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Sozialgericht Berlin, Beschluss vom 07.11.2013
S 81 KR 2176/13 ER -

Elektronische Gesundheitskarte ist verfassungsgemäß

Foto erleichtert Identitätskontrolle und verhindert Missbrauch der Karte

Versicherte sind verpflichtet, zum Nachweis ihres Versicherungs­schutzes ab dem 1. Januar 2014 die elektronische Gesundheitskarte zu benutzen. Es besteht kein Anspruch gegen die Krankenkassen auf Ausstellung eines anderweitigen Versicherungs­nachweises. Sowohl die Nutzungspflicht als auch die Speicherung der Personaldaten auf der Karte sind durch ein überwiegendes Interesse der Versicherten­gemeinschaft gedeckt. Sie sichern eine effektive Leistungserbringung und Abrechnung. Das obligatorische Foto erleichtert die Identitätskontrolle und verhindert damit einen Missbrauch der Karte. Dies geht aus einer Entscheidung des Sozialgerichts Berlin hervor.

Zum 1. Januar 2014 wird die Nutzung der seit Jahren umstrittenen elektronischen Gesundheitskarte Pflicht für alle Versicherten. Bereits seit einigen Monaten wehren sich Versicherte vor allem wegen datenschutzrechtlicher Bedenken auch vor dem Sozialgericht Berlin gegen die Einführung der Karte. Bisher wurden die entsprechenden Rechtsschutzanträge wegen fehlender Dringlichkeit abgewiesen. Erstmals lehnte das Gericht einen Antrag nun auch aus inhaltlichen Gründen ab.

Antragsteller verweigert Abgabe von Lichtbild und Personalangaben

Der in Berlin wohnende Antragsteller des zugrunde liegenden Verfahrens war noch im Besitz einer alten Krankenversichertenkarte, die zum 30. September 2013 ungültig wurde. Trotz mehrfacher Aufforderung weigerte er sich, seiner Krankenkasse zur Anfertigung der neuen elektronischen Gesundheitskarte die angeforderten Personalangaben und ein Lichtbild zu übersenden. Zur Begründung gab er an, die "biometrisch angelegten Krankenkarten" nicht nutzen zu wollen und verwies auf die dagegen erhobene öffentliche Kritik.

Antragsteller verlangt Ausstellung einer anderweitigen Bescheinigung über bestehenden Versicherungsschutz

Am 21. Oktober 2013 rief der Antragsteller im Rahmen eines Eilverfahrens das Sozialgericht Berlin an. Er beantragte, die Krankenkasse zu verpflichten, ihm eine Bescheinigung über seinen Versicherungsschutz auszustellen, die er anstelle der elektronischen Gesundheitskarte bei seinen Ärzten vorlegen könne.

SG Berlin: Antragsteller ist zur Nutzung der elektronischen Gesundheitskarte verpflichtet

Das Sozialgericht Berlin wies den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurück. Der Antragsteller sei gesetzlich verpflichtet, ab dem 1. Januar 2014 zum Nachweis seines Versicherungsschutzes die elektronische Gesundheitskarte zu nutzen. Diese Nutzungspflicht beschränke zwar die allgemeine Handlungsfreiheit des Antragstellers, sei jedoch durch das Interesse der Solidargemeinschaft an einer effektiven Leistungserbringung und Abrechnung der Behandlungskosten gerechtfertigt.

Versicherte sind zur Mitwirkung verpflichtet

Der Antragsteller sei auch zur Mitwirkung verpflichtet. Ohne die Übersendung der Personaldaten und eines Lichtbildes könne die Krankenkasse seine Karte nicht erstellen.

Datenspeicherung und Foto verletzten weder Sozialgeheimnis noch Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung

Bei der Erweiterung der Krankenversicherungskarte zur elektronischen Gesundheitskarte ändere sich nichts am Umfang der Daten, die zwingend auf der Karte enthalten seien. Weder die Speicherung dieser Daten noch das Foto verletzten das Sozialgeheimnis des Antragstellers oder sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (abgeleitet aus Art. 2 Abs. 1 und 1 Abs. 1 Grundgesetz). Das Allgemeininteresse an der Darstellung des Lichtbildes und der Speicherung der Daten überwiege erheblich das Individualinteresse des Antragstellers. Der damit verbundene Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung müsse hingenommen werden. Die zwingend anzugebenden Personaldaten beträfen keine höchstpersönlichen oder sensiblen Verhältnisse des Versicherten. Das Versicherungssystem könne im übrigen nur funktionieren, wenn sich alle Versicherten bei der Inanspruchnahme von Leistungen ausweisen würden.

Weitergehende Nutzung der Karte bedarf Zustimmung der Versicherten

Der Umstand, dass die elektronische Gesundheitskarte technisch geeignet sei, weitere Angaben und Funktionalitäten aufzunehmen, stehe der Nutzung nicht entgegen. Zum einen seien diese erweiterten Möglichkeiten noch gar nicht eingeführt. Zum anderen sei die erweiterte technische Nutzung laut Gesetz nur bei entsprechender Zustimmung der Versicherten zulässig.

Vorschriften aus dem 5. Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung –

§ 15 Abs. 2 SGB V:

Versicherte, die ärztliche oder zahnärztliche Behandlung in Anspruch nehmen, haben dem Arzt (Zahnarzt) vor Beginn der Behandlung ihre Krankenversichertenkarte zum Nachweis der Berechtigung der Inanspruchnahme von Leistungen [...] auszuhändigen.

§ 291 a Abs. 1 SGB V:

Die Krankenversichertenkarte nach § 291 Abs. 1 wird bis spätestens zum 1. Januar 2006 zur Verbesserung von Wirtschaftlichkeit, Qualität und Transparenz der Behandlung für die in den Absätzen 2 und 3 genannten Zwecke zu einer elektronischen Gesundheitskarte erweitert.

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 15.11.2013
Quelle: Sozialgericht Berlin/ra-online

Aktuelle Urteile aus dem Krankenkassenrecht | Sozialversicherungsrecht
Fundstellen in der Fachliteratur: Zeitschrift: Kommunikation & Recht (K&R)
Jahrgang: 2014, Seite: 148
K&R 2014, 148

Urteile sind im Original meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst kostenlose-urteile.de alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Dokument-Nr.: 17189 Dokument-Nr. 17189

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Kommentare (4)

 
 
Monika Frank schrieb am 18.11.2013

Was für ein Blödsinn! Jeder Mensch ist verpflichtet seinen Personalausweis mit sich zu führen. Also, wenn geprüft werden muss, ob die Daten zu mir als Person zuzuordnen sind, kann ich doch jederzeit meinen Perso vorlegen. Ein sehr fadenscheiniges Urteil, das nur den Versicherungsgesellschaften nutzt, wobei die ja wohl nicht mit im Wartezimmer sitzen und mein Gesicht mit dem ihnen vorliegenden Bild abgleichen. Alles Blödsinn, ist nur ein Geschenk an die ehemalige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt. Geht mir mächtig gegen mein Datenschutzempfinden!

L.Jürgens antwortete am 18.11.2013

Das fehlte, damit wir auch für den deutschen Staat gläsern sind.

" Der Zahnarzt weiß was der Gyn gemacht hat und der Apotheker fragt ob es noch schmerzt.

Wenn es hier dauerhaft warm wäre würde ich sagen,laßt uns doch nackt gehen mit Kontonummer und Pin vor der Brust.

Winter schrieb am 16.11.2013

Hmm, da hilft wohl nur das Parlament zu Bombardieren bzw so oft es geht sämtliche arten von Petitionen einreichen.

Ebenso die einzelnen Parteimitglieder immer wieder Ansprechen. Man sie nerven.

C. Schulz schrieb am 15.11.2013

Puhhh, das ist wirklich KEIN gutes Urteil. Da wird einem Versicherten die Chance genommen, seine Mitgliedschaft in der Versicherung per PAPIER nachzuweisen. Stattdessen muss er auf die Gesundheitskarte umsteigen.

Dass da legal ein System aufgebaut wird, bei dem meine Krankendaten "in der Cloud" abgelegt werden, und dass man zu Recht nicht daran teilnehmen will -- das wurde vom Gericht nicht ganz verstanden.

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