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Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.04.2014
VIII ZR 107/13 -

Vermieter kann nach Wirksamwerden der Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters und aufgrund gefälschter "Vor­vermieter­bescheinigung" Mietverhältnis rechtmäßig kündigen

BGH zur vom Insolvenzverwalter erklärten "Freigabe" des Mietverhältnisses über die Wohnung des Insolvenzschuldners

Der Bundesgerichtshof hatte sich mit den Rechtswirkungen der vom Insolvenzverwalter erklärten "Freigabe" eines Mietverhältnisses sowie mit den Folgen falscher Angaben des Mieters in einer so genannten "Vor­vermieter­bescheinigung" zu befassen und entschied, dass der Vermieter nach dem Wirksamwerden der Freigabeerklärung gemäß § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO gegenüber dem Mieter kündigen kann und die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses allein wegen einer gefälschten Vor­vermieter­bescheinigung gerechtfertigt sein kann.

Der Kläger des zugrunde liegenden Falls ist seit dem 1. April 2007 Mieter einer Wohnung der Beklagten in Hamburg. Vor Abschluss des Mietvertrages erhielt der Kläger von der Verwalterin der Beklagten ein Formular einer "Vorvermieterbescheinigung". Darin sollte der bisherige Vermieter des Klägers bestätigen, wie lange das Mietverhältnis gedauert hat und ob der Mieter die Kaution und die Miete pünktlich gezahlt hat und seinen sonstigen Verpflichtungen aus dem Mietvertrag nachgekommen ist. Der Kläger gab die Formulare vor Vertragsschluss ausgefüllt zurück. Danach hatte er seit 2003 von einem Dritten eine Wohnung zu einer Miete von 695 Euro gemietet und seine Pflichten aus dem Mietvertrag stets pünktlich erfüllt.

Vermieter spricht wegen gefälschter Vormieterbescheinigung fristlose Kündigung des Mietvertrags aus

Am 5. November 2009 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet. Der vom Gericht eingesetzte Treuhänder erklärte mit Schreiben vom 3. Dezember 2009 die "Freigabe" des Mietverhältnisses gemäß § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO*. Mit Schreiben vom 16. September 2010 erklärten die Beklagten gegenüber dem Kläger die fristlose Kündigung des Mietvertrags, weil die Vorvermieterbescheinigung gefälscht gewesen sei. Weder habe der Kläger an der angegebenen Adresse gewohnt noch mit dem genannten Vermieter in dem genannten Zeitraum überhaupt einen Mietvertrag abgeschlossen.

Landgericht gibt Räumungsklage statt

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist allein der von den Beklagten mit der Widerklage (unter anderem) geltend gemachte Räumungsanspruch. Das Amtsgericht hat die Widerklage insoweit abgewiesen. Das Landgericht hat auf die Berufung der Beklagten das amtsgerichtliche Urteil abgeändert und der Räumungsklage stattgegeben.

Vermieter kann nach Wirksamwerden der Freigabeerklärung Kündigung aussprechen

Die vom Bundesgerichtshof zugelassene Revision, mit der der Kläger die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils erstrebt, hatte Erfolg. Der Bundesgerichtshof entschied, dass der Vermieter nach dem Wirksamwerden der Freigabeerklärung gemäß § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO gegenüber dem Mieter kündigen kann. Denn durch die Enthaftungserklärung des Insolvenzverwalters erhält der Mieter die Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis über das Mietverhältnis zurück.

Gefälschte Vorvermieterbescheinigung kann fristlose Kündigung des Mietverhältnisses rechtfertigen

Zutreffend hat das Berufungsgericht ferner in der Vorlage einer gefälschten Vorvermieterbescheinigung eine erhebliche Verletzung (vor-)vertraglicher Pflichten gesehen, die die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses rechtfertigen kann. Das Berufungsgericht hat allerdings das Vorbringen des Klägers, die Beklagten hätten bereits im Jahr 2007 Kenntnis von der Fälschung erlangt, so dass die im September 2010 ausgesprochene fristlose Kündigung wegen Verspätung unwirksam sei, rechtsfehlerhaft übergangen. Der Rechtsstreit war deshalb zur weiteren Sachaufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Erläuterungen

* -  § 109 InsO: Schuldner als Mieter oder Pächter

(1) Ein Miet- oder Pachtverhältnis über einen unbeweglichen Gegenstand oder über Räume, das der Schuldner als Mieter oder Pächter eingegangen war, kann der Insolvenzverwalter ohne Rücksicht auf die vereinbarte Vertragsdauer oder einen vereinbarten Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung kündigen [...]. Ist Gegenstand des Mietverhältnisses die Wohnung des Schuldners, so tritt an die Stelle der Kündigung das Recht des Insolvenzverwalters zu erklären, dass Ansprüche, die nach Ablauf der in Satz 1 genannten Frist fällig werden, nicht im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. [...]

 

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© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 09.04.2014
Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Hamburg-Harburg, Urteil vom 20.04.2012
    [Aktenzeichen: 645 C 484/09]
  • Landgericht Hamburg, Urteil vom 28.03.2013
    [Aktenzeichen: 307 S 55/12]
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NJW 2014, 1954
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