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Oberlandesgericht Nürnberg, Urteil vom 23.10.1997
- 8 U 2561/96 -
Unfallflucht gefährdet den Versicherungsschutz
Leistungsfreiheit der Fahrzeugversicherung wegen Verletzung der Aufklärungspflicht
Fahrerflucht ist nicht nur strafbar, sondern gefährdet auch den Versicherungsschutz. Wer sich nach einem Verkehrsunfall unerlaubt von der Unfallstelle entfernt, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen, setzt also nicht nur seinen Führerschein aufs Spiel, sondern auch seinen Entschädigungsanspruch gegen die Kaskoversicherung. Und dieser zivilrechtliche Verlust kommt oft weit teurer zu stehen als die strafrechtlichen Folgen.
So geschehen in einem Fall, über den das Oberlandesgericht Nürnberg zu entscheiden hatte. Im Strafverfahren wegen Unfallflucht war der Angeklagte noch recht glimpflich davongekommen: Zusätzlich zum Entzug der Fahrerlaubnis mußte er wegen seiner eher bescheidenen Einkommensverhältnisse nur 1.600 DM Geldstrafe bezahlen. Finanziell wesentlich härter trafen ihn da schon die versicherungsrechtlichen Folgen seines Fehlverhaltens: Der Autofahrer muß jetzt nicht nur seinen eigenen Schaden in Höhe von 30.649 DM endgültig abschreiben, sondern muß sich obendrein noch mit 1.000 DM am Schaden des Unfallgegners beteiligen. Ganz zu schweigen von den Kosten seines in zwei Instanzen verlorenen Prozesses; für sie wird der unterlegene Kläger wohl nochmals mit einem fünfstelligen Betrag zur Kasse gebeten.
Der 52 Jahre alte Autofahrer war kurz vor Mitternacht aus unerfindlichen Gründen auf die Gegenfahrbahn geraten und dort gegen einen entgegenkommenden PKW geprallt. Bei dem Unfall wurde er am Kopf verletzt; an beiden Fahrzeugen entstand erheblicher Sachschaden. Trotz – oder wegen? – des Unfalls zog es der Kläger vor, das Weite zu suchen. Zunächst wollte er mit dem beschädigten Auto wegfahren. Als ihm das nicht gelang, stieg er aus und rannte in den Wald. Stundenlang blieb er unauffindbar. Erst bei Morgengrauen kehrte er nach Hause zurück. Die Polizei, die ihn inzwischen in seiner Wohnung aufsuchen wollte, mußte unverrichteter Dinge wieder abziehen. Erst eineinhalb Tage nach dem Unfall meldete er sich schließlich mehr oder weniger freiwillig bei der Polizeidienststelle.
In der Folgezeit kam es zu einem Strafverfahren wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort. Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 40 DM und entzog ihm für mehrere Monate die Fahrerlaubnis.
Damit war die Angelegenheit für den Unfallverursacher aber noch nicht ausgestanden. Seine Versicherung weigerte sich nämlich, für den Schaden an seinem eigenen Fahrzeug in Höhe von 30.649 DM aufzukommen. Im Gegenteil, sie verlangte im Regreßweg, er solle sich mit 1.000 DM am Schaden des Unfallgegners beteiligen. Begründung: Durch sein unerlaubtes Entfernen vom Unfallort habe der Versicherungsnehmer gegen seine vertragliche Aufklärungspflicht verstoßen.
Das Oberlandesgericht Nürnberg gab der Versicherung im Ergebnis recht. Zwar kreideten die Richter dem Autofahrer weniger das Entfernen vom Unfallort selbst an. Es könne durchaus sein, daß der Angeklagte unmittelbar nach dem Unfall noch unter Schockwirkung stand und für sein Fehlverhalten nicht voll verantwortlich war.
Vorzuwerfen sei ihm aber, daß er sich nicht wenigstens nach Abklingen seiner Benommenheit sofort bei der Polizei gemeldet habe. Statt dessen habe er damit über einen Tag gewartet. In diesem unangemessen langen Hinauszögern sahen die OLG-Richter einen schweren Verstoß gegen die Pflicht, nach einem Unfall an der Aufklärung des Geschehens mitzuwirken.
Nach § 7 AKB (= Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung) sind Versicherungsnehmer "verpflichtet, alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes und zur Minderung des Schadens dienlich sein kann." Im konkreten Fall wäre die Mitwirkung des Klägers vor allem deshalb geboten gewesen, weil das auf den ersten Blick unerklärliche Abkommen von der Fahrbahn auf Gründe schließen ließ, die in seiner Person liegen konnten (z.B. Alkohol).
Die Verletzung der Aufklärungspflicht kann versicherungsrechtlich schwerwiegende Folgen haben.
Im Bereich der Kaskoversicherung droht dem Versicherungsnehmer bei einem groben oder gar - wie hier - vorsätzlichen Fehlverhalten der volle Verlust seines eigenen Entschädigungsanspruchs. Im Bereich der Kfz-Haftpflichtversicherung muß er sich darüber hinaus am Fremdschaden beteiligen, in der Regel mit bis zu 1.000 DM, bei besonders schwerwiegendem Verschulden sogar mit bis zu 5.000 DM.
Stichhaltige Gründe, den Kläger ausnahmsweise von den Folgen seines Fehlverhaltens zu verschonen (wie in einem vom Landgericht Nürnberg-Fürth entschiedenen Sonderfall, s.u.), lagen nicht vor. Das OLG Nürnberg billigte deshalb den Standpunkt der Versicherung, den Eigenschaden des Klägers nicht zu ersetzen und ihn obendrein mit 1.000 DM am Fremdschaden zu beteiligen.
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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 19.03.2005
Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OLG Nürnberg
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