Gästebuchs zu eigen und verschafft durch die Anwendungsmöglichkeiten des Internets einem beliebig großen Interessentenkreis den Zugang zu ihnen. Das Gästebuch eröffnet somit die Möglichkeit, anerkennende Äußerungen auch und gerade über die berufliche Tätigkeit des Beklagten zu verbreiten. Damit sind die Grenzen einer nach Form und Inhalt sachlichen Unterrichtung über die berufliche Tätigkeit eines Anwalts überschritten, ohne daß es darauf ankäme, welcher Wahrheitsgehalt den jeweiligen Äußerungen zukommt ...
Diese Wertung hat ... nichts mit der Frage zu tun, ob Rechtsanwälten der Zugang zum Internet gestattet sei. Auch wenn die Wirkung von Werbung je nach gewähltem Medium unterschiedlich sein mag, ist die Beurteilung der Berufswidrigkeit einer Werbung nicht von dem benutzten Medium abhängig. So bedarf es nach Auffassung des Senats keiner Erörterung, daß – natürlich - der Anwaltschaft der Anschluß an das erst in den letzten Jahren etablierte Medium "Internet" gestattet ist ... Daraus kann aber nicht abgeleitet werden, daß damit jegliche Gestaltung der Homepages der Prüfung nach ihrer standesrechtlichen Zulässigkeit entzogen wäre. Denn die Zulassung eines bestimmten Mediums als Träger für eine Werbung sagt nichts darüber aus, ob die in diesem Medium konkret betriebene Werbung gegen § 43 b BRAO (= Bundesrechtsanwaltsordnung) verstößt.
Der Beklagte kann nicht damit gehört werden, daß er nicht in Anspruch genommen werden könne, weil der Inhalt der ins Gästebuch "geschriebenen" Äußerungen nicht von ihm beeinflußt werden könne. Zwar kann vom Grundsatz her einem Anwalt nicht abverlangt werden, daß er positive Äußerungen Dritter über seine berufliche Leistungen unterbindet, insbesondere dann nicht, wenn diese ohne sein Zutun und ohne sein Wissen erfolgen ... Etwas anderes gilt jedoch, wenn der Rechtsanwalt an dem Zustandekommen solcher werbenden Äußerungen mitwirkt. Gemäß § 6 Abs. 4 BO (= Berufsordnung) darf er nicht daran mitwirken, daß Dritte für ihn Werbung betreiben, die ihm selbst verboten wäre. Er selbst dürfte im Hinblick auf § 43 b BRAO seine beruflichen Leistungen nicht lobend herausstellen. Dadurch aber, daß er ein Gästebuch zur Verfügung stellt, wirkt er daran mit, daß Dritte für ihn in unerlaubter Weise Werbung betreiben. Auf den Umstand, daß er auf den jeweiligen Inhalt keinen Einfluß nimmt, kommt es somit nicht an ..."
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 22.03.2005
Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OLG Nürnberg
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Dokument-Nr. 3010
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