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Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.05.2008
- II ZR 292/06 -
Verbraucherschutz: BGH zur Auslegung der Haustürgeschäfte-Richtlinie
Vorlagebeschluss des Bundesgerichtshofs an den Europäischen Gerichtshof
Die Parteien streiten im Rahmen einer Vollstreckungsabwehrklage über die Frage, ob der Klägerin gegen den Beklagten ein Anspruch auf Ausgleich des nach seinem Ausscheiden aus einem geschlossenen Immobilienfonds in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) bestehenden negativen Auseinandersetzungsguthabens zusteht.
I. Der Beklagte hat am 23. Juli 1991 aufgrund von Verhandlungen, die in seiner Privatwohnung geführt worden sind, seinen Beitritt zu dem aus 46 Gesellschaftern bestehenden geschlossenen
In einem Vorprozess forderte die Klägerin als Geschäftsführerin der GbR vom Beklagten die Zahlung von Nachschüssen, die die Gesellschafterversammlung der GbR zur Beseitigung von Unterdeckungen beschlossen hatte. Im Laufe des Verfahrens hat der Beklagte seine Mitgliedschaft in der GbR fristlos gekündigt und die Beitrittserklärung nach § 3 HWiG (jetzt § 312 BGB) widerrufen. Die Klage ist im Vorprozess mit der Begründung abgewiesen worden, nach wirksamer Kündigung des Gesellschaftsbeitritts durch den Beklagten bestünden zwischen den Parteien lediglich noch Ansprüche nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft. Die Nachschussforderung sei daher nicht mehr selbständig einklagbar, sondern sie sei als unselbständiger Rechnungsposten in die infolge des Ausscheidens des Beklagten auf den Tag des Wirksamwerdens des Ausscheidens zu erstellende Auseinandersetzungsrechnung einzustellen.
Die Klägerin hat dieser Rechtsansicht des Berufungsgerichts im Vorprozess Rechnung getragen und zum Stichtag 6. August 2002 eine Auseinandersetzungsrechnung erstellt, die ein negatives Auseinandersetzungsguthaben des Beklagten in Höhe von 16.319,00 € ausweist.
Der Beklagte betreibt gegen die Klägerin die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Vorprozesses. Die Klägerin hat mit ihrer Forderung gegen den Beklagten auf Zahlung des negativen Auseinandersetzungsguthabens die Aufrechnung gegen die Forderung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss erklärt und im vorliegenden Rechtsstreit Vollstreckungsgegenklage erhoben. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat sie auf die Berufung des Beklagten im wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, zwar führe der unstreitig erklärte und wirksame Widerruf der Beitrittserklärung des Beklagten zu der GbR nach § 3 HWiG grundsätzlich zu einer Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft mit der Folge, dass der widerrufende Gesellschafter lediglich Anspruch auf sein Auseinandersetzungsguthaben habe. Dies gelte jedoch nicht, wenn die Auseinandersetzung zu einer Zahlungspflicht des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft führe. Diese Folge verstoße gegen die Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen (Haustürgeschäfte-RL), da aus dieser klar hervorgehe, dass den Verbraucher infolge des Widerrufs keine Verpflichtungen aus dem widerrufenen Vertrag mehr treffen dürften und empfangene Leistungen zurückzugewähren seien. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin.
II. Die Entscheidung des Berufungsgerichts steht in Widerspruch zu der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der in der Literatur weitgehend zugestimmt wird. Danach finden zwar auf den Beitritt zu einem geschlossenen
Die Regeln über die fehlerhafte Gesellschaft finden generell nur dann keine Anwendung, wenn der in Vollzug gesetzte fehlerhafte Gesellschaftsvertrag oder der vollzogene fehlerhafte Beitritt einen Geschäftsunfähigen oder Minderjährigen betrifft oder wenn die fehlerhaften, vollzogenen Vorgänge gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten verstoßen. Allein dann versagen die Rechtsprechung und die herrschende Lehre dem fehlerhaften Gesellschaftsvertrag oder dem fehlerhaften Beitritt die rechtliche Anerkennung. Dagegen bleibt es bei den Regeln der fehlerhaften Gesellschaft selbst dann, wenn ein Gesellschafter durch arglistige Täuschung oder Drohung zum Gesellschaftsbeitritt veranlasst worden ist.
Übertragen auf das
III. Der II. Zivilsenat hat unter Beachtung insbesondere des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 25. Oktober 2005 und der sich hieran anschließenden Diskussion im Schrifttum Zweifel bekommen, ob die aufgezeigten - nach deutschem Recht zweifellos sachgerechten, weil die Interessen aller Beteiligten in die Lösung einbeziehenden - Regelungen wegen der den Widerrufenden belastenden Rechtsfolgen mit der Richtlinie 85/577/EWG in Einklang stehen, nach deren Art. 5 Abs. 2 die Anzeige des Rücktritts von den eingegangenen Verpflichtungen bewirkt, dass der Verbraucher aus allen aus dem widerrufenen Vertrag erwachsenden Verpflichtungen entlassen ist. M. a. W. geht es um die Frage, ob der einen Gesellschaftsbeitritt nach dem HWiG Widerrufende denselben Schutz genießen muss, wie die Gruppe der nicht oder nicht voll geschäftsfähigen Personen, auf welche die Regeln der fehlerhaften Gesellschaft mit Rücksicht auf ihr höherrangig bewertetes Schutzbedürfnis nicht angewandt werden.
Der Senat hat daher das Revisionsverfahren ausgesetzt und – der Verpflichtung aus Art. 234 EG-Vertrag folgend – dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften die Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob Beitritte zu Personengesellschaften, Vereinen oder Genossenschaften mit dem vorrangigen Ziel einer Kapitalanlage von der Bestimmung des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 85/577/EWG erfasst werden, und ob die Bestimmungen der Art. 5 Abs. 2 und Art. 7 der Richtlinie dahin auszulegen sind, dass sie der Behandlung des widerrufenden Verbrauchers als (zunächst) wirksam beigetretenen Gesellschafter mit allen daraus folgenden Rechten und Pflichten bis zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Widerrufs entgegenstehen.
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EWGRL 577/85 Art. 1 Abs. 1 Satz 1, Art. 5 Abs. 2, Art. 7
Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft werden folgende Fragen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts gemäß Art. 234 EG zur Vorabentscheidung vorgelegt:
a) Ist die Bestimmung des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen dahin auszulegen, dass davon der Beitritt eines Verbrauchers zu einer Personen-, einer Personenhandelsgesellschaft, einem Verein oder einer Genossenschaft umfasst ist, wenn der Zweck des Beitritts vorrangig nicht darin besteht, Mitglied der Gesellschaft, des Vereins oder der Genossenschaft zu werden, sondern - was vor allem bei der Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds häufig zutrifft - die mitgliedschaftliche Beteiligung nur ein anderer Weg der Kapitalanlage oder der Erlangung von Leistungen ist, die typischerweise Gegenstand von Austauschverträgen sind?
b) Ist die Bestimmung des Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen dahin auszulegen, dass sie einer nationalen (richterrechtlichen) Rechtsfolge im Sinne des Art. 7 der Richtlinie entgegensteht, die besagt, dass ein solcher in einer Haustürsituation erklärter Beitritt eines Verbrauchers im Falle des Widerrufs des Beitritts dazu führt, dass der widerrufende Verbraucher einen auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Widerrufs berechneten Anspruch gegen die Gesellschaft, den Verein oder die Genossenschaft auf sein Auseinandersetzungsguthaben, d.h. einen dem Wert seines Gesellschafts-, Vereins- oder Genossenschaftsanteils im Zeitpunkt des Ausscheidens entsprechenden Betrag erhält, mit der (möglichen) Folge, dass er wegen der wirtschaftlichen Entwicklung der Gesellschaft, des Vereins oder der Genossenschaft entweder weniger als den Wert seiner Einlage zurückerhält oder sich ihnen gegenüber sogar noch über den Verlust der geleisteten Einlage hinausgehenden Zahlungspflichten ausgesetzt sieht, weil das Auseinandersetzungsguthaben negativ ist?
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 05.05.2008
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 90/08 des BGH vom 05.05.2008
- Landgericht München I, Urteil vom 25.04.2006
[Aktenzeichen: 34 O 16095/05] - Oberlandesgericht München, Urteil vom 23.11.2006
[Aktenzeichen: 8 U 3479/06]
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Dokument-Nr. 6007
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