Gegenstand beider Eilverfahren war u.a. die Frage, inwieweit eine Fahrerlaubnis, die einem deutschen Staatsangehörigen - nach vorangegangener Entziehung der von einer deutschen Behörde ausgestellten Fahrerlaubnis und Ablauf der diesbezüglichen Sperrfrist für eine Wiedererteilung - von einem anderen EU-Mitgliedstaat erteilt wurde, einer Überprüfung durch die deutschen Fahrerlaubnisbehörden unterzogen werden darf.
1. Verfahren 1 W 12/06
Bereits 1989 war dem Antragsteller wegen einer damals bestehenden Heroinabhängigkeit die von einer deutschen Behörde erteilte Fahrerlaubnis entzogen worden. Nachdem er mehrere Jahre an einem kontrollierten Methadon-Programm teilgenommen hatte, beantragte er im Jahre 2003 bei einer saarländischen Behörde die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis. Ein in diesem Zusammenhang angefordertes medizinisch-psychologisches Gutachten kam im Dezember 2003 zu dem Ergebnis, dass der Antragsteller weiterhin ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr sei. Daraufhin machte der Antragsteller geltend, dass ihm bereits vor der Beantragung der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis Anfang 2003 in Italien eine Fahrerlaubnis erteilt worden sei, zu deren Anerkennung die deutschen Behörden verpflichtet seien. Deshalb sei er ohne weiteres berechtigt, auch in Deutschland Kraftfahrzeuge im Straßenverkehr zu führen. Der Aufforderung der saarländischen Fahrerlaubnisbehörde, sich zur Überprüfung seiner Fahreignung angesichts des andauernden Methadon-Konsums sowie des negativen medizinisch-psychologischen Gutachtens vom Dezember 2003 erneut einer medizinisch-psychologischen Untersuchung zu unterziehen, kam der Antragsteller nicht nach. Daraufhin erkannte die Behörde ihm unter Anordnung des Sofortvollzuges das Recht ab, in der Bundesrepublik Deutschland von der italienischen Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen.
Der Antragsteller, dessen Eilantrag erstinstanzlich ohne Erfolg blieb, machte im Beschwerdeverfahren insbesondere geltend, die Entscheidung der saarländischen Fahrerlaubnisbehörde verletze europäisches Gemeinschaftsrecht, da die Anforderung eines aktuellen medizinisch-psychologischen Gutachtens gegen die aus der so genannten EU-Führerscheinrichtlinie folgende Pflicht zur gegenseitigen Anerkennung von Führerscheinen verstoße.
Das Oberverwaltungsgericht hat in seinem Beschluss vom 27.03.2006 einen Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht verneint und die Aberkennung des Rechts, von der italienischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, wegen des bis in die Gegenwart fortdauernden Methadon-Konsums sowie des negativen medizinisch-psychologischen Gutachtens vom Dezember 2003, das nach Erteilung der italienischen Fahrerlaubnis erstellt worden war, als rechtmäßig erachtet. Es hat insoweit ausgeführt, dass der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 29.04.2004 zwar der Befugnis zur Überprüfung von EU-Fahrerlaubnissen nach innerstaatlichem Recht enge Grenzen gesetzt, dabei aber betont habe, dass die EU-Mitgliedstaaten durch die Führerscheinrichtlinie zumindest in den Fällen, in denen die Fahrzeugführer nach Erteilung der EU-Fahrerlaubnis wieder im Inland auffällig würden beziehungsweise in sonstiger Weise erneut Bedenken hinsichtlich ihrer Fahreignung bestünden, ermächtigt seien, ihre nationalen Eignungsüberprüfungs- und Entzugsvorschriften anzuwenden. Um eine solche Konstellation handele es sich vorliegend.
2. Verfahren 1 W 2/06
Dem Antragsteller, einem deutschen Staatsangehörigen mit aktuellem Wohnsitz in Frankreich, war Anfang 2004 die deutsche Fahrerlaubnis wegen einer Trunkenheitsfahrt mit 1,79 Promille entzogen worden. Danach hatte er durch einen bloßen Umtausch seiner von ihm in Deutschland als verloren gemeldeten deutschen Führerscheine eine niederländische und eine französische Fahrerlaubnis erhalten. Nachdem er sich geweigert hatte, sich einer medizinisch-psychologischen Untersuchung zur Feststellung seiner Fahreignung zu unterziehen, wurde ihm das Recht, von der erteilten niederländischen und französischen Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen, mit sofortiger Wirkung aberkannt. Hiergegen wandte sich der Antragsteller in einem Eilverfahren ebenfalls unter Berufung auf einen Verstoß gegen europäisches Gemeinschaftsrecht.
In diesem Verfahren, in dem der Antragsteller nach der Erteilung der französischen beziehungsweise niederländischen Fahrerlaubnis in Deutschland nicht mehr erneut auffällig wurde, sah das Oberverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 30.03.2006 angesichts der derzeitig divergierenden Auffassungen in Rechtsprechung und Schrifttum zur Anerkennung von EU-Fahrerlaubnissen die Rechtslage in der noch zu entscheidenden Hauptsache als offen an. Im Wege einer Interessenabwägung berücksichtigte es, dass, da nicht als hinreichend geklärt anzusehen sei, dass die ursprünglich in der Person des Antragstellers begründeten Gefahren für die Verkehrssicherheit inzwischen beseitigt seien, das Interesse der Allgemeinheit an der Sicherheit des Straßenverkehrs deutlich höher als das berufliche und private Interesse des Antragstellers zu werten sei, bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache auch in der Bundesrepublik Deutschland Kraftfahrzeuge führen zu dürfen. Deshalb müsse es jedenfalls vorerst dabei bleiben, dass der Betreffende in Deutschland nicht fahren dürfe.